DER KHRLSPLHTZ UND DHS NEUE STHDT-
MUSEUM IN WIEN
us den Hnfichten ift zu erfehen, wie der Oberbaurat OTTO
WHGNER die künftlerifdbe Durchbildung der Karlskird>e
und des Karlsplatjes gedad)t hat. Seit der Einwölbung
des Wienfluffes, der mit feinen üppigen Anlagen und umgrünten,
baumbeftandenen Böfchungen eine entzückende Umrahmung des
feftlichen und hoheitsvollen Hrchitekturbildes der Barockkirche,
einem Werk FISCHER 8 von ERLACH, bot, ift die Karlspla^frage
akut, befonders aber, feitdem vom Schwarzenbergplatj her die
fcheußlichen, herrfchaftlich aufgedonnerten Zinskafernen näher
rücken, und die Kirche durch ihre läftige Nachbarfchaft in ihrer
Wirkung bedrohen. Otto Wagner ging von dem Grundfat) aus,
daß die Kirche mit ihrer auf Fernwirkung berechneten Silhouette
eine Nachbarfchaft benötigt, die geeignet ift, die Wirkung zu
fteigern. Der ausgefprodiene Vertikalismus diefes Bauwerkes
verlangt links und rechts Gebäudeflanken von mäßiger Höbe bis
zu 18 Meter, die fich befcheiden halten und horizontal betont
find. Das baukünftlerifche Gefet) der Harmonie im Kontraft ver
langt gerade hier gebieterifche Beachtung. Die eine Flanke der
Kirche ift durch die Technik beftimmt, einem Werke aus dem
Anfang des 19. Jahrhunderts, das fich in diefen künftlerifchen
Grenzen hielt. Erft in neuerer Zeit ift der unkünftlerifcbe Ent-
fchluß durcbgefübrt worden, diefem langgeftreckten horizontalen
Gebäude ein Stodcwerk aufzufetjen, zum Schaden der benach
barten Karlskircbe. Die andere Flanke follte der neue Mufeum-
bau vom Oberbaurat Wagner bilden. Er ift in den künftlerifcb
vorbeftimmten Dimenfionen gehalten, um der Karlskirche eine
gefteigerte Wirkung zu fiebern. Er ift in der Außenerfcheinung
äußerft zurückhaltend, horizontal betont und trägt in feinem
äußerften Endpunkt nur ein mäßiges Kuppelgebilde. Durch diefe
Wandung ift der Plat) barmonifcb gefchloffen und die dahinter
anrückenden Zinskafernen find abgedeckt. Seitliche Straßen
züge vermitteln Fernblicke vom Ring her auf das monumentale
Kircbengebäude. In der Gefamtplanierung des Platjgebildes ift
an den entfeheidenden Augenendpunkten ein entfpreebend be
tonter perfpektivifcher Abfchluß vorgefehen, wie unter anderem
von der Marktzeile her zu feben, ein monumentaler Brunnen,
ganz abgefeben von gärtnerifchen Anlagen auf dem Plat), den
Kandelaberzeilen und Weganlagen, die als Augenleitpunkte in
Relation zu dem monumentalen Glanzgebilde des Platjes fteben.
In bezug auf das Mufeum felbft ift das Poftulat maßgebend ge-
wefen, daß die Ausftellungsräume der Gegenftände halber da
find, und nicht umgekehrt. □
Die durch die monumentale Karlskirche bedingte Gefchloffen»
beit und Ruhe der Platjwände wird nicht nur durch Vermeidung
von Säulen, Giebeln, Aufbauten, Rifaliten und anderen äußeren
Arcbitekturmitteln erzielt, fondern auch dadurch, daß die durch
die Parzellierung des Baugrundes ganz unpaffend vorgefebene
guerftraße an diefer Stelle vermieden wird. Alfo Gefchloffenbeit
an Stelle Wanddurcbbrecbung. Auch auf der Seite der Technik
gegen die Karlskirche hin, wo Zinsbäufer fteben follten, hat Wagner
ein Bauwerk als Vergrößerung der Technik vorgefehen und als
Spiegelbild des Mufeums geftalten wollen, um auch hier eine
gefcbloffene ruhige und iymmetrifebe Platjwand zu erzielen. Die
ganze Platjbebandlung bringt es mit fich, daß der Eingang des
Mufeums an die Stirnfeite des Planes verlegt wurde. □
Ungeachtet einer heftigen Gegnerfchaft, die nicht durch fachliche,
fondern vielleicht durch perfönlicbe Gründe zu erklären ift, wenn
es dafür überhaupt eine Erklärung gibt, bat das künftlerifcb
einzig daftebende Projekt des Oberbaurats Wagner vollen An
klang bei der maßgebenden Stadtbebörde gefunden. Es ift mit
Beftimmtheit zu erwarten, daß der Bürgermeifter und Stadtrat
fich entfcbließen, Wien um diefe außerordentliche künftlerifcbe
Schönheit zu bereichern. □
NOCHMALS DIE KHRLSPLATZFRAGE
u der Wiener Karlsplatjfrage äußern fich in der Deutfchen
Bauzeitung in einer Erklärung vom 3. Dezember die
Münchener Architekten HANS GRASSEL, KARL HOCH-
EDER, E. v. MECENSEFFY und FR. v. THIERSCH. Diefe Er
klärung fpriebt fich gegen WAGNER 8 Projekt aus. □
Wenn Architekten von dem Range der Genannten gegen einen
anerkannten Baukünftler die Stimme erheben, darf man eine
ebenfo wohlwollende als fachlich begründete Beweisführung er
warten. □
Weder der Standpunkt der alten Karlsplatjanficbt, die vor
der Wienflußregulierung war, noch die müßige Polemik um
das »Gewobnbeitsbild« haben die Eignung einer fachlich be
gründeten Beweisführung. Daß der Blick auf die Karlskirche
vom Scbwarzenbergplat} her nicht frei bleibt, daß die Bekrönung
an der Stirnfeite ungünftig auf die Karlskirche wirken könne,
find die Haupteinwände; dagegen die Schaffung eines zur Kirchen-
aebfe fymmetrifeben Vorplafles, der als die befte Löfung erfcheine,
verlangt. □
Eine unbefangene Beurteilung des Wagnerfchen Planes wird
ergeben, daß die vorliegende Platjlöfung aus den beftehenden
Verbältniffen das Befte gemacht bat. Wagner fpriebt von dem
Gewobnbeitsbild der Fernwirkung, auf die übrigens der
Barockbau berechnet ift. □
Der verlangte Vorplatj ift im Entwurf gegeben, der Fern
wirkung ift nach Möglichkeit Rechnung getragen; auch die von
der Wiener Bevölkerung verlangte feitliche Anficht vom Ring
her durch die Canovagaffe ift gewahrt. □
Vom Scbwarzenbergplatj her ift fie durch die dort aufge-
fchoffenen Zinskafernen benommen; diefe Zinskafernen rücken
bedrohlich in die Nähe der Kirche und bilden die größte Ge
fahr für die künftlerifcbe Wirkung des Bauwerks. Selbft in
allernächfter Nähe der Kirche, in unmittelbarer Nachbarfchaft
der Technik follen Zinskafernen geplant fein. Der Mufeumsbau
Wagners wird diefer Gefahr Halt gebieten. Er wird den ab-
fcbeulidben Ausblick auf die Spekulationsbauten abfehneiden,
ihrem Vordringen ein Ziel fetjen und in der vorher gefcbilderten
Weife auf die eigene Unterordnung der gefteigerten Kirchen
wirkung gegenüber bedacht fein. Auch die Ecklöfung an der
Seite der Technik ift mit gleicher Sorgfalt vorgefehen. □
Als die Technik durch Auffetjung eines Stockwerks verhunzt
und die Karlskirche dadurch empfindlich gefebädigt wurde, als
die Zinskafernen beranrückten und die Kirche zu erdrücken be
drohten, als das Niveau vor der Kirche erhöbt und folcberart
die Verbrechen gegen die Kirche gehäuft wurden, bat fich keine
Hand zur Abwehr erhoben; als ein berufener Baukünftler, in
Wien derzeit der einzige, der das nötige Rüftzeug befitjt, ent»
fcbloffen ift, aus dem wüften Anger — das ift beute der Karls-
plat) — ein künftlerifcb geordnetes und abgerundetes Ganzes zu
machen, ift alle Welt gegen ihn auf. Laien und andere. □
Man braucht Wagners Löfung nidrt ideal zu finden; daß fie die
relativ befte ift, wird niemand bezweifeln, der die Sachlage
gründlich kennt und fie objektiv zu beurteilen vermag. □
Wagners Projekt ift den andern überlegen; es braucht aber,
wie getagt, nicht zu gefallen, es bat jedoch ein künftlerifcbes Recht
auf den Vorzug, zumindeft auf den Refpekt. Nicht die Doktrine