nicht nur hier liegen die natürlichen Bedingungen keineswegs
ungünftig, wie auf den Brionifchen Infein. Freilich die Ein-
heimifchen werden auch in Hrbe nicht den Fortfehritt herbei
führen. Das tuen die Einheimifchen nirgends. Der Kolonift
tut es, die neue Kraft. In Dalmatien brauchen wir zwei bis
drei große Beifpiele, dann tut fich alles andere von felbft. □
Die weiße Stadt am Meere, mit dem febönen Kampanile, man
wird in Dalmatien kaum einen fchöneren finden, fo erfcheint Hrbe
bei der Einfahrt. Hgaven blühen und fterben zu Füßen der
Stadt, die in Stufen und Terraffen läng ft des Meeres emporfteigt,
an dem bewaldeten Bergrücken bin. Vor mehr als fünfzig Jahren
bat die Stadt gelebt und geblüht in der Schönheit ihrer Hrchi-
tekturen, und feither ift ihr Dafein ein unaufhörliches Sterben,
ein ftilles aber ftetiges Zerfallen. Ein kleines Leben friftet in
den ftolzen Venezianer Paläften, die halb Ruinen find. Hn den
gemeißelten Toren, wo die Wappenzeicben vergangener Gefcblecb-
ter verwittern, blüht das Unkraut in großen Büfcbeln aus Ritjen und
Spalten heraus. Die behauenen Steine und die Reliefs an den
Wänden find verwafeben und weichen zurück wie von Schleiern
bedeckt, in Formen, die weich find und entrückt, und gerade in
diefer Unbeftimmtbeit fo befonders fuggeftiv und geheimnisvoll
belebt. Jahrhunderte liegen darüber, fcbleierartig. Der Palaft
mit dem Marmorbalkon von drei Paar Löwenköpfen getragen,
ift jet^t halb zerfallen, Gemeindebaus. Von der Loggia, dem
Sammelpunkt des Straßenlebens, führt die Straße, von reizenden
Torbogen überfpannt, zu dem alten vornehmen Palaft des Ge»
fcblecbtes De Dominis. Das mehr befcheidene Hotel befindet fich
in diefem Gemäuer, das feine eigene Gefcbicbte bat. Ein berühmter
Sohn Hrbes, der unglückliche Bifchof Marc Hntonio De Dominis,
ein hervorragender Pbyfiker, der der römifeben Inquifition zum
Opfer fiel, ward in diefem Haufe geboren. Gefcblecbternamen
werden genannt, die fagenbaft geworden find, und nur mehr an
Mauerreften haften, wie an dem Palaft Nemira. Nichts blieb, wie
eine Hbnung von Schönheit an dem gemeißelten Tor und der
zierlichen Säulengalerie, die fachte, Stück um Stück, zerfällt, wie
die gewundenen dünnen Seitenpfeiler und reich ornamentierten
Spi^bogen und Rofetten der venezianifeben Gotik. Wer follte
dem Verfall Einhalt gebieten? Das Fallende ftütjen, das Ge
funkene aufrichten? Ganze Häufergruppen liegen leer innerhalb
des Mauergürtels, der beute noch die Stadt umgibt. In den höheren
Terraffen und älteren Teilen der Stadt liegen römifebe Refte,
Mofaikbogen und Säulen der antiken Tempel. Ihre Stelle nahm
eine cbriftlicbe Kathedrale ein, auch fie liegt in Trümmern, Tempel
und Kirche ein Schutthaufen. Gärten blühen didk dabei, klöfter»
liebe Strenge in der Hnordnung, zugleich ein wenig verwabrtoft.
Von den Türmen wimmern die Glocken, fie haben es immer
eilig. Die Frauen fteigen die engen fteilen Gaffen hinauf zum
Dom mit dem febönen, von weißen Fliefen bedeckten Vorplat),
wo man von der Brüftung ins Meer hinunter fiebt und den Felfen
entlang die feböne Silhouette der anfteigenden Stadt mit ihren
vier oder fünf Türmen. Huf ungefähr 700 Seelen ift die Ein
wohnerzahl zurückgegangen; und auf diefes Häuflein Menfcben
kommen acht Kirchen und vier Klöfter. Was die Kunft im Hand
werk einftens war, verkündet auch der Dom. Sein Hltar aus
dem 10. Jahrhundert, fein Cborgeftühl aus dem 14. Jahrhundert,
fein Reliquienfcbat), der den Kopf des heiligen Cbriftopborus mit
Gold und Silber krönt. Die Kunft von Byzanz und von Venedig
ift in dem Gebäufe eingefcbloffen. Sagenftimmung und Romantik
ift über der Infel und übet der Stadt, über den Plänen, wo das
Gras zwifeben den Steinen fprießt, über dem halbverwilderten
Garten von San Eufemia, wo die Mönche über das hohe Gemäuer
auf das Meer und auf Hrbe binfeben, und wo das eigentliche
Leben ein Vergangenfein ift. Hber diefes Stück Romantik ge
hört im wefentlidien zur Schönheit in Hrbe und überhaupt in
Dalmatien. Das neue Leben, das hier einkebren wird, wird
praktifcb und fachlich beftimmt fein müffen. Hber gerade darum
wird es die alten Werte febönen müffen. Man möchte hier den
neuen Komfort wünfehen, ohne den es einmal beute nicht mehr
geht. Galofcben des Glücks! Wenige Stunden können aus der
tiefften Vergangenheit berausfübren in den modernen Weltkom
fort und in die abfchreckendfte Hrchitekturentartung, die das
lorbeerumkränzte Hbbazia fo graufam entftellt bat. Komfort,
das wäre fchon recht für Dalmatien, aber möchte es nur von jener
Hrcbitekturfeucbe verfchont bleiben, die ein Fauftfcblag wäre gegen
das feine architektonifcbe Hntli^ der halb noch in Vergeffenbeit
ruhenden Städte Dalmatiens. Hlles Neue müßte fich hier geben
in glatten Wänden und in guten künftlerifcben Proportionen.
Die Baukunft bat es hier auch beute fo leicht, gerade hier, wo
fo viele Fingerzeige find, für das, was man tun oder unterlaffen
foll. Die alten Skulpturen an den Gemäuern waren diszipli
niertes Handwerk, nicht hervorragende Kunft. Und doch ift alles
im Zufammenbang bedeutfam und künftlerifcb, Mächten zu Dank,
über die man beute nicht ohne weiteres verfügt. In Dalmatien
follte jeder, der beute baut, mit der edlen Hrdntekturvergangen-
beit, vor allem in der Betonung des Schlichten wetteifern, wenn
er den Geift der heimifchen Überlieferung recht begreift. □
(Fortfetjung folgt)
BELEUCHTUNGSKÖRPER
W ir haben es hier mit neuen Verfuchen zu tun, den Beleuch
tungskörpern auf der Straße eine zweckentfprecbende
und edle Form zu geben. Wie die Künftler fich zu diefer
Hufgabe ftellten, kann aus den folgenden Bildern erfeben wer
den, die Hrbeiten von Profeffor H. GRENHNDER in Berlin und
von Profeffor EMIL HÖGG in Bremen zeigen. □
In Grenanders Fall, man febe den Eingang zur Untergrund
bahn, ift durch eine gewiffe Formüberfülle, durch Materialreichtum
eine gewiffe Monumentalität mit Erfolg angeftrebt, während die
Mafte Höggs vor allem durch die eigenartige Harmonie neuer
Linien zu wirken fuchen, die dem Metall natürlich find. Neue
Höben, neue Weiten, neue Linien, wir verdanken fie dem Ehen,
den technifchen Konftruktionen, dem Ingenieurgedanken. Eine
neue Hftbetik liegt diefen Werken zugrunde, die wir demnach ft
in der »Hoben Warte« eingehender behandeln wollen. Es L id
Formprinzipien, die nur den metallenen Konftruktionen und
ihren Zweckbeftimmungen eigentümlich find, und darum eine
eigenartige Schönheit haben, die in der Cbarakteriftik beruht.
Das künftlerifcbe Wefen diefer Erfcheinungen ift nicht zu er
greifen durch bloße Übertragung von Formvorftellungen, wie
fie etwa der Steinkunft entlehnt find. Kandelaber füllen ebenfo-
wenig - Baukunft fein, wie eiferne Brücken. Konftruktion follen
fie fein. Sie werden trotydem eine architektonifcbe Beftimmung
ausdrücken. Der Künftler wird diefe cbarakteriftifdien Merkmale
ergreifen und fie bedeutfam zu fteigern fuchen. Er wird, farf
unauffällig und doch eindringlich, den neuen Linien einen Fluß
geben, daß fie noch über die ftarre Utilität hinaus in Schwin
gungen geraten, die wie eine Hrabeske oder ein Ornament der
Husdrudc moderner Senfibilität find. □
Darüber vorläufig folgende Beifpiele. L
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