Wachau.
Unbeweglichem, als Museum behandelt werden, mit dem
Unterschiede, daß es nicht abgelebtes, außer Gebrauch ge^
setztes Gerümpel enthält, spndern zugleich Gebrauchswert
und vom Leben durchflutet ist.
Solcherart würde die ganze Schönheit unserer Provinzen um
verkümmert erhalten, die gerade zur Zeit der Pflege der SO'
genannten allgemeinen Bildung zum erheblichen Teil den
vermeintlichen Utilitätszwecken, angeblichen Verkehrsforde
rungen, der Fremdenindustrie, dem fälschlichen Fortschritt
und hundert anderen, wie immer Namen führenden Spekula
tionen geopfert wurde.
Der künstlerische Sinn müßte der Schwerpunkt der allgemeinen
Bildung werden, wenn wir wieder zu einer wahren Kultur
gelangen sollen.
Noch ist das alte Kulturbild in der
DAS ALTE Wachau fast unversehrt geblieben. Die
KULTURBILD IST Natur hat hier als Künstlerin mit-
FAST UNVER- gearbeitet. Nicht allein was die wunder-
SEHRT. vollen atmosphärischen Stimmungen
zu den verschiedenen Tages- und
Jahreszeiten betrifft, die am herrlichsten in diesen Frühlings
tagen sind, da über den Donauauen ein grüner Schimmer
von schwellenden Knospen liegt und hinter durchsonnten
Nebelschleiern der glänzende Wasserspiegel, dämmerblaue
Waldberge und der heitere Kranz von Städten und Dörfern
den Ufern entlang auftauchen. In bunter Reihe ziehen die
Orte vorüber, Melk, Aggsbach, Weißenkirchen, Dürnstein,
Stein, Krems, der kleineren nicht zu gedenken, die barocke
Pracht der Stifte und ihrer Dome, die mittelalterlichen Giebel
bauten und Arkadenhäuser, Schlösser, Burgruinen, Wein
berge, in Terrassen übereinander gebaut, Felsenwände, Obst
gärten und Bergwälder, alte verfallene Befestigungen, Kapellen
und Pfarrkirchen. Wie aus dem Felsen herausgemeißelt, auf
dem sie stehen, wachsen die Häuser und Kirchen der Dörfer
empor, altersgrau und wie aus einem Gusse mit der um
liegenden Landschaft, in großen, einfachen Linien und un
geteilten Wandflächen, vielfach von Reben überklettert und
um so sichtlicher mit dem Boden verkittet. In diesem Gegen
wartsbild drängt Altes und Neueres in harmonischer Einheit
wie auf einer Fläche zusammen. Auf dem Urstock von Felsen
und darauf errichteter burgenhafter Befestigung erhebt sich
der Barockbau des stolzen Stiftes Melk mit herrlichen archi
tektonischen Gartenanlagen, während am Fuße des Felsens
im Orte eine uralte Hausbautradition mit Giebeldächern und
offenen Lauben sich unverkümmert forterhalten hat bis in
die jüngste Gegenwart, wo allerdings der verderbliche Einfluß
großstädtischen Ungeschmacks dem alten Bestände Gefahr
bringt. In allen Orten tritt der Niederschlag historischer
Kulturepochen als Unterschicht hervor, auf der sich das klein
bürgerliche und bäuerliche Leben in nicht weniger organischen
natürlichen Formen eingenistet. Hier sind auf den Resten
eines Kuenringer Raubschlosses Kapelle und Friedhof ent
standen, dort erhebt sich über einer verfallenen Burgmauer
ein weitausschauendes Pfarrkirchlein und andernorts bilden
Felsen, alte Befestigungsteile und darauf entstandene Wohn
häuser mit Vorgärten und Weinbergterrassen einen unent
wirrbaren Zusammenhang, malerisch und zugleich archi
tektonisch interessant.
Nur an den Endpunkten Melk und
DIE GEPLANTE Krems mit dem Eisenbahnverkehr in
ERSCHLIESSUNG Berührung, wird die Verbindung der
DER WACHAU. Orte in der Wachau durch die Donau
schiffahrt hergestellt, aber im übrigen
durch eine verhältnismäßig große Abgeschlossenheit viel
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