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Volltext: Die Faiencen von Oiron (Henri-Deux) : Vortrag gehalten im k. k. österr. Museum für Kunst und Industrie

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gestellt, dass emaillirte Fliesen in der Schlosscapelle zu Oiron von dem 
selben, nur weniger gereinigten Thon gemacht sind wie die Henri-deux- 
Gefässe. Ferner kommen an solchen ausser den bereits erwähnten Mono 
grammen u. dgl. verschiedene Wappen vor, deren Träger in der nächsten 
Nachbarschaft von Oiron sesshaft waren. Die Vorbilder mancher von den 
Verzierungen fand Fillon in architektonischen oder decorativen Einzel 
heiten des Schlosses; und wenn er hierin auch mitunter zu weit zu gehen 
scheint, wenn er für Formen, welche damals sozusagen in der Luft lagen, 
in jedem Falle bestimmte Originale sucht, so hat er doch in der Annahme 
gewiss recht, dass der oder die Künstler die Motive für ihre Arbeiten 
überall hergenommen haben, wo sie Verwendbares erkannten 4 ). In der 
berechtigten Freude über seine Entdeckung macht Fillon allerdings die 
Dame Helene de Hangest zur Heldin eines keramischen Romans. Von 
ihrem feinen künstlerischen Geschmacke sollen die Fabricate der angeb 
lich ersten Periode Zeugniss geben, nach ihrem Tode die nicht mehr ge 
leiteten Künstler sich in Extravaganzen verloren haben u. dgl. m.; in einem 
weiblichen Profil, welches sich an einem Drageoir, einer Confectschale, 
der ehemals Soltikoff'sehen Sammlung befindet, hat er nicht übel Lust, 
das Porträt der Dame zu erkennen. Das kann alles richtig sein, doch 
mangelt jeder Beweis 5 ). Dass die Gegenstände immer complicirter und 
dann auch zuweilen überladen wurden, erklärt sich gerade nach seiner 
Hypothese ganz natürlich. Mit Ausnahme Cherpentier’s, welchem wohl 
das Reintechnische, das Bereiten des Thons und das Brennen der Ge- 
fässe, zugeschrieben werden müsste, wären nur Dilettanten auf Schloss 
Oiron thätig gewesen, deren Experimentirlust wuchs, ohne dass ihr künst 
lerisches Vermögen gleichen Schritt hielt; die nicht selten Zierrathe an 
brachten, um Schäden zu bemänteln, die aber auch manchmal schleude- 
rischer gearbeitet haben mögen, weil für sie die Sache den Reiz verloren 
hatte und sie doch um Neues gedrängt wurden. Und wäre dieser Ge 
sichtspunkt schon früher festgehalten worden, so würde das Fabrications- 
geheimniss vielleicht nicht so lange Geheimniss geblieben sein. Man würde 
dann nicht der Privatwerkstätte des 16. Jahrhunderts technische Proce- 
duren zugetraut haben, welche die mit den vollkommensten Hilfsmitteln 
aller Art aufs reichste ausgestatteten, von den ersten Praktikern und 
Theoretikern geleiteten Anstalten der Gegenwart nur mit einem ausser 
ordentlichen Aufwande von Zeit und Arbeit durchzuführen vermochten. 
Die Staats-Porcellanfabrik zu Sevres, Deck in Paris, Avisseau in Tours, 
Minton in Stoke-upon-Trent, die Porcellanfabrik Gustafsberg in Stockholm 
und Andere haben sich in Imitationen der Henri-deux-Waare versucht, 
aber nie eine Industrie daraus machen können, weil die Herstellung un- 
gemein kostspielig war. Man ging dabei in der Regel von der Ansicht 
aus, dass die Flächenverzierungen vertieft und dann mit einem anders 
gefärbten Thon ausgefüllt worden seien. Demgemäss wurden in die Mo 
delle all’ die oft so fein wie mit der Feder gezeichneten Ornamente ein- 
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