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Volltext: Die Faiencen von Oiron (Henri-Deux) : Vortrag gehalten im k. k. österr. Museum für Kunst und Industrie

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im Musee Cluny, woselbst sich jene Miniatur jetzt befindet, dass in der 
Zeichnung die Flasche nur 18 Millimeter, noch nicht 3 / 4 Zoll misst, folg 
lich das Ornament nur in ganz winzigen Andeutungen besteht, so weiss 
man nicht, soll man hier einen Fall ungewöhnlichen Instincts annehmen 
oder lebhafter Phantasie, welche uns das sehen lässt, was wir zu sehen 
wünschen. Fillon durchforschte alle einstigen Besitzungen der Familie 
Gouffier, und fand zuletzt wirklich in dem Schlosse Oiron bei Thouars, 
etwa halbwegs zwischen Blois und la Rochelle, allerlei Anzeichen, welche 
ihm selbst als eben so viele untrügliche Beweise erscheinen, während wir 
Andern wenigstens nicht umhin können, es als wahrscheinlich anzusehen, 
dass daselbst die Henri-deux-Gefässe gemacht worden seien. 
Die Gouffier’s, als Edelleute bereits im i3. Jahrhundert erwähnt, 
kamen empor durch Guillaume, den Günstling Karl’s VII. und der Agnes 
Sorel, welcher Herr von Oiron wurde, Ludwig XII. erzog, und nahe daran, 
Minister zu werden, 149g starb. Guillaume’s Sohn Artus war Gouverneur, 
später Minister Franz I. und soll als Freund der Wissenschaften und 
Künste, aber auch der Feste und des Luxus, ferner als leidenschaftlicher 
Verehrer der Ritterromane, in den mannichfachsten Richtungen bestim 
menden Einfluss auf Franz gehabt haben. Die Gunst des Königs übertrug 
sich nach Artus’ Tode (1519) auf dessen gesammte Familie, die mit Aem- 
tern, Geschenken an Landbesitz und anderen Gunstbezeugungen über 
schüttet wurde. Artus’ Witwe Helene de Hangest de Genlis, auch nach 
einem der zahlreichen Titel ihres Gatten Frau von Boisy genannt, wurde 
Aya des Dauphin, nachmaligen Heinrich II.; ihr Sohn Claude, der mit 
Franz I. bei Pavia in Gefangenschaft gerathen war, brachte es unter 
diesem Könige zum Grand-Ecuyer de France, stand auch bei Heinrich II. 
und Karl IX. in der höchsten Gunst und brachte sogar das Kunststück 
fertig, gleichzeitig mit der Königin Katherine von Medicis und mit Diana 
von Poitiers gut zu stehen. Sein grosser Reichthum war sprüchwörtlich 
und als Marquis von Carabas, eigentlich Caravaz, ist er durch das Mär 
chen vom gestiefelten Kater unsterblich gemacht worden. Er starb 1570 
oder 1572. 
Zur Zeit der Halene de Hangest (einer, wie es scheint, ausgezeich 
neten Frau, deren von Fillon mitgetheilte Schriftzüge etwas festes, männ 
liches haben) und ihres Sohnes Claude lebte nun in Oiron, wo sich die 
Dame während ihrer fast zwanzigjährigen Witwenschaft mit Vorliebe auf 
hielt, ein gewisser Francois Cherpentier, welcher in einem Briefe Claude’s 
vom Jahre 1529 als »potier de Madame de Boisy« bezeichnet wird, und 
aus demselben Document erfahren wir, dass ihr Secretär und Bibliothekar 
Jehan Bernart zugleich die Aufsicht ^über den Brennofen hatte. Beide 
werden noch etwa zehn Jahre später erwähnt, als Frau v. Boisy bereits 
todt war; ebenso zwei Maler. 
Erwiesen ist also, dass auf dem Schlosse Oiron eine Reihe von 
Jahren hindurch Keramik getrieben worden ist. Salvetat hat auch fest-
	        
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