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Volltext: Hohe Warte - Illustrierte Halbmonatsschrift für Architektur, angewandte Kunst und alle modernen Kulturaufgaben, 4. Jahrgang 1908

Stube« mit feft eingebauter Sitjgelegenbeit. Im Obergefcboß 
befinden ficb zwei Scblafräume, auf dem Treppenpodeft der 
Abort. Die Kellerräume find gut beleuchtet und geräumig, fo 
daß fie zum Teil als Werkftätte benutjt werden können. □ 
Befonderer Wert wurde auf die Anordnung und zweckent» 
fprecbende Ausbildung der zum großen Teil fefteingebauten 
Möbel gelegt, und zwar in möglicbfter Ausnutjung der Dach» 
fchrägen, Nifcben und Stellwände. □ 
Die Fundamente find aus Brucbfteinen, die aufgebenden Um» 
faffungsmauern in Backfteinen, die inneren Trennungswände in 
Fachwerk, die Decken mittelft Holzbalken mit Stackung und die 
Dachdeckung als Doppelziegeldach ausgeführt. □ 
Von den äußeren Anfichtsflächen des Gebäudes find der Sockel 
und die Treppenhausvorbauten mit Ringofenfteinen verblendet, 
der übrige Teil des Erdgefchoffes verput}t und die oberen Giebel« 
flächen gefcbindelt. Die Fenfter find in Holzrabmen ganz an 
die Außenfläche der Mauer gerückt. Durch die Verwendung 
der Materialien in ihrer ureigenften Form in Verbindung mit 
den durch Put), Scbindelung und Ziegeldeckung erreichten Farben» 
gegenfätjen wurde verfucht, ein möglicbft freundliches Bild dem 
Befchauer zu geben. □ 
5. EINFAMILIENHAUS 
Bauherr: Fabrikant C. W. Cloos, Nidda. Architekt: Profeffor 
Walbe, Darmftadt, derzeit Rektor der tecbnifcben Hocbfcbule. 
Bei dem Entwurf des Kaufes find oberbeffifche Motive berück« 
ficbtigt worden, weil ein für Oberbeffen paffender Typ gefchaffen 
werden follte. Doch ift dabei den Anfprüchen des Arbeiters der 
Jetztzeit, ebenfo wie der veränderten Technik Rechnung getragen. 
Der Erbauer ift von dem Gedanken ausgegangen, daß für ein 
Haus, zu diefem Zwecke und für diefe Gegend beftimmt, das 
kleine Bauernhaus eben diefer Gegend das befte Vorbild bieten 
muß. Die Einteilung lehnt ficb daher an die bewährte ortsübliche 
Bauweife an: Hausflur und Küche in unmittelbarer Verbindung 
mit Vorplat) und Hof faft zu ebener Erde, Wohnräume (unter« 
kellert) etwas höher gelegen. Weder im Innern noch im Äußern 
ift eine Kunftform angebracht, die nicht der ortsanfäffige Hand» 
werket nach eigener Erfindung oder auf Grund der örtlichen 
Überlieferung ohne weiteres felbft ausfübren könnte. Der Reiz 
im Äußeren beruht in der deutlichen, fachgemäßen Unterfcbeidung 
zwifchen dem maffiven Etdgefcboß und dem aus Facbwetk mit 
Ziegelverkleidung erbauten Dachgefchoß, deffen Balkenlage, nach 
zwei Seiten weit überftebend, die Wände gegen Schlagregen 
fcbütjt. Durch diefen Dachüberftand wird für die Räume im 
Dachgefchoß eine größere Grundfläche gewonnen. □ 
6. EINFAMILIENHAUS 
Bauherr: Fabrikant Wilhelm Opel, Rüffelsbeim. Architekt: 
Profeffor M. Olbrich, Darmftadt. □ 
An Räumen find in dem Haufe untergebracht: ein Vorplat) mit 
Pergola, ein Vorraum mit Stiegenbaus, eine Küche fowie ein 
großer Wobnraum. Das Dachgefchoß enthält zwei Schlafräume, 
Bad und Klofett. Das Haus ift unterkellert □ 
Die Baukoften des Kaufes betragen an Ort und Stelle (in Rüffels» 
beim) böcbftens 4000 M., die Koftenberechnung für den Hausbau 
und für die Möbel liegen in dem Haufe auf. □ 
Das Haus ift durchwegs in Brucbfteinen und Ziegeln errichtet 
von der Firma J. Wagner Nacht (Inh. Dipl.»Ingenieur Georg 
Hinkel, Darmftadt). Das Dach ift mit Biberfcbwanzziegeln ge» 
deckt, die äußeren Flächen find verput)t. Der Ofen und Küchen» 
herd geliefert von der Firma Karl Thomann, Oflrenbach a. M. 
Die Möbel wurden von der Firma Gebr. Scböndorff, Düffeldorf, 
ausgefübrt. Die gärtnerifchen Arbeiten rühren von der Groß» 
gärtnerei Henkel her. □ 
BUCHflNZEIGE 
FERDINAND GEORG WALDMÜLLER von ARTHUR ROESSLER (55 Seiten 
Text und 136 ganzfeitige Illuftrationen). Verlag von Carl Graefer & Co., 
Wien. Preis M. 5.— = K 6. — . 
Wer nicht Speziatkenner der öfterreicbifcben Kunftgefcbicbte des 19. Jahr» 
bunderts ift, dem war bis vor kurzer Zeit der Name Waldmüller, des 
großen Altwiener Meifters Name, fo gut wie unbekannt geblieben. Erft 
gelegentlich der Mufterung ererbten Kunftbefit)es, die in unferen Tagen 
vollzogen wurde und die zur allgemeinen größten Überrafchung einen 
ungeahnten Reichtum an hochbedeutenden Kunftwerken ergab, gefcbab 
es, daß ficb aus dem Dunkel halber Verfcbollenbeit die ragende Geftalt 
eines ganz großen Künftlers wuchtig erhob — jene Ferdinand Georg 
Waldmüllers. In verfchiedenen Wiener Sonderausftellungen wurde nach 
und nach ein Teil feines immenfen Lebenswerkes gezeigt. In Deutfcb« 
land fab das große Publikum Bilder von ihm wohl zum erften Male 
bei Gelegenheit der Jabrbundert=Ausftellung in der Nationalgalerie zu 
Berlin, die es offenbarte, daß diefer Meifter zum mindeften den Anfpruch 
erbeben darf, als ein bahnbrechender Vorläufer der neuen Kunft in 
Öfterreich genannt zu werden. Um einem halbvergeffenen großen 
Künftler den ihm gebührenden Ebrenplat) wieder zu erobern, gibt es 
aber nur ein Mittel: man muß feine Werke zeigen, d. h. man muß, um 
fie in weiteften Kreifen zu popularifieren, jene Möglichkeiten benütjen, 
welche die heutige Vervollkommnung der Reproduktionsverfabren bieten 
und in künftlerifch wirkungsvollen, tecbnifcb einwandfreien Illuftrations« 
werken die wahrhaft wertvollen Bilder auch zum Eigentum des häus» 
liehen Heims machen. Diefe Erwägung bat die Verlagshandlung von 
Carl Graefer & Co. in Wien dazu bewogen, in Verbindung mit dem als 
bewährten Kenner alter und moderner Kunft bekannten Kunftfchrift« 
fteller Arthur Roeßler eine volkstümliche Monographie über Waldmüller 
und fein Werk berauszugeben. Bei der Anlage der Publikation wurde 
von dem Gefichtspunkte ausgegangen, daß der angeftrebte Zweck nur 
dann erreicht wird, wenn die Wiedergabe der Gemälde in tecbnifcb 
tadellofer Weife erfolgt; aus diefem Grunde wurden mit der Herftellung 
der Bildertafeln erfte öfterreichifche Reproduktionsanstalten betraut. 
Der trotzdem niedere Preis von 6 K pro Exemplar, wurde durch eine 
Subventionierung der Monographie feitens des K. K. Minifteriums für 
Kultus und Unterricht ermöglicht. □ 
Der Illuftrationsteil des Buches, der 136 ganzfeitige, auf mattem Kunft» 
druckpapier gedruckte Reproduktionen umfaßt, wurde in die drei Haupt» 
gruppen des Porträts, der Landfcbaft und des Genrebildes gegliedert. 
Jede diefer Abteilungen ift für ficb cbronologifcb angeordnet und bietet 
folcberart einen in Verbindung mit den anderen inftruktiven Überblick 
über die verfchiedenen Pbafen der allmählichen künftlerifchen Entwick» 
lung des Meifters. Es ift ein reiches Anfchauungsmaterial, das ficb dem 
Befchauer darbietet. Landfcbaften aus dem Hochgebirge, wie aus Italien 
und der Umgebung Wiens, in allen Licbtftimmungen des Tages, erfebeinen 
wie in abgeklärter Vollendung; lebensvolle Genrebilder bringen innig 
empfundene Szenen aus dem Familienleben zum Ausdruck; und in einem 
Porträtwerk, das feinesgleichen in der Kunftgefcbicbte wohl kaum bat, 
ziehen die vielerlei Typen von Männern und Frauen, Gelehrten, Poli» 
tikern, Handwerkern und ebrfamen Bürgern an unferem Auge vorüber. 
Menfcben in ihrem innerften Wefenskern zu erfaffen und ihnen irgend 
einen geheimen Zug beizugeben, an dem die Seele und das Leben des 
Dargeftellten offenbar wird, das bat Meifter Waldmüller ganz wunder« 
bar, trot) aller Schlichtheit und Befcheidenbeit gekonnt. Der Kenner 
von Alt=Wien wird außer diefen allgemein gültigen, gewiß auch noch 
andere überaus intereffante Seiten zu entdecken wiffen, denn es liegt 
ein Stück allgemeiner Kulturgefcbicbte in diefen meifterlichen Kunft 
werken verborgen. □ 
Was nun den Text betrifft, der den Bildern vorgefetjt ift, fo muß der 
geiftvollen Einführung in das feffelnde und reiche Leben, Denken und 
Schaffen Waldmüllers und der Cbarakterifierung des Werkes volles Lob 
gefprochen werden. Unter Verwertung eines reichen autobiograpbifeben 
Materiales — es gelangt unter anderem ein Schreiben Waldmüllers an 
den Kanzler Fürften Metternich zur erftmaligen Veröffentlichung — hat 
Roeßler nicht nur einen formvollendeten glänzenden Beitrag zur Gefcbichte 
der öfterreicbifcben Kunft geliefert, fondern dem großen und fympathi« 
feben Maler felbft ein würdiges und volkstümliches Denkmal errichtet. 
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