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Internationale Sammler-Zeitung.
Nr. 23
C. Haunold.
Zur bevorstehenden Auktion seines Nachlasses.
Von Friedrich Stern (Wien).
Wie wir die guten Seiten und Vorzüge eines Men
schen, den wir ein Leben lang gekannt haben, eigentlich
erst dann in ihrer vollen Bedeutung zu würdigen lernen,
wenn er aus unserem Kreise geschieden ist, so werden
wir der Vorzüge eines Künstlers erst so recht inne, wenn
er aufgehört hat, Neues zu schaffen und der Tod ihm
Pinsel, Malstock und Palette aus den Händen gewunden
hat. Während aber sonst die mildernde und verklärende
Trauer das Bild eines Geschiedenen verschönern mag,
ist es beim Künstler seine eigenste Arbeit, die ihn den
Ueberlebenden in einem klaren und zuverlässigeren Lichte
zeigt, als dies ju zu seinen Lebzeiten geschehen ist. Was
erhaltenen Natureindruck nach bestem Vermögen des
Künstlers getreu Wiedergaben. Die Zeit mag ja einen
Hauch von Edelrost über die Blätter gelegt haben, die
uns durch ihren zarten, schummerigen 'l'on auffallen,
was ihnen aber von allem Anfang an gehörte, das war die
sichere, ehrliche Zeichnung, der getreue Farbensinn, der
gesunde Geschmack in der Stoffwahl und Auffassung.
Deutschösterreich und ein angrenzendes Stück Bayern
oder Ungarn hat Haunold einen unendlich abwechs
lungsreichen Schatz an Motiven geliefert, in denen er
geradezu schwelgt. Der Sommerfrühmorgen in Aigen
mit dem hohen Göll im Hintergründe, wirkt auf den Be-
Fig. 19. Makart, Junge Römerin.
er da für uns geschaffen hat, das hat ihm seine Schätzung
in der Gesellschaft, bei den Zeitgenossen, eingetragen;
was er aber für sich malte, ohne die ja doch nicht zu ver
scheuchenden Nebengedanken, Rücksichten auf das Ur
teil anderer, das kommt nun erst aus den heimlichen Ver
ließen hervor, in die er seine persönliche Sammlung ver
schlossen hatte, und wir sehen mit einem Male den
»Künstler an sich«, in dem alles das potenziert erscheint,
was uns bisher seine Arbeiten sympathisch gemacht, und
weggewischt, was wir als Konzession an wandelbare
Geschmacksrichtungen hingenommen haben.
Es sind eben seine Studien, wie er gleich sehr
vielen anderen Wiener Malern seiner Zeit Studien auf
gefaßt hat: Vor der Natur fertiggemalte Bilder, die der,
schauer wie ein Reiseerlebnis; ein Blick über den Inn
nach Burg Wernstein kann wohl den intransigentesten
Bekenner der Stimmungslandschaft mit der Vedute ver
söhnen und motivische Blätter, wie die Partie vom
Mönchsberg, die ausgezeichnete Felsenstudie aus Hall
statt, das geradezu vorbildliche Blatt »Die beiden Fich
ten«, »Der hohe Steg im Maltatal« und so viele andere
zeigen, wie dünn die Scheidewand ist, die manche zwi
schen guten modernen und guten unmodernen Malern
aufgerichtet haben. Sollen wir noch auf die Hochgebirgs
landschaften hinweisen, die Wald- und Sccbilder und die
1 wilden Schluchten, durch die der Gießbach tost, die so
treu und gegenständlich abgemalt sind, wie das nur ein
1 so inniger Naturfreund konnte, dem dabei das Handwerk-