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H. VOGELER»ZIERAT
Aber laßt uns nur einmal das gute Mittelmaß haben, durch das
die HUgemeinheit und die Matte überhaupt erft erträglich wird.
Von praktifchem Wert für die HUgemeinheit ift auch der Um-
ftand, daß in den Klingfporfchen Ausgaben die Anwendung der
Schmuckftücke in Verbindung mit gutem Sat^arrangement ge
geben ift. Bei dem zarten VOGELER-ZIERAT ift allerdings ein-
zuwenden, daß der Schriftduktus nicht in Harmonie mit der
Zeichnung fteht. Die Einheit des Duktus zwifdien Schrift und
Zeichnung ift eine künftlerifche Notwendigkeit, die befonders
von der Wiener Schule betont wurde. Klingfpor bat auch An-
ftrengungen gemacht die Frakturfcbrift zu veredeln. Die Breit
kopffraktur kann man ficb immerhin gefallen laffen. Wie es
mit der Entartung der Frakturfcbrift fteht, beweift die Beifpiel-
reibe des A vom 13. bis ins 19. Jahrhundert auf das fcblagendfte.
In diefer A-Form des 19. Jahrhunderts ift alle Erbärmlichkeit
der noch allgemein berrfchenden Unkultur ausgedrückt. □
Wir müffen febon nach englifchen Zeitfchriften greifen und
etwa den Inferatenteil der STUDIO-Jabrgänge durcbblättern, um
guten Scbriftfat) und gute Typen im Alltag zu finden. Wie
feben untere deutfeben Zeitfchriften daneben aus? Von gefchaft-
licben Druckforten gar nicht zu reden. Dabei ift nicht zu ver-
geffen, daß die gute neue Tradition des »Studio« um mehr als
dreißig Jahre zurückreicht. Von da aus ift leicht der Quellpunkt
zu finden, wo die Wiederbelebung einer wirklich gefcbmack-
vollen, um nicht zu tagen künftlerifchen Schrift Fiat) greift. Es
war ein Engländer, WILLIAM MORRIS, der, ergriffen von der
unnachahmlichen Schönheit der zweiundvierzigzeiligen Bibel
Gutenbergs daran ging, das feit der Mitte des XIX. Jahrhunderts
natürlich auch in England darniederliegende Schriftwefen zu refor
mieren. Es ift bekannt, daß er zu feiner berühmten CHAUCEK«
Ausgabe die Bucbftaben und die Zierftücke zum Teil felbft fcbmtt,
und daß aus feiner unter dem Namen KELMSCOTT-PRESS be
rühmten kunftbandwerklicben Druckerei die vornebmften Druck
arbeiten bervorgingen. William Morris war zugleich auch der
Erneuerer oder Wiedererwecker der gefcbmackvollen Anordnung
des Druckfpiegels, nicht nur mit Rückficht auf die einzelne Seite,
fondern auf das Seitenpaar im Buch, eine Erkenntnis, die mit
der alten kunftbandwerklicben Tradition im Druckwefen ver
loren gegangen war. Außer William Morris und dem Umkreis
der ARTS AND CRAFTS-Gefellfcbaft haben in England, Schott
land, fowie auf dem Kontinent die Künftler ftets das Bedürfnis
empfunden, ihre eigenen Schriften zu bilden, individuelle Künftler«
fchriften, die zum Teil von RUDOLF VON LARISCH in zwei
Bänden gefammelt und bei Schroll & Co. in Wien veröffentlicht
find. Wie überhaupt auf dem Gebiet des Kunftgewerbes, war
der Proteft der Künftler auch auf dem Gebiet des Scbriftwefens
beilfam. Wir haben alle Urfache, uns über Neuerungen indi
vidueller Natur auch auf diefem Gebiete zu freuen. Anftatt über
Erfcheinungen des fehöpferifeben Vermögens loszuzieben, follte
man lieber verfuchen, daran zu lernen. In Deutfchland war es
von den Künftlerfchriften zuerft die nach ihrem Urheber ge
nannte Eckmann-Schrift, die von der Induftrie ergriffen wurde.
Ihre Erfcheinung mußte erlöfend wirken als eine Befreiung von
der Stagnation, die im Schriftwefen geberrfebt batte. Daß fie
beute überlebt und durch gefcbmackvollere Leiftungen erfetjt
ift, rüttelt nicht an diefer Tatfacbe. Einen wefentlichen Einfluß
auf die Regeneration haben die Schriften des Profeffor Rudolf
von Larifch gewonnen, in denen auch die Reformgedanken des
Wiener Künftlerkreifes, vor allem jenes, aus dem die WIENER
WERKSTHTTE hervorging, zum Ausdruck kommen. Befonders
verdienftlich ift das Wirken Larifchs auf dem Gebiete des Schrift-
Unterrichtes, und fein Lehrbuch »Unterricht in ornamentaler
Schrift« bat geradezu bahnbrechend gewirkt. Profeffor Behrens
bat die Latifchfcbe Methode auch in der Düffeldorfer Kunftge-
werbefcbule eingefübrt, und fie bat ihren Weg faft durch alle
modernen Kunftfchulen gemacht. Um in einigen Zügen das
wefentlicbe diefer Neuerung zu kennzeichnen, fei erwähnt, daß
die Betonung auf den einfaebften Schriftelementen liegt, wie fie
etwa die Antiqua darreicht. In einem Sa^bild ift nicht der
gleichmäßige meßbare Abftand der Bucbftaben voneinander maß
gebend, fondern die optifche Wirkung, die uns fofort darüber
belehrt, ob das Schriftbild gefcbloffen ift oder nicht. Für die
Schrifterfcheinung kommen natürlich nicht nur die Schriftzeichen,
fondern auch die Zwifchenräume der Bucbftaben in Betracht,
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