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internationale Sammler-Zeitung.
Flummer 13.
nur in den Rügen ihres Cigentümers erhalten und fingen
an, lebendig auf mich einzuroirken, weit stärker oft, als
das lebendige Wesen selbst.
Durch den Spieltrieb ist der Sammeltrieb mit der
Kunst verwandt, durch den (Eifer des forschens mit der
Wissenschaft, wie anderseits das Sammeln den Reinlich-
keits- und Ordnungssinn des ITlenschen roeckt und stärkt,
die jedem armen Schlucker angeborene Sehnsucht nach
Besitj und macht befriedigt und durch Kauf und Tausch
auch seine praktische und ökonomische Bedeutung dartut.
Unter besseren äußeren Umständen führe ich das
eben Bemerkte Dielleich noch einmal roeiter aus und belege
es mit Beispielen.
Rlfred Cichtatark,
Direktor der Kunsthalle, Hamburg.
Sammeln oon (Erzeugnissen der Ilatur und der JTlenschen-
hand dient nicht nur der Befriedigung eines mehr oder weniger
stark in jeder Seele oorhandenen Triebes, dem zunächst
der Gegenstand gleichgültig ist; auch nicht etcoa nur der
Rusfüllung müßiger Stunden oder der Russpannung nach
anstrengender Berufsarbeit. Cs gehört zu den unerläßlichen
Vorbedingungen der höchsten Bildung; denn es roeckt und
entwickelt Kräfte der Seele und des Geistes, die sonst ruhen,
es geroährt fühlung mit dem geheimnisoollen Wesen der
Wissenschaft und der Kunst, und Ginblick in ihre Werkstatt,
es öffnet einen Weg zu den Dingen und in die Dinge hinein,
und es erfüllt mit einem ruhigen, alles durchdringenden
und erwärmenden Glücksgefühl, das sonst nur der Forscher
oder der Künstler kennt. Gerade deshalb vermag es zur
(Ergänzung unserer heutigen, auf das Wort und das Wissen
gegründeten Bildung wesentlich mitzuroirken.
Die Erfahrung lehrt, daß, wer auf irgend einem Ge
biete ernstlich zu sammeln angefangen hat, eine Wandlung
in seiner Seele anheben spürt, die ihn zu einem freudigeren,
oon lebendigerer Teilnahme, oon offenerem Verständnis
für die Crscheinungen des lebens bewegten ITlenschen macht.
Über sich selbst hinausroirkend hat sich der Sammler als
der unentbehrliche Untergrund alles künstlerischen Schaffens
bewiesen. Rls Rnregungszentrum seines Tebenskreises hilft
er die Kraft des Künstlers, die sich in tausend Kultur- und
Wirtschaftsroerte umseßt, auf das ganze Volk überleiten.
Dr. Julius uon Cudassy (Wien).
Das lEernen ist ein methodisches Sammeln - das
Sammeln ein methodisches fernen. Wer sein Gedächtnis
bereichern, seinen Geist bilden will, der muß seine Kennt
nisse ordnen, seine Vorstellungen in ein System bringen.
Durch nichts aber werden die Bilder, die unser Bewußtsein
aufbewahrt, frischer und lebendiger erhalten, als durch die
unmittelbare Anschauung. Die unmittelbare Anschauung
aber seßt ihre Objekte Daraus, ist ohne ihre Gegenstände
nicht denkbar. Darum wird insbesondere der naturfreimd,
je inniger er sich an die Umwelt anschließt, um so unab-
roeislicher zum Sammler. Der Arzt sammelt Krankheits
fälle, der Altertumsforscher die Reste der Vergangenheit,
der Kunstverständige Bilder und Stiche. Der eine sammelt
Blumen und Kräuter, der andere Käfer und Schmetterlinge.
Und Jeder, der ein Buch uerfassen will, sammelt das
ITlaterial dazu. So kommt es denn, daß nur wenige
ITlenschen nichts sammeln. Vielen füllt es das feben aus.
Unter ihnen habe ich manchen gekannt, der mit leiden
schaftlicher fiebe an dem kleinen ITluseum hing, das sein
eigen war. Wem das Schicksal übel mitgespielt hat, der
wird wohl auch geneigt sein, zu sammeln, um Ruhe und
Selbstoergessenheit zu gewinnen, lltag er nun seltene
Handschriften und flöten, oder nur meerschaumköpfe
sammeln — seine Beschäftigung wird ihm zur süßen
Gewohnheit, oersähnt ihn allmählich mit seinem foos und
beruhigt sein Gemüt, man kann daher sagen, daß das
Sammeln das Ginzige ist, das in sich gleichzeitig niofio
und QuietiD ist, das anregt und besänftigt, ln dieser
doppelten Kraft liegt sein Wert für das Dasein beschlossen.
Hat jemand es erprobt, darin gelangt er allgemach zu der
höchsten form seiner fiebhaberei, indem er dies und jenes
sammelt, sammelt er sich selbst. Und dadurch genest er
oon der größten Krankheit unserer Zeit und unseres Ge
schlechtes — oon der Zerstreuung, oon der Zerfahrenheit
des Willens und Gmpfindens. So habe ich es erfahren —
so erfahre ich es noch . . .
Hofrat Dr. Daoid Heinrich Jtlüller,
Professor und Vorstand des orientalischen Instituts an der Unioersität
Wien, wirkliches ITlitglied der k. Akademie der Wissenschaften etc.
Ich selbst habe keine Sammelliebhaberei, schäße aber
dennoch die Sammeltätigkeit sehr hoch. Der 5ammeltrieb
ist aus dem Besißtrieb heroorgegangen und trägt noch
manche Kennzeichen des Ursprungs an sich, unterscheidet
sich aber oon jenem, je reiner er sich ausbildet, dadurch,
daß er nicht die freude an dem flußen der Dinge, sondern
an der Vielheit der Dinge selbst hat. Der Sammeltrieb kann
sehr befruchtend wirken, indem man durch das Sammeln die
Dinge an sich und in ihrem Verhältnisse zu anderen ähnlichen
kennen lernt, so daß aus manchem spielerischen Sammeln
nicht nur reiche Kenntnisse erworben werden, sondern auch
wissenschaftliche Anregungen heroorgehen können.
Je intensiver und zielberoußter die Sammeltätigkeit
sich gestaltet, desto mehr verliert sie ihren spielerischen
Charakter und mündet entweder in wissenschaftliche Be
obachtungen aus oder sie sucht flußen aus der Sammlung
zu ziehen und kehrt so in den Besißtrieb zurück, uon
dem sie ihren Ursprung genommen hat.
Eduard Pößl (Wien).
ln Beantwortung Ihrer freundlichen Zuschrift beehre
ich mich, Ihnen für Ihr sehr verdienstvolles Unternehmen
„Die Sammler-Zeitung“ mitzuteilen, daß meines Crachfens
der Sammeltrieb, wenn er nicht zur fexerei ausartet, fast
immer unter die nüßlichen Betätigungen der ITlenschen
gerechnet werden muß.
Selbstverständlich ist damit nicht das Sammeln von
Gegenständen ohne System und Ziel gemeint, wie zum
Beispiel seinerzeit das Sammeln von Zigarrenspißen, wofür
sich dann, als endlich von den Säcken gesammelter Spißen
Gebrauch gemacht werden sollte, kein Abnehmer fand. Das
Sammeln, welches wir meinen, bezieht sich ja immer auf
irgend welche Gegenstände der Kunst, des Geroerbefleißes
oder auf flaturprodukte, die in das feld der Wissenschaft
einschlagen. Alle diese Bestrebungen haben mindestens
den ernsten Hintergrund, daß sich der Sammler nach irgend
einer Richtung hin mit einer Disziplin vollständig vertraut
zu machen sucht und, seien seine mittel noch so bescheiden,
oft durch Zufall ein wertvolles Stück erhascht, das sogar
für die Allgemeinheit von Wert sein kann. Zumindest
aber füllt der Sammeleifer so manche leere Stunde des
lEebens aus, die sonst lediglich totgeschlagen wäre.
Was mich selber betrifft, so sammle ich, so weif
meine mittel reichen, alte ITlöbel, insbesondere aus der
Biedermeierzeit, und zwar der Wiener Biedermeierzeit.
Dies geschieht seit mehr als dreißig Jahren, so dafß ich
endlich in der Tage war, fast meine ganze Wohnung mit
Gebrauchsmöbeln aus jener Zeit auszufüllen, innerhalb
deren ich mich wahrhaftig roohler fühle, als einst inner
halb der schlechten ITlöbel aus den Siebzigerjahren oder
gar der scheußlichen Gebilde der ersten Sezessionszeit.
Hermione von Preuschen-Celmann,
Schriftstellerin und maierin (Tichfenrode-Berlin).
Gerade von einer dreivierteljährigen Reise in die Welt,
diesmal besonders Sumatra, Java, Siam, China und Japan —