MAK

Volltext: Hohe Warte - Illustrierte Halbmonatsschrift für Architektur, angewandte Kunst und alle modernen Kulturaufgaben, 4. Jahrgang 1908

nicht nur hier liegen die natürlichen Bedingungen keineswegs 
ungünftig, wie auf den Brionifchen Infein. Freilich die Ein- 
heimifchen werden auch in Hrbe nicht den Fortfehritt herbei 
führen. Das tuen die Einheimifchen nirgends. Der Kolonift 
tut es, die neue Kraft. In Dalmatien brauchen wir zwei bis 
drei große Beifpiele, dann tut fich alles andere von felbft. □ 
Die weiße Stadt am Meere, mit dem febönen Kampanile, man 
wird in Dalmatien kaum einen fchöneren finden, fo erfcheint Hrbe 
bei der Einfahrt. Hgaven blühen und fterben zu Füßen der 
Stadt, die in Stufen und Terraffen läng ft des Meeres emporfteigt, 
an dem bewaldeten Bergrücken bin. Vor mehr als fünfzig Jahren 
bat die Stadt gelebt und geblüht in der Schönheit ihrer Hrchi- 
tekturen, und feither ift ihr Dafein ein unaufhörliches Sterben, 
ein ftilles aber ftetiges Zerfallen. Ein kleines Leben friftet in 
den ftolzen Venezianer Paläften, die halb Ruinen find. Hn den 
gemeißelten Toren, wo die Wappenzeicben vergangener Gefcblecb- 
ter verwittern, blüht das Unkraut in großen Büfcbeln aus Ritjen und 
Spalten heraus. Die behauenen Steine und die Reliefs an den 
Wänden find verwafeben und weichen zurück wie von Schleiern 
bedeckt, in Formen, die weich find und entrückt, und gerade in 
diefer Unbeftimmtbeit fo befonders fuggeftiv und geheimnisvoll 
belebt. Jahrhunderte liegen darüber, fcbleierartig. Der Palaft 
mit dem Marmorbalkon von drei Paar Löwenköpfen getragen, 
ift jet^t halb zerfallen, Gemeindebaus. Von der Loggia, dem 
Sammelpunkt des Straßenlebens, führt die Straße, von reizenden 
Torbogen überfpannt, zu dem alten vornehmen Palaft des Ge» 
fcblecbtes De Dominis. Das mehr befcheidene Hotel befindet fich 
in diefem Gemäuer, das feine eigene Gefcbicbte bat. Ein berühmter 
Sohn Hrbes, der unglückliche Bifchof Marc Hntonio De Dominis, 
ein hervorragender Pbyfiker, der der römifeben Inquifition zum 
Opfer fiel, ward in diefem Haufe geboren. Gefcblecbternamen 
werden genannt, die fagenbaft geworden find, und nur mehr an 
Mauerreften haften, wie an dem Palaft Nemira. Nichts blieb, wie 
eine Hbnung von Schönheit an dem gemeißelten Tor und der 
zierlichen Säulengalerie, die fachte, Stück um Stück, zerfällt, wie 
die gewundenen dünnen Seitenpfeiler und reich ornamentierten 
Spi^bogen und Rofetten der venezianifeben Gotik. Wer follte 
dem Verfall Einhalt gebieten? Das Fallende ftütjen, das Ge 
funkene aufrichten? Ganze Häufergruppen liegen leer innerhalb 
des Mauergürtels, der beute noch die Stadt umgibt. In den höheren 
Terraffen und älteren Teilen der Stadt liegen römifebe Refte, 
Mofaikbogen und Säulen der antiken Tempel. Ihre Stelle nahm 
eine cbriftlicbe Kathedrale ein, auch fie liegt in Trümmern, Tempel 
und Kirche ein Schutthaufen. Gärten blühen didk dabei, klöfter» 
liebe Strenge in der Hnordnung, zugleich ein wenig verwabrtoft. 
Von den Türmen wimmern die Glocken, fie haben es immer 
eilig. Die Frauen fteigen die engen fteilen Gaffen hinauf zum 
Dom mit dem febönen, von weißen Fliefen bedeckten Vorplat), 
wo man von der Brüftung ins Meer hinunter fiebt und den Felfen 
entlang die feböne Silhouette der anfteigenden Stadt mit ihren 
vier oder fünf Türmen. Huf ungefähr 700 Seelen ift die Ein 
wohnerzahl zurückgegangen; und auf diefes Häuflein Menfcben 
kommen acht Kirchen und vier Klöfter. Was die Kunft im Hand 
werk einftens war, verkündet auch der Dom. Sein Hltar aus 
dem 10. Jahrhundert, fein Cborgeftühl aus dem 14. Jahrhundert, 
fein Reliquienfcbat), der den Kopf des heiligen Cbriftopborus mit 
Gold und Silber krönt. Die Kunft von Byzanz und von Venedig 
ift in dem Gebäufe eingefcbloffen. Sagenftimmung und Romantik 
ift über der Infel und übet der Stadt, über den Plänen, wo das 
Gras zwifeben den Steinen fprießt, über dem halbverwilderten 
Garten von San Eufemia, wo die Mönche über das hohe Gemäuer 
auf das Meer und auf Hrbe binfeben, und wo das eigentliche 
Leben ein Vergangenfein ift. Hber diefes Stück Romantik ge 
hört im wefentlidien zur Schönheit in Hrbe und überhaupt in 
Dalmatien. Das neue Leben, das hier einkebren wird, wird 
praktifcb und fachlich beftimmt fein müffen. Hber gerade darum 
wird es die alten Werte febönen müffen. Man möchte hier den 
neuen Komfort wünfehen, ohne den es einmal beute nicht mehr 
geht. Galofcben des Glücks! Wenige Stunden können aus der 
tiefften Vergangenheit berausfübren in den modernen Weltkom 
fort und in die abfchreckendfte Hrchitekturentartung, die das 
lorbeerumkränzte Hbbazia fo graufam entftellt bat. Komfort, 
das wäre fchon recht für Dalmatien, aber möchte es nur von jener 
Hrcbitekturfeucbe verfchont bleiben, die ein Fauftfcblag wäre gegen 
das feine architektonifcbe Hntli^ der halb noch in Vergeffenbeit 
ruhenden Städte Dalmatiens. Hlles Neue müßte fich hier geben 
in glatten Wänden und in guten künftlerifcben Proportionen. 
Die Baukunft bat es hier auch beute fo leicht, gerade hier, wo 
fo viele Fingerzeige find, für das, was man tun oder unterlaffen 
foll. Die alten Skulpturen an den Gemäuern waren diszipli 
niertes Handwerk, nicht hervorragende Kunft. Und doch ift alles 
im Zufammenbang bedeutfam und künftlerifcb, Mächten zu Dank, 
über die man beute nicht ohne weiteres verfügt. In Dalmatien 
follte jeder, der beute baut, mit der edlen Hrdntekturvergangen- 
beit, vor allem in der Betonung des Schlichten wetteifern, wenn 
er den Geift der heimifchen Überlieferung recht begreift. □ 
(Fortfetjung folgt) 
BELEUCHTUNGSKÖRPER 
W ir haben es hier mit neuen Verfuchen zu tun, den Beleuch 
tungskörpern auf der Straße eine zweckentfprecbende 
und edle Form zu geben. Wie die Künftler fich zu diefer 
Hufgabe ftellten, kann aus den folgenden Bildern erfeben wer 
den, die Hrbeiten von Profeffor H. GRENHNDER in Berlin und 
von Profeffor EMIL HÖGG in Bremen zeigen. □ 
In Grenanders Fall, man febe den Eingang zur Untergrund 
bahn, ift durch eine gewiffe Formüberfülle, durch Materialreichtum 
eine gewiffe Monumentalität mit Erfolg angeftrebt, während die 
Mafte Höggs vor allem durch die eigenartige Harmonie neuer 
Linien zu wirken fuchen, die dem Metall natürlich find. Neue 
Höben, neue Weiten, neue Linien, wir verdanken fie dem Ehen, 
den technifchen Konftruktionen, dem Ingenieurgedanken. Eine 
neue Hftbetik liegt diefen Werken zugrunde, die wir demnach ft 
in der »Hoben Warte« eingehender behandeln wollen. Es L id 
Formprinzipien, die nur den metallenen Konftruktionen und 
ihren Zweckbeftimmungen eigentümlich find, und darum eine 
eigenartige Schönheit haben, die in der Cbarakteriftik beruht. 
Das künftlerifcbe Wefen diefer Erfcheinungen ift nicht zu er 
greifen durch bloße Übertragung von Formvorftellungen, wie 
fie etwa der Steinkunft entlehnt find. Kandelaber füllen ebenfo- 
wenig - Baukunft fein, wie eiferne Brücken. Konftruktion follen 
fie fein. Sie werden trotydem eine architektonifcbe Beftimmung 
ausdrücken. Der Künftler wird diefe cbarakteriftifdien Merkmale 
ergreifen und fie bedeutfam zu fteigern fuchen. Er wird, farf 
unauffällig und doch eindringlich, den neuen Linien einen Fluß 
geben, daß fie noch über die ftarre Utilität hinaus in Schwin 
gungen geraten, die wie eine Hrabeske oder ein Ornament der 
Husdrudc moderner Senfibilität find. □ 
Darüber vorläufig folgende Beifpiele. L 
234
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.