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Internationale Sammler-Zeitung.
Hummer 10.
— oerzeihen Sie das Bild — um einige Blüten flattern und
nur sooiel Honig nippen, als gerade ausreicht, um der
Geschichte auf den Geschmack zu kommen.
ich konstatiere also, dafj alles da ist, die coertoollen
Instrumente, die kostbaren Bücher, die noch kostbareren
Manuskripte. IHich zieht’s zu den ITlanuskripten. Wenn
man sein lebelang selber schreibt, kriegt man schließlich
eine Schtuäche fürs Geschriebene. Bassen Sie sich erzählen.
Sehen Sie, da ist ein Blatt, so zroischen ztoei Glastafeln
gerahmt, dafj nach erfolgter Drehung auch die Rückseite
sichtbar roird. Die Vorderseite es gehen einen ehr
fürchtige Schauer an - - meist Beethooens eigenhändige
Riederschrift des Biedes „Jch liebe Dich, so roie Du mich“
auf. Das Bied ist auf dieser Seite nicht zu Gnde gebracht,
aber — die Originalhandschrift Beethooens, es ist immer
hin schon etroas und coert der pietätoollen Betrachtung.
Damit ist das Interesse an dem Blatt jedoch noch nicht
erschöpft. Gs meist noch oon der Hand franz Schuberts
geschrieben den Vermerk auf: „Des unsterblichen Beethooens
Handschrift. Grhalten den 14. Rugust 1817.“ — Huf der
Rückseite findet sich oon franz Schubert geschrieben der
Anfang eines seiner Klaoierstücke. Also auf einem Blatte
oereinigt die Handschriften oon Beethooen und Schubert!
Die Geschichte ist noch nicht aus. Johannes Brahms
mar so glücklich, in den Besitj dieses Blattes zu geraten,
und auch er signierte es: „Johannes Brahms im April
1872.“ Also nicht nur Beethooen und Schubert, sondern
auch noch Brahms! — Die Geschichte ist noch immer nicht
aus. Brahms schenkte das merkroürdige Blatt dem BRuseum.
So gegen zmanzig Jahre später sitjt Brahms nach alter
Geroohnheit roieder einmal in seinem Stammmirtshaus
„Zum roten Igel“ am Wildpretmarkt, Da gesellt sich ein
Fremdling zu ihm und meist ihm ein Datenblatt oor. Gr
misse, daß der Herr dei berühmte Brahms sei, der sich
für musikalische Reliquien interessiere. Gr selbst misse
nicht, ob an dem Blatte etroas dran sei, aber es könnte
doch sein, und für diesen fall biete er es zum Kauf an.
Ulan denke sich das Gnfzücken Brahms’. Das Blatt mies
auf der einen Seite fortsetjung und Schluß des Beethooen-
schen Biedes und auf der andern fortseijung des Schubert-
schen Klaoierstückes auf, und alles in der Originalhand
schrift. Ginige Rotenzeilen, die noch freigeblieben roaren,
hatte irgendein sorglicher Vater oder ein lllusiklehrer benußt,
um roahrscheinlich einem Kinde das Wesen der Roten
schriftlich zu erklären. Papier mag in der Biedermeierzeit
ein seltenerer Artikel geroesen sein als heute und rourde
darum auch bedachtsamer ausgenütjt. Brahms erroarb das
Blatt und schenkte es - es mar im Jahre 1893 — eben
falls dem BRuseum.
In einem Glaskasten sehe ich drei kleine Bruchstücke
eines Rotenblattes. eigentlich sind es Schnittstücke, denn
sie sind mit der Schere oon einem ganzen Blatt abgechnitten
morden. Was ist das? Gs ist der Blühe roert, der Sache
nachzugehen. Denn die kleinen Stücke lassen erkennen,
dafj sie zu einer Riederschrift des Biedes „Der Tod und
das BRädchen“ oon franz Schubert gehörten. Und es mar
die Originalniederschrift oon der Hand franz Schuberts!
Gin Stückchen meist die unoerkennbare echte Unterschrift
des grofjen Tondichters auf, und auch roas die Rofenschrift
betrifft, kann für forscher, melche die musikalische Hand
schrift Schuberts kennen, ein Zroeifel an der Gchtheit nicht
aufkommen. Das ist eigenhändig oon franz Schubert
geschrieben.
Gine seltsame Geschichte das mit diesen Papierstückchen.
Gin Bruder oon franz Schubert, allerdings aus der zmeiten
Ghe seines Vaters, also ein Stiefbruder, mar Geistlicher
geroorden. Ich habe ihn noch persönlich gekannt, den
guten Pater Herrmann. Gr mar Kapitular zu den Schotten
und erteilte im Gymnasium des Schottenstiftes Religions
unterricht. Gr ist erst oor roenigen Jahren gestorben. Jch
hatte ihm einmal eine kleine Bleistiftzeichnung oon IR. oon
Schmind geschenkt. Das lag nahe — ihm, dem Bruder
franz Schuberts! Ich hätte es aber nicht getan, roenn ich
damals schon die Geschichte jener Papierstückchen gekannt
hätte. BRan höre nur: Pater Herrmann mar im Besiße
der Originalhandschrift des rounderoollen Biedes „Der Tod
und das BRädchen", und er führte sie einer ganz sonder
baren Verroendung zu, Alljährlich roenn ein Abiturient
besonders schön maturiert hatte, schnitt er ein Stückchen
oon der kostbaren Handschrift herunter und zeichnete damit
den glücklichen Prüfungskandidaten aus! Im Baute der
Jahre roaren bisher drei der also Ausgezeichneten, die
natürlich uaneinander nichts roufjten, so oerständig, ihre
Reliquien dem BRuseum zu überbringen. Die übrigen sind
noch ausständig, aber ein BRuseum hat Geduld. Vielleicht
fügt es doch noch ein freundliches Geschick, dafj sich alle
Stückchen roieder zu einem, dann nur um so kostbareren
Ganzen zusammenfinden.
Gs braucht kaum noch besonders heroorgehoben zu
roerden, dafj Schubert auch sonst noch außerordentlich
reich im niuseum oertreten ist und selbstoerständlich auch
Beethooen. Auf zu oiel Ginzelheiten kann ich aufjer den schon
angedeuteten Gründen auch schon aus Raumrücksichten
nicht eingehen. Immerhin sei noch das gedruckt oor-
liegende Programm des ersten und einzigen Konzertes,
das franz Schubert gegeben, ermähnt und oon Beethooen
das BRanuskript zu seiner Symphonie: „Eroica intitulata
Bonaparte.“ Das Titelblatt meist Spuren einer grimmigen
Wut Beethooens auf. Die Worte „intitulata Bonaparte.“
sind mit einer so heftigen Beidenschaftlichkeit durchstrichen,
dafj es dort ein Boch geseßt hat. Die Grklärung liefert ein
Vermerk unter dem Unglück: „August 1804.“ Beethooen
hatte eben erfahren •— es ging damals nicht besonders
schnell mit den grofjen politischen Rachrichten — dalj
Rapoleon, sein grofjer freiheitsheld, sich habe zum Kaiser
ausrufen lassen. Daher der Ingrimm. Llnschäßbar roert-
ooll ist noch Beethooens musikalisches Skizzenbuch, das
er immer bei sich trug und in roelches er die musikalischen
Gedanken Richtig einzutragen pflegte, die ihm unter dem
Spazierengehen zuflogen, roeiter das Skizzenbuch zur dritten
Bearbeitung des fidelio oom Jahre 1814, die Skizze zur
berühmten „neunten“, und endlich auch die Skizze zu
einer Komposition des Grlkönigs. BRan denke nur,
melche fundgrube für einen, der roirklich etroas oersteht!
nian kommt aus der Andacht gar nicht heraus.
Wenn mir so die Reliquien betrachten, erheben sich oor
uns ehrfurchtgebietend die Geister oon Bach und Händel,
und förmlich lebendig roird der große lllozarf, lebendig
und uns menschlich nahe gerückt. Da liegt oon ihm auf
mehr als hundert Seiten bis zum Schlufjpunkt eigenhändig
geschrieben die G moll-Symphonie. Das Manuskript ist
im Jahre 1788 entstanden in dem Hause auf der Währinger-
strafje, auf dem der heutigen Generation eine Gedenktafel
oon lAozarfs Aufenthalt erzählt. Da liegt auch eine
Komposition, oon IRozarts eigener Hand roie folgt über
schrieben: „Tänze. Von Wolfgang Amade IRozart. Den
27. Juliii 1786. Unterm Kegelscheiben.“
Bassen Sie mich zum Schluß wiederholen, dafj ich
mit den Darstellenden Zeilen nicht die Absicht hatte, eine
eingehende Beschreibung des BRuseums zu bieten. Gs sollte
nur oersucht roerden, Interesse zu roecken für eine Samm
lung, die mir des Interesses roürdig scheint.