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Volltext: Hohe Warte - Illustrierte Halbmonatsschrift für Architektur, angewandte Kunst und alle modernen Kulturaufgaben, 4. Jahrgang 1908

berufen, ein Gutachten abzugeben. Er fand, daß mehrere 
erhebliche Konftruktionsfehler vorlägen, und es ward beim hohen 
Magiftrat alsbald beichloffene Tatfache, den alten untüchtigen 
Stadtbaumeifter zu penfionieren und Elias Holl an feine Stelle 
zu fetjen. Diefer zögerte, weil ihm die Beftallung zu gering 
fehlen. Man einigte fich endlich: »Jährlich 150 Gulden, jedes 
Quartal 37V2 Gulden für Hauszins, Rockgeld fammt 12 Klafter 
Holz und Kalchfchaufel, alle Wochen einen ganzen Gulden mit 
dem anderen Werkmeifter, im Jahr zweimal Fifch, als 6 Pfund 
Karpfen und 5 Pfund Forellen.« FUfo hat er in Gottesnamen 
feinen Dienft angetreten und den Zeughausbau vollendet. □ 
Die alte St. HnnemKirche, die einen baufälligen Turm mit 
einem fpitjgemauerten Dache befaß, lieferte ihm die Gelegen- 
beit für feinen erften Turmbau. Er richtete an Stelle des alten 
einen neuen auf, viereckig und achteckig, mit Kolonnen und 
Gefimfen, deckte das fpitje Dach mit Kupfer und fetjte eigen 
händig einen vergoldeten Knopf mit Kreuz hinauf. □ 
Der Neubau an Stelle des abgebrochenen »Sigelbaußes am 
Weinftadel« gewährt einen Einblick in die Räumlichkeiten, die 
ein Bürgerbaus von damals haben mußte. Das Haus bat einen 
auf Pfeilern gewölbten Keller, ift 62 Fuß lang, 42 Fuß breit, 
das untere Gefcboß durchaus gewölbt, mit Schreibgewölbe, 
Wafchkücbe, Badftube, Röbrkaften und einem Gewölbe für Wein- 
zieber. Im erften Stock befindet fich eine feböne große Stube, 
ein Zimmer für den Verwalter und eine Kammer für den 
»Sigler«. Darüber befindet fich noch ein Stockwerk mit Stuben, 
Kammern, Küche und Scbreibftube für den Verwalter und 
oberhalb derfelben der Dachboden. Das Siegelbaus ift ringsum 
mit Kolonnen und an den vier Ecken geziert. Ein aus Metall ge- 
goffener fldler ob einer vergoldeten Kugel, 21 Zentner febwer, ziert 
den Giebel. Eine braune marmorne Pforte bildet den Eingang. 
Einen Eifenbammer gab es zu reparieren; er ließ den Bach 
regulieren, das Geräde ändern, den Hammerftubl verrücken, ein 
neues Hbwerk berftellen, und der Hammer ging wieder zur 
Freude feines Befitjers. Wie ernft er fein Stadtbauamt nahm, 
geht daraus hervor, daß er unermüdlich ift, Baugebrechen auf 
zudecken und durch gründliche Reparaturen zu beheben. So 
rettet er eine von feinem Vorgänger vier Jahre vorher erbaute 
Papiermühle und bewahrte auch das neue Gantbaus vor dem 
Schaden, den das Grundwaffer angerichtet haben würde. □ 
Unter der Parfüßer Kirche im hinteren Lech, der unter diefer 
Kirche durchfließt, findet fich ein mit Bilderfcbrift bedeckter Stein 
vor, der nur mit großer Gefahr ans Tageslicht gebracht werden 
kann. Der Vorgänger im flmt fab fich der Aufgabe nicht ge 
wachten. Die Sache ift dadurch fchwierig, daß auf befagtem 
Stein ein Kirchenpfeiler aufrubt. Elias febeint ein guter Ingenieur 
zu fein. Er unternimmt das Wagnis, bricht das Kirchengewölbe 
auf, fpreizt die unterfangene Stelle und erfetjt den heraus- 
gelöften antiken Stein durch einen Marmorblock. Der Stein 
wurde im fteinernen Gange des Siegelbaufes aufbewabrt. □ 
Der Architekt, der in jenen Aufzeichnungen die Hauschronik 
einer ganzen Stadt erzählt, weil er diefe Stadt faft gänzlich neu 
erbaut hat, wird in feiner Schilderung keineswegs eintönig, 
weil es das Städteleben der damaligen Zeit nicht war und weil 
jedes Haus irgendeinen perfönlichen Charakter durch den Zunft 
gedanken bekam. Die Buntheit einer deutfehen Stadt im Zeit 
alter der Meifterfinger zieht vorüber, wenn der Augsburger 
Meifter von dem neuen Schlachtbaufe, der Metjg, erzählt, und 
was er fonft erbaut, den Gefundbrunnen beim Klinkertor, einen 
Schmiedbammer, einen Lobftadel, einen Kupferhammer, eine 
Sägemüble, eine Sdbleifmüble, eine Schleif- oder Poliermüble, 
eine Brücke am Knappentörl, eine Kapelle beim Lazarett, die 
Barfüßler-Torbrücke, ein Pilgerbaus, eine Schule und ein Pfarr 
haus bei St. Anna, die Wolfgangskapelle, ein Scbütjenbaus, 
ein Goldfcbmied- und Kupferfcbmiedgewölbe, einen Turm an 
der Judenbaftei, den Kirchturm zu Lütjen und viele andere 
Werke, die zum guten Teil beträchtliches Ingenieurwefen voraus- 
feßen. Die Wohnbauten find nicht gezählt. Er war auch fort 
während mit Niederreißen befebäftigt. Niederreißen, um neu 
aufzubauen. Vielleicht ift er in feinem Drange, tabula rasa zu 
machen, zu weit gegangen. Denn ficherlich ift manches gute 
Werk der Vergangenheit feiner Bauluft zum Opfer gefallen. 
Aber er war einer, der für das, was er nahm, wieder gab und 
zumeift ein Befferes wiedergab. Als Lebendiger batte er recht, 
und er war viel zu gewaltig, um fein Titanenredk, mit dem er 
der Väter Werk ftürzte, nicht zu gebrauchen. □ 
Ihm felbft erfebeint es unmöglich, fein ganzes Werk aufzu- 
zeichnen. Eine faft elegifcbe Grundftimmung klingt durch, wenn 
er fagt: »In Summa, es ift febier unglaublich, was ich diefe 
14 Jahre bero in meinem Stadt-Werkmeifter-Dienft für große 
Müh und Arbeit und großes Umlaufen inn und außerhalb der 
Stadt gehabt, mit anderen mehr Gebäuen auch und Fleck- 
Werk, fo hie befebrieben, welche auf gemeiner Stadtgüter ge= 
wefen, da dann nicht allein die Arbeiten fein anzuwenden, wie 
folcbe follen gemacht werden, fondern auch allerlei Zeug und 
Materie dazu verfebaffen, welches ich nicht alles habe mögen, fo 
umftändlicb auffebreiben, wird ob dem leicht zu vernehmen fein, 
was hernach folgen wird. Als erftlicb auf den drei Blaicben, 
die dann ordinari im Frühling, in der Faften, um den Sommer- 
Bau bey den Herren anbalten, ihr Gebäu zu unterhalten, als 
da fein. Die langen Häußer, Städel, Viebftallungen, Waffer- 
häufer, Weißbäufer, Sommerbäufer, Feldbütten, Wafchbütten, 
Hundftall und viel anders dergleichen auch auf den Walken, 
Hammerfcbmidten, Sägmüblen. Item die Ringmauern und vieler 
anderer Arbeit mehr, fo meine Herren betrifft, fo lang zu be- 
febreiben wäre und nur Verdruß zum Lefen geben, mir aber 
große Sorg und überaus viel Laufens und Rennens gemacht bat.« 
Nach diefen vierzehn Jahren Stadtbauamtstätigkeit bekommt 
er einen großen Monumentalbau. Das neue Rathaus. Die Bau« 
gefchichte ift ein Dokument für alle Zeiten. Wir berichten daher 
in des Baumeifters eigenen Worten: »Diß Jahr (1614) aße ich 
einmal mit Hrn. Job. Jakob Rembold, Stadtpfleger, zu Mittag, 
wurden des alten Ratbaufes hier zu Red und fagte ich: Ihr 
Geftr. und Herren folten daran fein als ein bauverftändiger 
Hr. Obmann, das alte und auf einer Seiten febr baufällige Rat 
haus möchte verändern, abbreeben und an deffen ftatt ein 
febönes neues, wohl proportioniertes Rathaus erbauen laffen, 
vermelte auch dabey, ich hätte großen Luft darzu, ein febönes 
bequem zu bauen, welches wohl wäre. Dachte Hrn. Stadt 
pfleger nicht übel zu fein und antwortet, er wolle mit feinen 
Herrn Mitcollegi, Bauherren und anderen des Raths davon 
reden und ihre Gedanken darüber vernehmen, ich follte ein 
Vifier und Abriß machen, in was Form und Größe ich ibne 
ftellen wollte, und meinen Herren hernach vorweifen, fo könnte 
man weiter der Sache naebdenken. □ 
Ich machte etlicb Vifieren, bis daß diefer, wie jeßt ift meinen 
Herren gefallen bat. Dann trieb ich diefen Bau immer bey 
denen Hrn. Stadtpflegern; da wurd mir eine Antwort von Hrn. 
Rembolden folgendergeftalt: Ihr treibt mich immer mit dem 
neuen Rathausbau an, folcbes ift aber boebbedenkliebe Sache, 
zu dem fo ift unfer Schlagwerk in dem Rathaus-Turm wol 
geordnet und febr nüßlich, alfo biß ihr mir ein Ort faget, da 
man das Schlagwerk zuvor und ehe diefer Bau angefangen 
wird, füglich anrichten könnt, fo will ich zu diefem Bau mit- 
helfen. Da fpracb ich: Wenn es nur an diefem fehlt, fo wollt 
ich bald ein tauglich Ort darzu finden oder verfeben. War 
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