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Internationale Sammler-Zeitung,
Hummer 13
Dinge des Hausrates, des Verkehrslebens erreichen mit der
Zeit einen charakteristischen Wert, da formen und Inhalt
fortwährend wechseln und immer etwas Charakteristisches
für die Kulturtechnik und soziales Heben enthalten. ITloden
und Bedürfnisse wechseln und wir achten auf das „Gewöhn
liche“, das außer Gebrauch kommt, nicht mehr. Wir sehen,
dal] ITlenschenwerke der Kunsttechnik, der Kunst in Zeiten
des Verfalls der Zerstörung preisgegeben werden, während
sie in geeigneten ITlomenten Bausteine neuer Crhebung
und neuen Schaffens würden.
Technische ITlodelle sind nicht nur für die Geschichte
der Cnfwicklung uon Bedeutung: sie enthalten oft Gedanken,
die wieder wertuoll werden.
In der Wissenschaft, sowohl in der spekulatiuen, [
wie in der exakten, geht enorm oiel oerloren, da jede
Generation fast nur Sinn für ihren Gedankenkreis hat und
zahllose Ideen und Tatsachen oerloren gingen, wenn nicht
Sammeleifer die Dokumente Zusammenhalten würde, wenn
auch das momentane Interesse an dem Inhalte fehlte, für
den Sammler besteht der Vorteil eines immer fortschrei
tenden Verständnisses, eines gesammelten intellektuellen
Interesses und des Genusses, den der Besiß des „Seltenen“
oder gar eines „Unikum“ gewährt,
Das oielseitige Sammeln bietet die Gewähr des Er-
haltenwerdens des Sammelwerten und der schliefjiichen
Cinmündung in öffentliche Sammlungen zur allgemeinen
Aufklärung und als material für ernste Studien.
Dr. Ceo Feld (Wien),
Ich denke, daß dem Sammeln oiele höchst wertoolle
Kräfte innewohnen. Cs gibt dem ITlenschen, dem die Heere
und Reizlosigkeit eines pflichtbeladenen Hebens alle freudig-
keit nimmt, ein klein Stückchen Crde, das er nach seinem
Sinne bestellen und pflegen kann, auf dem er zu sich selbst
kommt, zu befriedigter Arbeit und freude, ein Stückchen
Crde, auf dem er daheim ist.
Sammeln ist oftmals gewiß nur ein Surrogat, aber
ein edles und reines Surrogat, das den ITlenschen erfrischt,
statt ihn zu betäuben. Cs gibt ihm ein Gefühl oon Kraft
und Überlegenheit. Und der stille ITlensch, der seine Rosen
okuliert, hat Stunden siegreicher freude, fast wie ein
feldherr, der seine triumphierende fahne an sich oorbei-
ziehen sieht.
Dem bedeutenden ITlenschen aber gibt das Sammeln
material und Kläglichkeiten zu großen Heistungen.
Was ich selbst sammle? Erinnerungen. Sonst oor-
läufig nichts. Aber auch das braucht Zeit und Glück.
Franz Karl Ginzkey (Wien).
Ob ich etwa sammle und wie ich darüber denke?
Als Realschüler sammelte ich Briefmarken und schenkte
eines Tages meine ganze Sammlung dem Bruder meiner
flamme — ein sicheres Zeichen, daf] ich zum Sammler nicht
geboren bin. Im übrigen halte ich das Sammeln für eine
stille, heilsame Beschäftigung für Jeden, der Zeit dazu er
übrigt. Das Sammeln ist ja hauptsächlich eine Heistung
an Zeit. Ich selbst, der ich keinerlei Zeit habe, sammle
nichts als Dienstjahre und Augenblicke, die wert sind,
gelebt worden zu sein.
Alexander Girardi (Bad Ischl).
Ich habe eine sehr grof]e Sammlung persönlicher
Crinnerungen; die bösen machen mir die guten noch
wertooller.
Ferdinand Gregori,
Hofburgschauspieler, Professor und Inspektor an der Akademie
für niusik und darstellende Kunst. (Wien.
Wenn nur der ein Sammler genannt wird, der für
eine Hiebhaberei morden und stehlen kann, der keine
ruhige Stunde hat, bis er den höchsten Gegenstand seiner
Sehnsucht errungen und nur mit neid auf die Schöße
seiner ITlifsammler blickt, so bin ich ganz gemif] keiner.
Ich habe Hunderte oon schönen und geschmacklosen
Exlibris-Blättern und möchte gerne noch Tausende be
sten, aber ich tue eigentlich nichts dazu. Ich lebe auf
diesem Gebiete oon der Sammelwut der anderen, die, um
mein Exlibris zu bekommen, mir das ihrige zusenden.
So kostet meine hübsche Sammlung weder Geld noch Zeit
noch lllühe. Sie oollsfändiger zu machen, wird Dielleicht
die Aufgabe meines Alters sein; dann auch werde ich
an eine sorgsame Gruppierung gehen können.
Rachdem ich mir die zeitgenössische Hyrik in sehr
reicher Ausdehnung angeschafft hatte, weil ich ein ooll-
endetes kleines Gedicht inniger liebe als ein dilettantisches
Drama, fing ich an, mir die lyrischen Schäße anzueignen,
die in einer modernen Buchhandlung nicht käuflich sind:
oerschollene Dichter zweiten Grades, wie Karl Beck, Solidaire,
Daoid friedrich Strauf]. Die haben Redam, JTleyer, Hendel,
Daberkow nicht neu und wohlfeil gedruckt. Die muf] man
in Antiquariaten oder in alten Katalogen suchen. Das aber
ist der Weg zu den Erstausgaben überhaupt. Es liegt
ein großer Reiz in dem Besitze eines Buches, das seiner
zeit nur in 76 Exemplaren oerkauft wurde — wie die
anonym erschienene erste Sammlung der Annette non
Droste-Hülshoff aus dem Jahre 1838 — und heute zu
den Kostbarkeiten einer grofjen lyrischen Kultur gehört.
Aber auch dabei bleibe ich gern ruhig und drücke den
Arger nieder, wenn mir ein anderer das seltene Stück
oor der IJase wegschnappt und mich nun dazu oerurteilt,
das Zehn- und Zwanzigfache aufzuwenden, wenn ichs
ihm wieder abspenstig machen will.
Die Kataloge gehen einem zu, ohne dal] man sich
darum bemüht, weil die Antiquare untereinander die
Adressen der Bücherliebhaber austauschen. Kaufe ich bei
dem einen, so unterrichtet mich auch der andere oon seinen
Beständen. Sef]t man sich selbst eine bestimmte Summe
aus, die man alljährlich auf Erstausgaben oerwenden kann,
ohne daf] man sich ruiniert oder sichs am Heibe abdarbt,
so lebt man ganz gut und behaglich als Sammler. Hat
man außerdem eine glückliche Hand, bezahlt man nicht
heute 100 IHark für Hölderlins Gedichte, die man morgen
für 50 frcs. bekommt, so schafft man sich eine oorziig-
liche Heimsparkasse, die den Rachkommen gute Zinsen
trägt. Denn das Werk eines echten Dichters in erster
Auflage wird für alle Zeit Wert behalten. Die wenigen
Exemplare, die daoon existieren, können sich nie oermehren,
wohl aber oermehren sich die Hiebhaber, die darnach jagen
und treiben den Preis in die Höhe.
Ein rechter Sammler bin ich dennoch nicht, weil ich
nur dann eine Summe an ein Buch wage, wenn der
Dichter die Summe wert ist. für ITlörikes Gedichte aus
dem Jahre 1848 dreißig llJark auszugeben, dünkt mich
kein Unsinn zu sein, ob ich dieselben Gedichte auch für
zwanzig Pfennige haben kann; ich schätje ihn sogar noch
oiel höher ein.
Balduin Groller (Wien).
Über das Sammeln denke und urteile ich mit ITlilde
und bin nicht der JTleinung, daß man mit einem Achsel
zucken darüber hinweggehen oder gleich nach JTlilderungs-
oder gar Strafausschließungsgründen suchen müßte. Ver
trete Dielmehr die Ansicht, daß jeder ITlensch sein Stecken
pferd haben darf, ja haben soll. Sie, mein lieber und
geehrter Herr Kollege, der Sie eine Sammlerzeitung heraus
geben, Interessen zu oertreten und eine fahne hochzuhalten
haben, — nebenbei: ich bin auch der JTleinung, daß jeder
ITlensch irgend eine fahne hochhalten soll - Sie werden
Dielleicht oerstimmt und in Ihren heiligsten Gefühlen gekränkt
sein, daß ich da oom Steckenpferd rede, wo es sich nach