Hummer 13.
Internationale Sammler-Zeitung.
Seite 197.
beladen mit gesammelten Antiquitäten und Stickereien
zurückkehrend, finde ich Ihre liebenswürdigen Zeilen. Ihre
frage, ob ich irgend eine Sammelliebhaberei betreibe,
möchte ich mit einer Gegenfrage beantworten: Welcher
Künstler wäre nicht in irgend einer Weise oon der Sammel
wut gepackt?
Ich behaupte kühn, wenn er nicht „sammelt“, ist er
gar kein wirklicher Künstler.
Also, ich habe eine Göffelsammlimg und eine Cmpire-
tassensammlung, eine ITlöbelsammlung und eine Sammlung
goldgestickter asiatischer Gewänder, die mir meine „tea-
gowns“ bilden helfen — ich habe nach oiele andere
Sammmlungen, sogar eine Rückenkissensammlung und eine
non altem, morgenländischen Schmuck.
Das Wahre aber für den echten Sammler: Gr mufj
seine Sächelchen unter ihrem Werte, sozusagen für ein
Spottgeld, zusammenheimsen. Dann erst gibt ihm jedes
Stück eine lebenslängliche, heimliche freude. Das Gegen
stück zu diesen sind die Sammelprotjen, die sich der Un
summen rühmen, die ihr edles „Hobbyhause“ sie gekostet.
Die liebenswürdigeren Sammelfexe aber sind die Crsteren
und mit ihnen hoffenlich auch ich.
felix Salten (Wien).
ln höflicher Beantwortung Ihrer frage teile ich Ihnen
mit, dal) ich selbst weder Zeit noch auch die ITlittel habe,
irgend etwas oon den schönen Dingen zu sammeln, die
es in der Welt gibt und die ich wohl gerne sammeln
möchte. Jm übrigen ist wohl unter gebildeten Alenschen
kein Zweifel darüber, dal) wir dem Sammeln nahezu alle
unsere Kenntnisse einer fernen Kultur und oergangener
Kunstepochen oerdanken.
Regierungsrat Dr. Heinrich Steger,
Hat- und Gerichtsadookat (Wien),
Ich habe mich immer lebhaft für Ulanuskripfe musi
kalischer Herkunft interessiert.
Karl Graf Stürgkh,
k. k. minister für Kultus und Unterricht, Herrenhausmitglied etc., Wien
In Beantwortung des geschätjten Schreibens beehre
ich mich Guer Wohlgeboren mitzuteilen, dafj ich die
Sammlerbestrebungen oollauf würdige, jedoch selbst
nicht Sammler und daher auch nicht in der Hage bin,
eine Äußerung in der oon Ihnen besprochenen Angelegen
heit abzugeben.
Alma Tadema (Gondon).
People who, like myself, create works of art, do
not collect them: on the contrary, we live by selling
them to the collectors.
Beute, die, wie ich, Kunstwerke schaffen, sammeln
sie nicht: im Gegenteile, wir leben daoon, sie Sammlern
zu oerkaufen.
franz Tewele,
mitgüed des Deutschen Volkstheaters (Wien).
Jch bin leider kein Sammler, aufjer oon Grinnerungen
und abgebrauchten Witjen, aber ich glaube, dafj die Sammel
liebhaberei ihre Berechtigung hat.
Dr. Stephan Zweig (Wien).
Ich möchte heute nur in aller Kürze sagen, wie sehr
sympathisch mir der Gedanke eines oerniinftigen Sammelns
ist. Gine Sammlung kann für mein Gmpfinden fast ebenso
stark wie eine künstlerisch-schöpferische Begabung die
Individualität eines Alenschen ausdrücken; sie kann ebenso
wie etwa eine ganz aus persönlicher Kultur gestaltete
Wohnung gleich auf den ersten Blick die innersten intimen
fleigungen eines Alenschen oft deutlicher oeranschaulichen,
als seine Werke und Worte. Im innersten ist ja eine
Sammlung irgend eine Zusammenfassung der ganzen Aufjen-
welf unter einem Gesichtspunkt, ein grofjer Verzicht in einer
weisen Beschränkung, eine Konzentrierung des Besitjwillens
in eine einzige Ginie.
Im allgemeinen oerwechselt man Sammeln zu sehr
mit Giebhaberei. Sammeln ist mehr. Gs ist eine Bereicher
ung des Bebens (nicht sosehr durch den positioen Besifj)
sondern durch Gefühle. Wer nicht die freude kennt, irgend ein
fehlendes Stück einer Sammlung unerwartet zu gewinnen,
oder den Schmerz, die ungeheure ärgerliche Grregung es
oor seinen Augen in fremder Hand zu sehen, wer nicht
den aufreizenden Schauer der Auktionen, den oft mit un
hörbaren Schwingen einen streifenden Zufall kennt, wird
diese Alehrung an Bust und zornigem Gefühl nicht begreifen
können. Sammler sind für mich immer interessante
Alenschen und ich verweise nur auf Balzac, der in seinem
Werk diese Beidenschaftlichen als Bieblingsgestalfen wählte.
Sie, die sich selbst so ihr Beben an Intensität verstärken,
die, oon der ungeheuren Vielfalt der Begehrungen oerwirrt,
sich lieber ganz an eine hingeben, sind die einzigen, die
wirklich schöpferisch und unsterblich werden können. Wer
ist oon der ganzen epigonischen Hlünchener Dichtergene
ration berühmter, dauernd berühmter, als der Graf Schack?
Jch mufj nun allerdings zugeben, dafj das Sammeln
in unserer Zeit an Reiz oerloren hat, seitdem der „Alarkt“
zu sehr geschäftlich organisiert ist. Die höchste Bust des
Suchens in alten Büchern, alten Bildern, das Stöbern in
Bric-a-Brac ist fast ganz oerloren gegangen; heute ist alles
rubriziert, tariert, geschäht und beglaubigt und die Kunst,
eine schöne Sammlung sich anzuschaffen, identifiziert sich
mehr und mehr mit der noch größeren Kunst immer Geld
in großen Quantitäten zur Verfügung zu haben. Oder das
Seltenere: jenen dioinatorischen Scharfblick zu besitzen,
der schon heute das sammelt, was die nächste Generation
erst begehrlich finden wird. Die Brüder Goncourt waren
die künstlerischen Gntdecker-Sammler Japans: heute haben
nur JTlillionäre mehr die AJöglichkeit einer oollständigen
Ho-Ku-Sai-5erie. Und wer weifj die Hamen derer, die
heute schon das für die nächsten Jahrzehnte Bedeutsame
sammeln?
Ich persönlich habe schon in der Schule den Trieb
gehabt, Handschriften zu sammeln. Glücklicherweise habe
ich rechtzeitig erkannt, dafj man eine grofje Autographen
sammlung, die alle Rationen, alle Gebiete oereint, heute
nur mit immensen Geldmitteln sich anlegen kann. Und
habe mich beschränkt. Ich sammle heute nur Handschriften
(keine Briefe!) oon Werken, am liebsten oon Gedichten,
die ich persönlich liebe. Denn dadurch nur kann eine
Sammlung einmal Persönlichkeit zum Ausdruck bringen
und nur dadurch bin ich von den Alarkfpreisen ein wenig
unabhängiger, dafj meine persönliche Reigung mir den
Preis diktiert, Gin Gedicht oon Goethe („Zwischen Weizen
und Korn“) ist mein liebster Zimmerschmuck, ein paar
herrliche Verse oon Genau, AJörike, Conrad ferdinand
AJeyer, fontane, Verlaine, Storm, mein immer wieder erneuter
Stolz. Die Generation oon heute hilft mir durch Geschenke
ihrer Rlanuskripte ab und zu freundschaftlich mit, so dafj
ich Hoffnung habe, einmal eine, wenn auch mit zu be
scheidenen Rütteln begonnene Sammlung wachsen und
sich organisch entwickeln zu sehen, die eben nur mir gehört
und meinen persönlichen Geschmack ausdrückt. JTlögen
andere oorziehen, diesen ihren indioiduellen Geschmack
durch die färbe ihrer Krawatten zum Ausdruck zu bringen;
ich liebe meine Art, bin ihrer froh. Und habe vom Sammeln
für die paar Ärgerlichkeiten bisher immer nur siebenfache
freude gehabt.
(Wird in der nächsten Rümmer fortgesetjt)