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Volltext: Hohe Warte - Illustrierte Halbmonatsschrift für Architektur, angewandte Kunst und alle modernen Kulturaufgaben, 4. Jahrgang 1908

Rheinanficht der neuen Dombrücke vom Jahre 1911 an, von Deut) gefeben 
Aufgaben gegenübergeftellt. Wohl verfuchte er anfangs die Formen der 
fteinernen Brücken in Eifen nacbzuabmen, wie bei der Kronprinzen» 
brücke in Berlin oder der fllexanderbrücke in Paris, oder auch die 
Eifenkonftruktion mit allerlei Zierwerk zu verbrämen, aber bei der 
zunehmenden Entwicklung der Ingenieurkunft fah man gar bald ein, daß 
man hiermit auf dem falfchen Wege war und daß das Eifenwerk allein 
Ausdruckskraft genug befit)t, um folcber Ziermittel entraten zu können. 
Als einziger Reft diefes Beftrebens, bei modernen Eifenbrücken die 
früheren Ausdrucksmittel zu verwenden, ift die Gepflogenheit ge= 
blieben, die Eingänge durch maffive Torbauten zu betonen. Hierbei 
begeht man noch immer den fundamentalen Fehler, auch für die 
Einzeldurchbildung diefer Bauwerke die Vorbilder bei den mittelalter-- 
licben Brückentürmen zu fuchen. Die Wahl der Stilricbtung wird dann 
zumeift beftimmt durch diejenigen Bauwerke früherer Jahrhunderte, 
die der betreffenden Stadt ihr architektonifcbes Gepräge verliehen haben. 
So fehen wir an den Brückenbauten zu Magdeburg die Anlehnung 
an niederfächfifcbe romanifche Kirchenbauten, in Mainz erkennen wir 
die Form der alten Stadtbefeftigungstürme wieder, und fo bat man 
auch geglaubt, bei den für Köln geplanten Brückenbauten romanifche 
Bauformen wählen zu müffen, weil eine große Zahl feiner berübmteften 
Kircbenbauten der Blütezeit romanifcher Kunft entflammen. Ift fchon 
an fleh nun endlich der deutfcbe Architekt zu der Einficbt gelangt, daß 
es doch in gewiffem Sinne ein Armutszeugnis bedeutet, die Vollen« 
düng feiner Kunft in möglichft getreuer Nachahmung der Kunftformen 
vergangener Stilepocben zu fuchen, daß es vielmehr fchon die Selbft« 
acbtung gebietet, gleich den Meiftern früherer Jahrhunderte die Sprache 
feiner Zeit zu fprecben, fo tritt bei der Verbindung von derartigen 
Architekturwerken mit den Werken der Ingenieurkunft noch ein anderes 
Moment hinzu, das felbft jeden künftlerifcb empfindenden Laien das 
Unrichtige folchen Beginnens ohne weiteres erkennen laffen müßte. 
Es ift dies die unvermittelte Verbindung der Ausdrucksformen zweier 
weit auseinanderliegenden Zeiten. Es follte doch nur eigentlich eines 
kurzen Hinweifes auf den inneren Widerfpruch bedürfen, der darin 
liegt, mit einem Werke, das fo febr der Ausdruck unterer Zeit ift, wie 
eine moderne Eifenbrücke, Nachahmungen mittelalterlicher Ritterburgen 
oder Stadttore zu verbinden, um jeden zu der Erkenntnis zu bringen, 
daß wir hier andere Wege einfchlagen müffen, wenn wir ein wirklich 
harmonifches Werk fchaffen wollen. □ 
Unter allen Umftänden müßte der Architekt bemüht fein, für eine 
folcbe Bauaufgabe eine neuzeitliche Ausdrucksform zu finden, und dies 
um fo mehr, als ihr Zweck ein durchaus moderner ift. Daß es deutfcbe 
Architekten gibt, die einer folchen Arbeit gewachfen find, und daß es 
fchon gelungen ift, für folcbe moderne Ausdrucksformen zu finden, be= 
weift uns neben anderen zahlreichen Bauwerken unferer Tage die 
neue Rbeinbrücke zu Duisburg, bei deren gewaltigen Brückenkopf« 
bauten der Architekt gänzlich darauf verzichtet hat, fleh der Stilformen 
vergangener Jahrhunderte zu bedienen. Es würde ein folcbes modernes 
Bauwerk fich zweifellos auch in ein Stadtbild mittelalterlichen Ge 
präges gut einfügen. Ift es doch eine durch die Kunftfchöpfungen 
früherer Zeiten unumftößlicb bewiefene Tatfache, daß wahrhaft feböne 
Werke weit auseinanderliegender Kunftepochen ftets in Harmonie zu 
einander flehen, während ebenfoviele Beifpiele aus unferer jüngft ver 
gangenen Ardntekturperiode eindrücklich lehren, daß alle Nachahmungen, 
mögen fie im Augenblick ihres Entftebens als noch fo »ftilrein« ge- 
priefen worden fein, den Vergleich mit ihren Vorbildern faft niemals 
ausbalten, ja zumeift zu ihnen in Mißklang flehen. □ 
Wenn nun in den obengenannten Berichten es als ein Vorzug der 
Brückenentwürfe bezeichnet wird, daß die Brückenportale zu folchen 
gewaltigen Bauwerken ausgebildet werden follen, daß fie ein ftolzes 
Gegenftück zu den Domtürmen bilden werden, fo möchten wir auch eine 
folcbe Anfchauung nicht unwiderfproeben laffen. Wenn auch unferer 
Zeit das Recht nicht beftritten werden darf, mit ihren Baufcböpfungen be- 
ftimmend in die Erfcheinung der Stadtbilder zu treten, fo hatten wir 
doch im vorliegenden Falle einer gewiffen Zurückhaltung den Vorzug 
gegeben. Ift doch das Verhältnis der Türme von Groß St. Martin, vom 
Dom, der Jefuitenkirche und St. Kunibert ein fo überaus feines, daß 
jede größere in unmittelbarer Nähe diefer Bauwerke fich auftürmende 
Baumaffe diefen unbedingt gefährlich werden muß. Sollte man über 
die Richtung diefer Anfchauung noch im Zweifel fein, fo müßten wir 
es angefichts der Bedeutung diefer Bauaufgabe für eine Ehrenpflicht 
der für ihre Verwirklichung maßgebenden Stelle erachten, vor Inan 
griffnahme der Ausführung durch ein an Ort und Stelle aufgeftelltes 
Modell der Tortürme den richtigen Maßftab für fie feftzuftellen. Ange 
fichts der riefigen Koften, die, wie wir hören, für die Brückenportale 
aufgewendet werden follen, dürften die Koften eines folchen Modells 
gar nicht ins Gewicht fallen. □ 
Wenn auch die Entwürfe bereits vor längerer Zeit die Genehmigung 
der maßgebenden Stelle erhalten haben, die Fundierungsarbeiten der 
Strompfeiler fchon weit vorgefebritten, die gewaltigen Eifenkonftruk- 
tionen fchon in Auftrag gegeben find, fo ift es doch vielleicht noch mög 
lich die Umrißlinien und Maffen der Portalbauten fo zu beftimmen, daß 
dem Stadtbild kein Eintrag getan wird. Gelingt dies aber nicht, und 
follte der Tag kommen, an welchem alle Freunde des berühmten Kölner 
Stadtbildes es beklagen, an Stelle der jet)t verfebwindenden alten Brücke, 
die fich trot) der an fich wenig fchönen Gitterträger befebeiden den oben 
erwähnten Bauwerken unterordnet, fo müßte es bedauert werden, daß 
fich an der Löfung diefer fo bedeutungsvollen Bauaufgabe nicht die 
gefamte deutfcbe Architektenwelt beteiligen durfte. In den Befprecbungen 
des Architektenvereins wurde es außerordentlich bedauert, daß die biefi- 
gen Fachkreife bei einer für ihre Vaterftadt fo wichtigen Frage erft fo 
fpät, und zwar erft durch Veröffentlichung in der Tagespreffe Kenntnis 
von den Entwürfen erlangt haben, man würde fonft ficherlich mit allen 
zu Gebote flehenden Mitteln dahin gewirkt haben, daß die Entwürfe 
zum Gegenftand eines öffentlichen Wettbewerbes gemacht worden wären. 
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