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verstrebten Tachstühlen seine Kunstfertigkeit beweisen, vielmehr Kühnheit und Reichthum
in der Fvrmung der Thurmhelme bethätigen, und in der That sind diese weit in das
Land hineinschauenden stvlzen Zimmerwerke das eigentliche Wahrzeichen unserer heimischen
Schlösser. Ihre typische Form ist die sogenannte Birne oder Zwiebel: eine üppige
Bauchung über einer müßigen Einschnürung, die, kräftig aufschnellend, sich zum Halse
verjüngt, aus welchem die durchbrochene Laterne hervorwächst; ihr abermals bimförmig
geschwungenes Dach endet mit einer Wetterfahne oder einem Wappenthier. Entgegen den
kärglich profilirten Thurmknppeln Niederösterreichs und jenen förmlich überquellenden
Baierns halten die Constructionen Oberösterreichs eine glückliche Mitte in Maßverhältniß
und Lineament ein. Aber nicht nur die eigentlichen Thürme, sondern auch Kapellen, Erker,
Bodenfenster und Vordächer erhalten Helme, so daß ein förmlicher Wald großer und
kleiner Thürme, schön geformter Rauchfänge, zierlicher Wetterfahnen und leuchtender
Knäufe vom Schlosse aufstrebt, die kräftigen Massen des Baues in einen duftigen
AuSklang auflöst.
Vvn den noch erhaltenen Schloßbauten ist Puchheim bei der Westbahnstation
Attnang, Dank seiner weitläufigen Anlage und seiner schönen Silhouette, besonders
erwähnenswerth.
Das Herrenhaus umschloß den gebräuchlichen Arcadenhof mit seinen gedrückten
Proportionen, aber dem fein gefühlten Ornamente; jener anmuthenden Verbindung
deutschen Wesens und italienischer Formenwelt, die bei allen unseren Renaissancebauten
wiederkehrt und uns berechtigen könnte — wären wir weniger bescheiden — von einer
speeiellen österreichischen Renaissance zu sprechen. Würdig an die Seite des bei Nieder
österreich besprochenen Schloßhofes zu Schalaburg ist jener zu Hartheim mit seiner
farbenheiteren Fresko-Decoration zu stellen.
Im Innern jener außen einfachen und noch für die Vertheidigung erdachten
Schlösser entfaltete sich eigentlich die Renaissance an den köstlichen Schreiner-, Schnitzer-,
Hafner- und Schlosserarbeiten, wodurch die Wohnräume ihre stilvolle Ausstattung erfuhren,
so wie an dem ganzen stets anwachsendcn Hausrathe, von dem allerdings nur wenige
ehrwürdige Reliquien uns überkommen sind.
Besonders schön sind die Interieurs der Schlösser Weinberg, Hartheim, Eferding,
Württing und Puchheim vermöge der in edelster Renaissance gehaltenen, reich eingelegten
Holzgetäfel, ihrer gigantischen Majolikaöfen mit den wimmelnden bunten Bildwerken, ihrer
zierlich geschmiedeten Gitter und prächtigen Thürbeschläge — noch zu wenig gewürdigte
Denkmale des heimatlichen Kunstgewerbes. Wenn auch Wälsche für Stuccaturarbeiten und
mitunter für die Malerei berufen waren, alles was aus Holz, Thon und Eisen besteht,
ist aus der Hand heimischer Werkleute hervorgegangen; waren ja damals die Schreiner