□ □ □ □ HAUS UND HEIM □ □ □ □
HAUS UND GARTEN,
VON GERTRUD JE KYLL, LONDON.
I.
WIE DAS HAUS GEBAUT WURDE.
(Fortsetzung.) Es sind unter
anderem auch kleine, alte Tränenfläschchen dabei, deren
irisierende matte Oberfläche effektvoll und vornehm zugleich
wirkt; ein kleiner, silberner Buddah; zarte Venezianer Gläser;
vom Alter grüne Bronzemünzen; alte Kirchenstickereien in
Bunt und Gold auf weißer Seide, die jetzt schon verblichen
und farblos sind; Straußeneier von der Farbe des Elfem
beins und Emueier von einem blassen, matten Grün. Unzählige
kleine Sachen, die den Raum von „acht Fuß auf vier" eim
nehmen, wie sich der Tischler ausdrücken würde, eine Lebens
geschichte in Hieroglyphenschrift, die nur von einem einzigen
Menschen entziffert werden kann, die aber auch allen übrigen
Besuchern einen hübschen Anblick bietet.
Auch die getäfelten Schränke sind voller Schätze, die in
handlichen dunkelgrünen Schachteln mit losen Kappen unter
gebracht sind, wie man sie in Geschäften für Bänder und
zarte Ware benützt. Man findet hier alte venezianische und
florentinische Stoffe; Wandbehänge, Meßgewänder, Brokate,
Damaste, Stickereien, Franzen, Schnüre und große Seiden
quasten.
Es sind Schachteln mit algierischer und anderer Stick
seide, mit persischer Wolle, mit Chenille und mit bunter
Stickbaumwolle dabei; eine Schachtel enthält alte englische
Flickendecken und eine zweite hübsche bunte französische
und italienische Bauerntücher. Ab und zu kommen viele
dieser Vorräte in Gebrauch, während die übrigen mir das
Vergnügen, darin herumwühlen und sie den meinen Ge
schmack teilenden Freunden zeigen zu können, bereiten. Es
befinden sich auch Stoffsäckchen darin, in denen Seide-,
Leinen- und Baumwollreste liegen und das alles erfüllt mich
mit der angenehmen Empfindung, daß jeder Gegenstand in
diesen großen Schränken rein und sicher aufgehoben wird
und ich meine Schätze gleich bei der Hand habe.
Ein kleinerer Teil des Schrankes enthält eine Sammlung
von Gegenständen, die ein lokales Interesse haben, und die
jetzt zum größten Teile nicht mehr im Gebrauch sind. Es
ist eine Anzahl von Kopfstücken für Pferdegeschirre aus
Messing dabei, die den Stolz eines strammen Fuhrmannes
bilden und noch immer verwendet werden; darunter befinden
sich auch die jetzt nicht mehr vorkommenden Ohrglocken,
die von dem über den Kopf des Pferdes bis zu den Ohren
gehenden Riemen paarweise an jeder Seite herabhingen und
an die Seitenteile des Kopfstückes befestigt wurden. Der
mittlere Teil des Riemens war überdies mit einem drei
teiligen Büschel aus gefärbtem Roßhaar geschmückt, der
aus einer schmucken Messingeinfassung in die Höhe stand.
Man findet auch die bunten Rosetten aus farbigen wollenen
Borten darunter, mit denen das Gespann an Markttagen auf
geputzt wurde. Der verschiedenartige Inhalt dieses Schrankes
wird auch durch solche seltene Stücke vervollständigt, wie
es Lichtscheren und Löffel aus Messing, Pfefferbehälter,
hölzerne Schnitterflaschen, Feuerzeuge, einige der ersten
flachen Zündhölzchen und von den Matrosen ausgehöhlte
Kokosnüsse sind; es sind außerdem noch ein schöner, alter
Schäferstab und verschiedene Arten alter Nachtlichtbehälter
dabei.
Die Galerie ist nicht mit Möbeln angefüllt, sondern ent
hält nur einen langen Tisch aus Eichenholz, von schöner,
einfacher Form, Wäscheschränke und ein paar Stühle. Auf
dem großen Tisch wird zugeschnitten und wird das Näh
zeug hergerichtet. Ich wählte mir für mein eigenes Schlaf
zimmer einen am Ende der Galerie gelegenen Raum, damit
ich möglichst oft das Vergnügen habe, die ganze Länge des
Ganges zurückzulegen, und jeden Morgen, wenn ich hungrig
und für das Tageswerk gerüstet aus meinem Zimmer zum
Frühstück gehe, bin ich darüber froh, daß mein Heim in
seinem oberen Stockwerk eine so geräumige und hübsche
Galerie besitzt.
Der Bau des Hauses wurde infolge des völligen Einver
nehmens zwischen dem Architekten, dem Baumeister und
dem Besitzer auf die beste Art vollzogen. Ich fürchte, daß
ein solches Zusammentreffen glücklicher Umstände beim
Bau eines Hauses selten vorkommt. Es geschieht häufig,
daß entgegengesetzte Wünsche miteinander in Streit geraten;
es scheint vor allem etwas ganz Gewöhnliches zu sein, daß
der Baumeister und der Architekt einander in gewissem
Maße feindlich gegenüberstehen. Daraus ergibt sich für den
Architekten die Notwendigkeit, bei Bauten von einiger Be
deutung einen teuer bezahlten Aufseher anzustellen, der auf
passen muß, daß der Hausbesitzer vom Baumeister nicht
übervorteilt wird.
Wenn alle drei aber vernünftig und ehrlich sind und den
Wunsch, eine gute Arbeit zustande zu bringen, teilen, ist
diese Extraausgabe überflüssig, und das ganze Unternehmen
verursacht nicht, wie es oft vorkommt, Trubel, Unruhe und
Besorgnisse während des Entstehens und möglicherweise
Enttäuschungen bei seiner Vollendung, sondern erinnert an
ein interessantes Spiel, das ernstes, gänzlich absorbierendes
Interesse hervorruft, dessen verschiedene Stadien von jedem
einzelnen bestimmte Leistungen erfordert und bei dem
jeder Fortschritt ganz folgerichtig mit der stufenweisen
Vollendung des ganzen Baues in Zusammenhang steht.
Wir waren während der ganzen Zeit durch keinerlei Kon
trakte gebunden. Die üblichen Preise wurden von einer
Londoner Firma bestimmt, die den Kostenanschlag machte
und der diese Summe diejenige, die für das Haus festgesetzt
worden war, nicht beträchtlich überstieg, wurde die Arbeit
dem Baumeister übergeben, der den Auftrag erhielt, sich wo
es ging einzuschränken; außerdem wurde mit ihm ausgemacht,
daß er alle Rechnungen am Ende eines jeden Monats über
senden sollte und bei der Begleichung außer der zu be
zahlenden Summe zehn Prozent des ganzen Betrages zu
bekommen hatte.
Der Architekt besaß genaue Kenntnisse der lokalen Methode
der Verwertung des in unseren Hügeln lagernden Sandsteines,
der viele Jahrhunderte lang das einzige Baumaterial der
Gegend war; er war auch mit den Details vertraut, welche
einen gewissen Zweck mit gewissen Mitteln zu erreichen
lehren und durch welche die ganz bestimmte Bauart einer
Gegend entsteht, so daß das von ihm Erbaute auf natürliche
Weise aus dem Boden zu wachsen schien. Ich bedaure es
immer, wenn an irgend einem Ort die individuellen Besonder
heiten eines anderen zum Ausdruck gebracht werden. Jeder
Teil des Landes besitzt seine eigenen Traditionen und der
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