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Sich selbst beschäftigen, eigene Gedanken schaffen, verwerthen, Freud
und Leid der eigenen Experimente durchkämpfen, die eigenen Erfahrungen
machen und ihre Folgen tragen, das ist die tiefernste Geschichte, die jedes
Kind durchzumachen hat, und die mit dem ersten Lebensschritte beginnt.
Das Gängeln dieser Geschichte, das unausgesetzte Erziehen und Beschäf
tigen, das Dictiren der Beschäftigung, das Uniformiren der Handlungen,
der Aeusserungen der erwachenden Kraft und der erwachenden Gedanken,
das ist was zu scheuen, zu vermeiden ist, das ist es was dem Kinder
geiste leicht Fesseln anlegt, die ihn erdrücken. Fröbels System ist gewiss
gut, aber nur, wenn es wahrhaft gute Anwendung findet.
In Amerika, wo der Kindergarten mit so viel Begeisterung begrüsst
wird, widmen sich ihm nur Frauen und Mädchen von wahrer Bildung,
die nicht der Erwerb, sondern die Freude an der liebenswürdigen That
zu Lehrerinnen macht. Fröbels Idee war es gewiss nicht, untergeordnete
Personen, Mädchen, die nicht viel mehr als Kinderwärterinnen im gewöhn
lichsten Sinne des Wortes sind, als sogenannte »gelernte« Kindergärt
nerinnen mit diesem verantwortlichen Amte zu betrauen. Die Weisheit
eines gelehrten Philosophen reicht nicht aus, um mit richtigen Antworten
allen Fragen eines begabten Kindes zu begegnen, und doch werden in
unseren Kindergärten nicht selten ganze Schaaren solcher Kinder unter
die Führung der unwissendsten, geistlosesten Kindergärtnerin gestellt. Die
Verantwortlichkeit ist gross, welche sich die Einzelnen und ganze Körper
schaften aufbürden, die mit den edelsten Intentionen die Drillung ganzer
Kindervölker übernehmen; mögen sie sich doch auch gegenwärtig halten,
dass zu der Erziehung der Kinder und zur Handhabung der Fröbel’schen
Methode sehr viel Liebe, Takt, Verstand und Hingebung gehören, kurz
Lehrerinnen im idealsten Sinne, wenn man die Entwicklung des jungen
Geistes nicht schädigen will.
Was gebildete Frauen als Leiterinnen des Kindergartens zu leisten
vermögen habe ich auf der Ausstellung erfahren und ersehen, und darum
mögen mir wohl zum Schlüsse meines Berichtes die wenigen Bemer
kungen über die Schulen, die den kleinsten Schülern gelten, gestattet sein.
MAK-Bibliothek^
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