großzügige Grundrißlösung und die technisch rationelle Durchführung
betrifft, jenes geniale Etwas, das auch diese Jungen als Erbe von dem
Alten übernommen haben.
Nebenbei könnte man auch sagen, daß diese Werke der Jüngeren ein
gefälligeres Gesicht tragen, als die Zeit heute wieder mehr zur Versöhnung
der Stilrichtungen und der Doktrinen neigt, die in den Kampf jahren Otto
Wagners einander noch schroff gegenüberstanden.
Im Resultat aber hat sich bereits gezeigt, daß überall dort, wo große
Bauaufgaben folgerichtig gelöst werden, der Geist Wagners lebendig ist,
sei es durch sein eigenes, noch immer rüstiges Schaffen, oder durch die
praktische Betätigung seiner ehemaligen Schüler und Jünger. Hier liegt
augenscheinlich ein künstlerisches Gesetz vor, um das der Meister durch
Jahrzehnte gegen den Unverstand und die Bosheit der Zeitgenossen ge
kämpft hat und das seine Überlegenheit zur dauernden Beschämung jener
„Zeitgenossen“ im Laufe der Zeiten immer mehr erhärtet.
Die geniale Kraft des Künstlers hat sich außerdem in einer sehr schönen
menschlichen Eigenschaft erwiesen: in dem unverwüstlichen Optimismus,
der den Künstler allen Kränkungen zum Trotz in seiner geradezu könig
liehen Gebärde aufrechterhielt. Das Volk der Pygmäen konnte ihn nicht
brechen. Durch 5 Jahre hatte ich den Vorzug, seinen täglichen Umgang
zu genießen, gerade in den heißesten Kampfjahren, und ich beobachtete,
daß der heute noch in unverminderter Frische schaffende 72 jährige jüng
lingshafter war als all die jungen Leute um ihn herum.
Seine Schlagfertigkeit, sein Witz, sein Temperament, der ungeheure gei
stige Vorsprung seines Könnens, mit einem Wort die ganze geistige Aus
strahlung seines Wesens, wirkte belebend wie eine radioaktive Atmosphäre.
In seiner Nähe war das Leben leicht, schön und sieghaft; man fühlte sich
von Kräften erhoben, die von ihm ausstrahlten, die auf die Dauer bei allen
weiterwirkten, die als Schüler, Jünger oder Freunde mit ihm zu tun hatten.
Es war ein fast ergreifendes Schauspiel, ihn zu sehen, wenn seinen erbärm
lichen Gegnern wieder eine Kränkung oder Zurücksetzung des Künstlers
gelungen war. Wer ihn gedemütigt, oder nur verstimmt, oder verwundet
zu finden fürchtete, konnte eine angenehme Enttäuschung erleben. Un-
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