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Volltext: Hohe Warte - Illustrierte Halbmonatsschrift für Architektur, angewandte Kunst und alle modernen Kulturaufgaben, 4. Jahrgang 1908

königlichen Schloß und dem Zeughaus beftimmt wird. Eine 
große örtliche Umwandlung war dort nötig, wo der Kupfer» 
graben einft der Schiffahrt diente. Hber die künftlerifche 
Autorität ift Herrin über den überlieferten Zuftand und an 
keine der kleinlichen Rückfichten gebunden, die den Schuf* der 
Heimat einer minderwertigen Baupraxis gebieterifch auferlegt. 
Wir können mit Leichtigkeit von allem abftrahieren, was an 
den Werken des Künftlers zeitlich bedingt war, von den Schmuck» 
motiven und den Stiläußerlichkeiten, die dem griechifch fchwär» 
menden Klaffizismus angehörten; diefer unwefentlichen Merk» 
male entkleidet, bleibt die edle Konzeption, der Rhythmus von 
Formen beftehen, als das Entfcbeidende der künftlerifcben Er» 
fcheinung, die deshalb weit über die zeitliche Gebundenheit 
hinausragt. □ 
fluch darin erheifdht diefer Künftler ein modernes Urteil, daß 
er mit dem einzelnen Bauwerk zufammen auch die Plat*frage 
behandelt und in der Pla^geftaltung nicht eine äußerliche Nach» 
bildung des fogenannten Heimatftils, fondern vielmehr eine Auf» 
gäbe der Raumkunft erblickt. □ 
Die Geftaltung von Plänen und Straßen, wie überhaupt der 
Städtebau ift eine Angelegenheit der Raumkunft. □ 
Natürlich gibt es in der Kunft eine allgemeine menfcblicbe 
Überlieferung, aber fie kann nicht immer aus jedem Krähwinkel 
abgelefen werden; fie muß vielmehr aus einer künftlerifcben 
Auffaffung heraus immer wieder aufs neue geboren werden. 
Die kalte Erwägung, daß auch in den lokal überlieferten Zu» 
ftänden viel Verpfufchtes und für neue Bedürfniffe gänzlich Un» 
zulängliches vorhanden ift, follte gegen die Kreierung eines fo» 
genannten Heimatftils vorfichtig machen. □ 
Gewiß findet fich auch in Berlin noch etwas vor, was man in 
einem gewiffen Sinn als Heimatkunft anfprechen könnte. Aber 
weder Knobelsdorff noch Schinkel, weder Meffel noch Schmiß u. a. 
haben im »Heimatftil« gefcbaffen; fie haben vielmehr künftlerifch 
gefchaffen, worauf es in erfter und le^ter Linie ankommen foll; 
und deshalb befit*t Berlin einige Schönheiten, die Glanzpunkte 
diefer Stadt find. □ 
Ein Wort Schinkels befagt: »Wenige Menfcben erbeben fich 
bei Beurteilung von Kunftwerken, befonders der Architektur 
auf den Standpunkt allgemeiner Bildung oder allgemeiner An» 
flehten. In der Regel ift ihnen nur dasjenige fchön und lobens» 
wert, was fie fich für ihre eigenen Lebensverhältniffe wünfehen 
und für diefe angemeffen finden. Das Gewöhnliche, das AU» 
tägliche in einer gewiffen Vollendung und Sauberkeit bleibt 
ihnen das böcbfte Ideal. Neues, Großartiges, Ungewöhnliches 
fpriebt feiten den großen Haufen an und wird nach obiger An» 
ficht, infofern es nicht mit ihrem Komfortable zufammenftimmt, 
immer großen Tadel und viele Gegner finden. Künftler, die 
anderes als diefe fllltagsftimme nicht beachten, finken aus der 
eigentlichen Kunftregion hinab; fie werden Leute nach der Mode.« 
Eine andere Bemerkung des Künftlers lautet: »Der Menfcb 
bilde fich in allem fchön, damit jede von ihm ausgehende 
Handlung durch und durch in Motiven und Ausführung fchön 
werde. Dann fällt für ihn der Begriff von Pflicht in dem gröberen 
Sinne, welcher von febwerer Pflicht, drüdeender Pflicht ufw. 
fpriebt, ganz fort und er bandelt überall im feligen Genuß, der 
die notwendige Folge des Hervorbringens des Schönen ift. Mit 
anderen Worten: jede Handlung fei ihm eine Kunftaufgabe. -« 
»Der Architekt ift feinem Begriff nach der Veredlet aller 
menfcblicben Verbältniffe, er muß in feinem Wirkungskreife 
die gefamte feböne Kunft umfaffen. Plaftik, Malerei und die Kunft 
der Raumverbältniffe nach Bedingungen des fittlichen und ver« 
nunftgemäßen Lebens des Menfcben fcbmelzen bei ihm in einer 
Kunft zufammen.« n 
CHHRHKTERISTIK, CHRONIK, KRITIK 
DIE WEISSE KOHLE BAYERNS 
ZUM WALCHENSEEPROJEKT 
"TV 6 bayerifche Staatsregierung gebt mit dem Plan um, die Waffer» 
kräfte der bayerifeben Seen, vor allem des Walcbenfees und Kocbel» 
fees und die Gefälle der Ifar auszunüt*en. Bayern muß frühzeitig 
daran denken, durch Gewinnung der fogenannten weißen Kohle fich 
in den Befitj von Betriebskräften zu fetten, wenn es den Anforde 
rungen der wachfenden Induftrie und des Verkebrsbedürfhiffes ent- 
fpreeben foll. Es ift nicht zu verkennen, daß ein weitfichtiges Projekt 
vorliegt, das die Bedürfniffe vorausfiebt und den Verlegenheiten be 
gegnen will, die in Bayern, das bekanntlich keine Kohlengruben be» 
fi$t, am früheften eintreten müffen. Es find drei Vorfcbläge aufge- 
taucht: Der erfte von dem beffifchen Oberbaurat SCHMICK, der fich in 
den durch die Rückficht auf die landfcbaftlicbe Schonung gebotenen 
Grenzen hält. Ihm folgt Major von DONAT und fchließlich mit einem 
eigenen Projekt die oberfte Baubehörde Bayerns, deren Plan mit 
jenem von Donat das Prinzip der rückficbtstofen Ausbeutung und der 
böcbften Kraftziffer gemeinfam bat. Diefen beiden letjten Plänen zu 
folge foll der Walcbenfee in einer Tiefe von 20 Meter zum Auslauf 
angezapft, fein Spiegel um 16 Meter gefenkt (was der Höhe eines 
4-5-ftöckigen Kaufes entfpriebt) und die Ifar, die ebenfo wie der 
Kocbelfee zur Speifung und altmäbligen Wiederfüllung des Seebeckens 
herangezogen werden foll, die größte Zeit des Jahres trocken gelegt 
werden. Alle dreiviertel Jahre würde, fobald der See fich wieder ge 
füllt hat, die Anzapfung und Senkung des Spiegels wieder erfolgen. 
Der Plan überrafebt durch die Kühnheit des technifchen Gedankens, 
der vor keinem Wagnis zurückfcbreckt. Es ift aber die Frage, ob eine 
Staatsbehörde den Mut haben darf, fich über jede Regung des menfcb 
licben Gewiffens hinwegzufetjen und mit Rückficht auf zu erhoffenden 
materiellen Gewinn die unwägbaren vorhandenen fcbönbeitlicben, land- 
fcbaftlicben und materiellen Werte, fowie die zabllofen Exiftenzquellen 
des Volkes, die von dem Beftand der Wafferläufe und des Seegebietes 
abbängen, der Vernichtung preiszugeben, ganz abgefeben von den 
unberechenbaren gefundheitlichen Gefahren und den Schäden, die 
durch derartige gewaltfame Eingriffe in den Naturbeftand für das 
Land und feine Bevölkerung beraufbefebworen werden. Die Staats 
regierung vorfuebt in einer Denkfcbrift die Ungeheuerlichkeit ihres 
Planes durch Argumente zu rechtfertigen, die in dem Hinweis be 
ftehen, daß es, wenn es fich um die wirtfcbaftlicbe Entwicklung handelt, 
»felbft vor Naturfchönbeiten von außergewöhnlicher Pracht, vor Bau 
denkmälern vergangener Zeiten, kein gebieterifebes Halt mehr gibt«; 
fie nimmt auf den Staudamm von Affuan Bezug, unter deffen ange- 
ftauten Waffermaffen die Infel Pbilä begraben ift, und beruft fich auch 
darauf, daß bei der Erbauung von Talfperren »ganze Ortfchaften vom 
Erdboden verfebwinden und die Bewohner von der angeftammten 
Scholle und dem altgewohnten Gewerbe verdrängt werden mußten«, 
wenn es fich nicht nur um die Gewinnung einer Wafferkraft von 
böchfter Leiftungsfähigkeit, fondern vor allem um die Zwecke der 
Wafferverforgung, der Landeskultur und des Hochwafferfchutjes bandelt. 
Mit diefen Argumenten hat die Staatsregierung recht, weil es fich in 
diefen Fällen nicht um rein materiellen Gewinn, fondern um die Er 
füllung hoher Kulturaufgaben handelte, wie in dem erften Fall um die 
Nutzbarmachung weiter Landftricbe, die Millionen von Menfcben Arbeit 
und Lebensunterhalt fieberten, oder um die Verhütung von Hoch» 
waffergefahren, oder um fonftige allgemeine Notwendigkeiten der 
menfcblicben Exiftenz. In dem rationellen Walchenfeeprojekt jedoch handelt 
es fich ebenfo wie bei den Laufenburger Rbeinftromfcbnelten ledig 
lich um Erzielung materieller Vorteile, die, wie hier unzweideutig zu 
erfehen, durch enorme Opfer und Verlufte auf der anderen Seite er- 
kauft werden müffen; angefichts diefer Tatfacbe ift es febr zu be» 
ftreiten, ob eine Staatsregierung einer einfeitig utilitären, kapitaliftifeben 
Auffaffung zuneigen darf. Befonders fragwürdig ift diefe Auffafiung 
bei einer Regierung, die zur felben Zeit Millionen auf die Verfcböne- 
rung des Landes und der Städte, für die Kunft und die Erhaltung
	        
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