Hummer 14.
internationale Sammler-Zeitung.
Seite 211.
geworden. Oie literarische oder wissenschaftliche Verwertung
seiner Schäle lag ihm natürlich ganz fern; seine Bildung
reichte nur gerade hin, den Handelswert der gesammelten
Blätter zu oerstehen. Als Kunsthändler hatte er sich
durch seine Sammlung oon Dürer’schen Handzeichnungen
Ruf und Vermögen erworben. Flach seinem Tode ging
seine Autographensammlung an das berühmte Antiquariat
oon FFleyer Cohn in Bonn über und wurde in alle Rich
tungen der Windrose bei der Versteigerung zerstreut.
Solcher Passionen und solcher Opfer bedarf aber die
Sammlerlusf, um besonders Werfoolles zu schaffen.
Hofrat Dr. Heinrich Obersteiner,
Unioersitäfsprofessor (Wien).
Der Ausdruck „Sammeln“ ist ein recht weiter Be
griff, sowie der des „Sammlers“. Schließlich „sammelt“
jeder FFlensch, und wenn nichts anderes, so Geld, oder
wenigstens Crfahrungen. Ernstlich in Betracht kommen
kann nur das Sammeln, Zusammenstellen mehr oder minder
oerschiedenartiger Objekte, die anderseits durch eine oder
mehrere gemeinsame Cigenschaften zu einander gehören
sei es, daß es sich um alle palaeolilischen Gebrauchs
gegenstände, um alles, was Wien betrifft, oder um alte
Schlüsse! handelt — eoentuell um alles, was durch seine
Schönheit als Kunstgegenstand bezeichnet werden darf.
Während aber leßtere an und für sich schon dem
Besißer freude und Genuß bereiten, wird durch die meisten
anderen Sammlungsarten oielfache Anregung und Belehrung
geboten, einerseits durch Vergleich nahestehender Objekte,
anderseits durch die oielen Aufschlüsse, die sie in den
oerschiedensten Richtungen (historisch, ethnographisch, na
turwissenschaftlich, technisch usw.) dem mit ihnen näher
Vertrauten gewähren.
Daß das Sammeln selbst, die damit oerbundenen
Schwierigkeiten und Aufregungen, das off oiel Kenntnis
und Geschicklichkeit erfordernde Aufsuchen der Gegenstände
einen ganz besonderen Reiz ausüben, aber damit auch
erfrischend auf den Geist und anregend, die Beobachtungs
gabe schärfend wirken, ist eine alte Erfahrung. Allerdings
sind auch die schlechten Seifen des Sammelns nicht ganz
zu übersehen, doch sind es durchwegs solche — ich brauche
sie nicht näher anzuführen die schon im Charakter des
Indioiduums liegen und nur durch den unbezähmbaren
Sammelfrieb gesteigert werden.
Jch bin also der FReinung, daß ein uernünftiges
Sammeln im Bereiche der Verhältnisse des einzelnen eine
nußliche und lobenswerte Beschäftigung ist, die dem Be
treffenden nicht bloß freude, sondern auch höhere Befrie
digung und Belehrung oerschafft.
ITleine eben angegebene Anschauung kann ich, wenn
auch kein eigentlicher Sammler, doch aus eigener Crfahrung
ableiten. Jch habe zum Beispiele mich bemüht, eine An
zahl oon Volksliedern der oerschiedensten Völkerschaften zu-
sammenzusfellen und in dem Vergleiche dieser Fieder, so
wie in ihrer Beziehung zum Charakter des betreffenden
Volkes oieles gefunden, was mich lebhaft interessiert.
Von meinen sonstigen kleinen Sammlungen will ich
nicht sprechen, ebensowenig oon meinen wissenschaftlichen,
d. i. meiner Bibliothek und der Präparatensammlung.
Heinrich Rauchinger,
Kunstmaler (Wien).
Ihrer Aufforderung, meine Ansichten über das Sam
meln kundzugeben, komme ich gerne nach.
Beim bildenden Künstler entspringt das Sammeln aus
der Flofwendigkeif, die in seiner speziellen Kunst selbst
gelegen ist. So wird unbewußt fast ein jeder FFlaler —
Sammler. Sein fach in der Kunst spezialisiert ihn in dieser
Betätigung. Wenn mich beispielsweise ein alter, toniger
Gobelin, den ich mir gleich als prachtoollen Hintergrund
für ein frauenbildnis denke, zum Besiße reizt, so wird
meinen Kollega Schlachtenmaler wieder ein alter Sattel,
mit rostigen, wuchtigen Bügeln dran, in helle Begeisterung
oerseßen, so wie ich es weiß, daß FFleister Defregger,
um in seiner Heimat irgend einen alten feßigen, historischen
Hut zu erwischen, keinen Weg gescheut hat.
Um auf mich selbst zurückzukommen, so habe ich
an allem, was schön in form und färbe ist, ein hohes
Vergnügen. Jch gehe soweit, Ihnen zu beichten, daß mir
der Sinn für Archäologie und Raritäten oollständig abgeht.
Jch sammle, doch ohne jedes System, heute erstehe ich einen
ostindischen Seiden-Shawl, den Träger einer märchenhaft
schönen farbenargie, morgen hinwieder kaufe ich mir eine
moderne unschuldig weiße Schale, die durch ihre feine Finie
mein Herz gefangen nimmt. Beide will ich besißen, mit
dem Hintergedanken, sie irgendeinmal in einem Bilde als
Beiwerk anzubringen.
Alfred Sdiik uon Itlarkenau (Wien).
Jeder FFlensch scheint mir beneidenswert, der sich
auf irgend einem Gebiet als eifriger Sammler zeigt. Wer
Sammlungen pflegt, beweist ja, daß es ihm nicht an
Sammlung fehlt, daß er es oersteht, sich inmitten des
Kampfes ums Dasein ein Ruhepläßchen zu schaffen, auf
das er sich zurückziehen kann, wenn er an allen Arger,
an die Sorgen und Enttäuschungen oergessen will. Die
freude zu sammeln ist entweder ein gewisser Grad oon
Febensphilosophie oder ein Kunstsinn, zumindest aber der
edelste Sport.
Ich selbst bin nur ein „Quartal-Sammler“. Jch
sammle nämlich die „Extra-Ausgaben“ der Tagesblätter,
die bei großen Sensations-Ereignissen ausgegeben werden.
Flach oielen Jahren ist es oon eigenartigem Reize, zu er
sehen, in welcher (oft auch ganz unrichtiger) form die
erste Kunde oon zuweilen welthistorischen Ereignissen
in die Öffentlichkeit kam. Ein Stück Weltgeschichte im
Spiegel zeitgenössischer Berichterstattung.
Dr. Robert Ritter uon Töply,
Unioersitatsprofessor, Oberstabsarzt etc. (Wien).
Das Sammeln beschäftigt den Geist und den Körper.
Es fördert die Regsamkeit, schärft das Beobachtungsoermögen
und das Llnterscheidungsoermögen, erweitert den Gesichts
kreis und fördert die Fust an ernster Betätigung. Systema
tisch, selbst im kleinsten Umfange betrieben, oermag es
der fachmännischen forschung wertoolle Beiträge zur weiteren
Verarbeitung zu liefern. Es ist daher oon wissenschaftlicher
Seite willkommen. Blinde Sammelwut ohne genaue Kennt
nis des Stoffes und ohne Abgrenzung des Umfanges der
Tätigkeit ist geschäftiger ITlüßiggang oder ziel- und zweck
lose Kraftoergeudung und ebenso oerwerflich wie irgend
ein Faster.
Jch selbst oerdanke meiner Sammelliebhaberei die
oergnügtesten Stunden geistigen Aufatmens. Sie beschränkt
sich auf erlesene kunstgewerbliche Gegenstände kleineren
Umfanges, stets mit dem Vorbedacht erworben, ob sie wert
wären, auch in einem ITluseum Plaß zu finden. Jch habe
mit ungefähr 25 Jahren angefangen, und hoffe erst am
Febensende damit aufhören zu müssen. Enttäuschungen sind
selbstoerständlich auch mir nicht erspart gewesen. Dennoch
kann ich nur jedermann wünschen, sooiel reiner freuden
genossen zu haben, als mir das Sammeln bisher bereitet hat.
Wer jedoch sammeln will, muß genau darauf achten,
welchen Wert und welche Bedeutung die Gegenstände des
eigenen Jnteressenkreises besißen, ob sie des auf die Er
werbung oerwendefen Geldes und der aufgewendeten ITlühe
wert sind. Ohne ITlusealkenntnis und ohne Fiteraturkenntnis
sowie ohne Kenntnis der FFlarktpreise erlebt man nur zu
leicht Beschämungen oor anderen, und was weitaus miß
licher ist, oor sich selbst.