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Volltext: Frauenschulen und Frauenarbeit auf der Pariser Weltausstellung 1878

Die Männer Amerika’s arbeiten anders, und die Frauen lernen 
anders als die Männer und Frauen anderer Welttheile. Merkwürdig ist, 
wie sich im Kerne des scheinbar so kühlen und berechnenden Volkes die 
Begeisterung für idealere Ziele und Gedanken findet, merkwürdig das 
Zusammenströmen enormer Summen, das Entstehen der Schulpaläste, die 
wie auf ein Zauberwort sichtbar aus dem Boden wachsen, — und noch merk 
würdiger als dies Alles ist die Zahl der Schülerinnen, der Tausende von 
jungen Mädchen, die Jahr um Jahr diesen Schulen Zuströmen, in welchen 
ihnen Aufgaben gestellt werden, deren Erfüllung die volle Thatkraft des 
denkenden Menschen erfordert. 
Zum Schlüsse meines Berichtes muss ich noch einmal auf euro. 
päischen Boden zurückkehren, um die Eindrücke zu summiren, die ich 
auf der Ausstellung zu Paris empfing, und die Fortschritte zu verzeichnen, 
welche die Frauenschulen und die Frauenarbeit seit dem Jahre 1873 fühlbar 
und sichtbar gemacht haben. 
Einer der grössten dieser Fortschritte war im Geschmacke, in dem 
Begriffe vom Werth und Unwerth der Frauenarbeit zu bemerken. Eine 
grosse Zahl der im Jahre 1873 zu Wien noch erkennbaren Verirrungen 
waren von der Ausstellung in Paris fortgeblieben; die Lithographie- 
Imitationen, die Gewürzbouquets, die gestickten Porträts, die Früchte aus 
Schafwolle und viele verwandte Dinge sind von dem Schauplatze ver 
schwunden. Auch die berüchtigten Galeerenarbeiten von Frauenhand 
waren kaum zu entdecken, und nur Frankreich brachte einige Objecte, 
die an vergangene Zeit gemahnten. Das eine dieser Objecte war ein 
Kleid ohne Naht, auf Netzgrund gestickt; das Netz war in 3go Arbeits 
tagen angefertigt worden und zählte 2,o5o.ooo Maschen; die Länge des 
seidenen Fadens, aus dem es geknüpft war, betrug 12.700 Meter. — 
Das zweite war eine Alba, auf welcher zu lesen stand: point renaissance, 
aus Zwirn, mit der Nadel von einer einzigen Arbeiterin gearbeitet; 4000 
Arbeitsstunden. Zu verkaufen! Der Zettel, der die letzten zwei Worte 
enthielt, hing Wochen und Monate, ohne mit dem Erlösungsworte »vendu« 
begnadet zu werden, trotzdem ungezählte Blicke an dem Kleide und seiner 
kurzgefassten Entstehungsgeschichte gehaftet hatten. 4000 Arbeitsstunden 
sind eben noch keine genügende Empfehlung für ein Werk von Frauen 
hand und ercheinen eher wie ein Zeugniss über glücklich überstandene 
Tortur. Wer soll auch die 4000 Stunden bezahlen, die so traurig ver 
wendet wurden? 
Italien, das in Wien eine so auffallende Mischung von Schönem 
und von Unmöglichem, weit in das Gebiet der Lächerlichkeit Hinein 
ragendem ausgestellt hatte, zeigte sich auf der Pariser Ausstellung fast 
gänzlich befreit von den einstigen Mängeln. In würdiger, oft überraschender 
Weise zeigte es den Geist ernsten Strebens und gesunden Fortschrittes;
	        
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