Zenfralblaff für Sammler, Oebhaber und Kunstfreunde.
1. Jahrgang.
Herausgeber: ITorbert ehrlich und J. Hans Prosl.
Wien, 1. August 1909.
Hummer 13.
Der Wert des 5ammelns.
Eine Rundfrage.
Jine Rundfrage über das Sammeln!
Wie mir über das Sammeln denken, das
haben mir in einem programmatischen Artikel
ausgesprochen und jede Rümmer der „Inter
nationalen Sammler-Zeitung“ gibt mahl Zeugnis
daoon, roie sehr mir bemüht sind, das Interesse
an der edlen Eiebhaberei zu oertiefen, ihr neue
freunde zu geroinnen, Erscheint es uns ange
sichts dessen heute überflüssig, sozusagen
unsere fahne aufzurollen, so hielten mir es
doch für lohnensroert, Persönlichkeiten, deren
Wort Gereicht hat, darüber zu befragen, welchen
Wert und roelche Bedeutung sie dem Sammeln
und ob sie irgend eine tiebhaberei betätigen.
Unsere stille Vorausseßung, daß die Antworten ein reiches
JTlaterial zur Psychologie des Sammelsportes ergeben würden,
hat sich in schönster Weise erfüllt. JTLit Genugtuung kon
statieren roir: Gelehrte oon europäischem Rufe, Schrift
steller uon Rang und Ramen, Künstler oon größter Popu
larität haben zur feder gegriffen, um zu künden, was sie
dem Sammeln danken, welch reine freuden ihnen aus
diesem scheinbar Spielerischem geflossen, welch dankens
werte Ablenkung sie darin oon den Einseitigkeiten eines
deneroierenden Berufes gefunden. Heroorheben möchten
wir auch die Zuschrift des Rlinisfers Grafen Stürgkh, die
den erfreulichen Beweis erbringt, daß die österreichische
Unterrichtsoerwaltung den Sammlerbestebungen sympathisch
gegenübersfeht.
Rur wenige Antworten fallen aus dem Rahmen, aber
wir glaubten, auch jene Zuschriften nicht unterdrücken zu
sollen, in denen sich kein Verhältnis zum Sammelsport
kundgibt, oder wo die frage gar oon der humoristischen
Seite gefaßt wird. Im übrigen, Girardi, Wiens Eiebling,
ist ein gewaltiger Sammler oor dem Herrn, wiewohl er
seiner Oebhabereien mit keinem Sterbenswörtchen erwähnt,
und franz Tewele, ein Rlann aus demselben Holze, wie
er, hat bei der Sichtung und Ordnung einer Wiener Prioat-
sammlung so feines Verständnis und so sicheren Geschmack
bekundet, daß man nur bedauern muß, dalj er nicht die
Gesichtspunkte entwickelt hat, oon denen er sich bei der
Bewältigung der aus freundespflicht übernommenen Auf
gabe leiten liefj. Es märe ein interessanter Ceitfaden für
Sammler geworden.
Und nun lassen wir einen Teil der uns zugekommenen
Zuschriften (in alphabetischer Ordnung) folgen:
Peter Hltenberg (Wien).
Es ist ganz merkwürdig, dafj Sie sich gerade an
mich wenden in dieser Angelegenheit. Denn Sie können
es absolut nicht wissen, dalj ich, ein ganz Armer, seit
oielen Jahren ein einfach fanatischer Sammler bin und
mir, gleich den JTlilliardären, eine heißgeliebte, gehegte
und mit oielen Opfern zustandegebrachte herrlichste Bilder
galerie oerschafft habe: 1500 Ansichtskarten, ä 20 Heller
das Stück, in zwei herrlichen japanischen Kästchen mit je
sechs fächern. Es sind ausschließlich photographische
Aufnahmen oon Eandschaften, fronen, Kindern, Tieren.
Ich fand oor einigen Wochen, daß der wirklich Aus-
gebildete des Hebens sich seiner Schöße entäußern müsse,
um das tiefste einzige Glück des „Gebens“, des „Spen-
dens“ auch noch bei seinen Cebzeiten miterleben zu
können an seinen „Beschenkten“. Daher sandte ich beide
japanische Kästchen mit den seit 1897 gesammelten 1500
Ansichtskarten nach Hamburg an die junge Dame, die
allein oon allen frauen dieses Geschenk zu werten weiß.
Seitdem sammle ich desto eifriger, desto leiden
schaftlicher, um nun die Sammlung meiner freundin
zu komplettieren —
Hier also sind gleich zwei heilsamste Ablenkungen
oon dem gefährlichen Bleigewichte des eigenen Ich: Erstens
das Glück des Sammelns selbst, zweitens das Glück, es
für einen Anderen, ebenso oerständnisuollen, tun zu
können! „Sammeln“ heißt, sich auf etwas außerhalb
der eigenen Persönlichkeit liegendes konzentrieren können,
das aber nicht so gefahrooll und undankbar ist, wie eine
geliebte frau — — —
Dr. JTIoriz Benedikt,
Uniaersitätsprofessor, Ghrendoktor der Uniocrsität Glasgow, Ghren-
mitglied der kaiserl. russischen Gesellschaft der llaturroissen-
schaften etc., Wien.
Daß das Sammeln oon ungeheurem Wertesei, braucht
nicht besonders betont zu werden. Selbst die kleinsten