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Die Villenbauten, welche vorwiegend im Salzkammergute während der letzten
Decennien entstanden, riefen eine Reihe Wiener Künstler herbei, welche dort an den blauen
Seen oder in grüner Waldlandschast mit mehr oder weniger Glück die architektonische
Musterkarte der Hauptstadt in ländlicher Auflage wieder entrollten. Der Reiz, der über
haupt in der Conception eines wohnlichen und zierlichen Sommersitzes liegt, vielleicht
aber mehr noch die ungewöhnliche Stimmung, welche Lage und Umgebung erzeugen —
und wäre auch nur der erste Gedanke unter ihrem Zeichen entstanden — mögen unsere
Villen zu glücklichen Geisteskindern der Wiener Koryphäen gemacht haben. Die Villa
Wisgrill in Gmunden von Ferstl, die Villa Baulick in Seewalchen von Feldschreck und
König, die Villa Lanna in Gmunden von Dich, die Villa Panczuliczeff in Traunkirchen
von Hansen, die Villa Wasserburger in Ischl vom gleichnamigen Hofsteinmetzmeister, die
Villa Schmidt am Attersee von Zimier, die Villa Uhl am Mondsee von Stattler n. s. w.
sind Objecte, deren gewandte Airlage, comfvrtable Interieurs, schattige Veranden und
Annexe sie als reizende Villentypen kennzeichnen.
Wenn auch die Bescheidenheit der fürstlichen Eigenthümer sie noch in die Reihe der
Villen gerechnet wissen ivill, ragen zwei schloßartige Herrensitze am schönen Traunsee durch
geradezu splendide Haltung und reiche, kunstvolle Ausstattung hervor. Es sind dies die
Villa „Maria Theresia" (Herzog von Württemberg) und „Hannover" (Herzog von
Cumberland). Elftere, ein Werk Heinrich Adams, in französischer Renaissance auf einer
weithin dominirenden Höhe zwischen Gmunden und Altmünster gelegen, erhebt sich grau
und roth im unregelmäßigen Fünfecke mit massigen Pavillons und einem kühnen Polygonen
Thurme. Der Speisesaal, die Empfangs- und Wohnräume sind mit schönen Getäfeln oder
kostbaren Stoffen ausgelegt, mit monumentalen Kaminen und Öfen versehen und mit
wahren Schätzen an Kunstwerken, prächtigen Möbeln, Gobelins u. s. w. angefüllt. Unser
Bild bringt die Ansicht dieses Schlosses von der Altmünsterer Seite.
Die Villa „Hannover", dermalen noch unvollendet, ein ernster gothischer Stein-
und Fachwerkbau von interessanter Gruppirung, sieht oberhalb des Krotentciches, am
rechten Traunufer, aus buschigen Baumkronen hervor. Sowie der kunstsinnige Eigen
thümer der Villa „Maria Theresia" an der Ausfertigung seines schönen Sommerschlosses
mitgewirkt hat, so fand auch Architekt Schorbach aus Hannover an seinem erlauchten Bau
herrn einen feinen Kenner der Gothik, der den Bau anregend und abwägend zu beeinflussen
wußte. Die Eingangshalle, die Stiege und der gemeinschaftliche Saal, letzterer mit schöner
Holzdecke nach dem Motive eines sichtbaren Dachstuhles, siud tüchtige gediegene Leistungen;
die Wohnräume aber sind kostbare Dekorationsstücke theils gothischen, theils Renaissance-
Stiles; Holzgetäfel und Ofen, Schmied- und Schlosserarbeiten sind indeß sämmtlich in
Hannover ausgeführt worden.