Seife 228.
Internationale Sammler-2eitung.
Hummer 15.
ligen Kerne zeigende Granatapfel in der Hütte der Komposition
der, als Symbol der christlichen Caritas, im besonderen uon den
Barmherzigen in Anspruch genommen roird. Dieser Umstand er
möglicht auch eine ziemlich genaue Datierung dieser charahter-
uollen kunstgewerblichen Arbeit: 1757 sind die Barmherzigen nach
Hinz gekommen und haben sich zuerst in dem Gebäude der späteren
Trainkaserne angesiedelt, das sie 1789 wieder oerließen, um einem
militärischen Crzichungsinstitut Plaß zu machen.
Hoch tiefer in die Geschichte der Stadt Cinz als dieses Stück
reicht der Ursprung des gewaltigen barocken Glasfensters aus
dem Depot der Stadtpfarrkirche zurück, das mit seinen ältesten
erhaltenen Scheiben noch aus der zweiten Hälfte des 17. Jahr-
hunderfs stammt. Cin großer Teil der bemalten Scheiben ist um
die mitte des 19. Jahrhunderts nach den alten mustern ergänzt
worden. Die Komposition zeigt schweren barocken Charakter und
ist die freistilisierte Darstellung einer Altarmensa mit darauf
stehenden Vasen und einer darüber schwebenden ITlonstranz. Sehr
schön ist der farbige Eindruck des fensters, das im Gang des
ersten Stockwerkes des llUiseums einen heroorragenden Plaß ge
funden hat; cs kam als Geschenk des Stadtpfarramtes an das
lAuseum.
Diesen gewichtigen Bereicherungen der kunstgewerblichen
Sammlungen schließen sich zwei zierliche Alt-Cinzer Werke der
Kleinkunst an, uon denen das ältere, ein mit JTlalereien ausge
stattes Hochzeitskarmen aus dem Jahre 1647, aus Deutsch
land käuflich erworben wurde. Das große Blatt, handgeschöpffes
Papier in Royalfolio, zeigt in der mitte ein uornehm gekleidetes
bürgerliches Ciebespaar, er in Wams, Pluderhosen, Strümpfen mit
Kniebändern ä la maluolio und mit Schnallenschuhen, sie mit der
mühlsteintörmigen „Kräse“ um den Hals und im Reifrock, in der
linken ein zierliches Spißentiichlcin; über den beiden schweben
zwei buntgeflügelte, palmenschwingende und kranzfragende Genien,
zu ihren fußen schnäbelt ein weißes Taubenpaar. Die Akrostichen
zur Cinken und zur Rechten der Darstellung oerraten uns auch
die llamen des glücklichen Pärchens; er hieß Adam Venediger,
sie Anna Ataria Springerin. Die treuherzigen Gedichte erschöpfen
sich in Ciebesbcfeuerungen und sind abwechselnd dem jungen
HJann und der jungen frau in den Itlund gelegt.
Alte Sfammbuchblätter aus demselben Besiß wie das
Hochzeitskarmen, die aus dem 16. und 17. Jahrhundert stammen,
machen es wahrscheinlich, daß die aus den gelehrten humanisti
schen Kreisen Sienas stammende familie der Venediger schon zu
Beginn des siebzehnten Jahrhunderts nach Cinz kam, wo 1619
ein Alban Venediger „Beider Rechten Doktor und der Stadt Cinz
bestellter Aduokat“ auftaucht. Ein Sohn dieses Alban dürfte unser
Adam sein, der Dielleicht ITlagister an der ständischen Schule ge
wesen ist und dem etwa ein anhänglicher und kunstbegabfer
Schüler das bildgeschmiicktc Karmen zu seinem Ehrentage gewid
met haben mag.
Ein anderes zierliches Zeugnis oon Alt-Cinzer Kunstfertigkeit
ist das reizende Geb et büch lein, das Herr Rücker, emeritierter
Apotheker in Cinz, nebst zwei wertuollen alten Rosenkränzen
dem Iltuseum gespendet hat. Es ist ein zierlich handgeschriebenes»
pergamentenes Gebefbüchlein aus dem Jahre 1700, in Duodez, in
rotem Plüsch gebunden und mit reizenden Schlieijen in Silberfiligran.
Seine besondere Bedeutung erhält diese fleiß- und Geduldarbeit
durch die reichen Umrahmungen der lllalereien, die sämtlich in
Pergament ausgeschnitten sind. Die lllalereien selbst stellen nor-
wiegend die Heiligen dar, die in den Gebeten angerufen werden,
sind aber auch zum Teil allegorischen Charakteis (z. B. ein Engel,
der mahnend auf das Zifferblatt einer Stundenuhr oerweist, das
Totengerippe mit Schaufel und Sanduhr), oder rein ornamental.
Direktor Ubell bezeichnet dies Gebetbüchlein als die hübscheste
und minutiöseste Arbeit in Pergamenfschnitt, die ihm bis jeßt uor-
gekommen ist.
Des weiteren erwähnt Herr Ubell einer Handschrift, die die
Antiquitätenhändlerin frau Töpfer in Cinz dem llluseum geschenkt
hat. Es ist ein 175 folioseiten umfassendes Jnuentar der Kunstkammer
in Windhaag, welche, wie der Titel besagt, „meistenteils durch
weiland den wohl cdelgeborenen Herrn Christof Adam Hornberger
oon Egenberg, des Erzherzogtums Ob der Enns Erbkämmerer“ nom
Jahre 1615 bis zum Ende seines Cebens „mit großer mühe und
Unkosten zusammengetragen“ wurde. Geschrieben ist das Inoenfar
1666. Diese Kunstkammern in Schlössern der Adeligen waren nun
bekanntlich in Dielen Stücken die Vorläufer unserer heutigen
Illuseen, worüber man sich aus dem schönen Buche Julius uon
Schlossers über die „Kunstkammern“ unterrichten kann. Das Wind-
haager ist das erste Jnuentar einer oberösterreichischen Kunst
kammer, das bis jetjt zum Vorschein gekommen ist, und enthält
einen nach sachlichen Gruppen geordneten Katalog der großartigen
Sammlung, die Ulünzen, ITledaillen, Plaketten, ITlusikinstrumente,
kunstreiche Uhren, Raritäten, Vogeleier, rare Steine, Wachs-
bossierungen, Perlmutter- und Elfenbeinschnißereien, Hafnerarbeiten,
Gemälde, Glasmalereien, Kostüme, wissenschaftliche Instrumente
und noch alles mögliche andere umfaßte.
Die Sammlung oberösterreichischer Justizalfertümer ist durch
ein sehr repräsenfables Objekt bereichert worden, durch ein
mächtiges altes marktrichterschwert aus St. florian, das uon
dem Arm eines IJJarkfpolizisten getragen wird; der Arm selbst
ragt aus einem prangerartigen Pfahl heraus. Das ganze ist aus
Holz und in den alten färben bemalt; UJanschetfe und Ärmel,
sowie die form des Schwertes weisen auf das 17. Jahrhundert.
Solche Wahrzeichen, Symbole der JTlarktgerichtsbarkeit (als welche
anderwärts auch Schilde, Kreuze, fahnen, Hüte und Handschuhe in
Verwendung kamen), wurden am Tage uor der Eröffnung des
niarkfes gewöhnlich bei der Kirche aufgerichtet (oergleiche Stein
hausen, Geschichte der deutschen Kultur, Seite 106) und dienten
als drohende und schreckende äufjere Zeichen der JTtarkfgerichts-
barkeit (die dem Dorfe St. florian durch Kaiser friedrich IV. bereits
im Jahre 1493 nerliehen worden ist; die Urkunde ist abgedruckt
bei Kurz, Österreich unter Kaiser friedrich IV., Seite 307). Das
alte marktrichterschwert hat neben den drei altehrwürdigen
Warnungstafeln aus dem Cinzer Candhause Plaß gefunden, die
neben ihren Inschriften einen ähnlichen Arm samt Schwert auf
gemalt zeigen. Das schöne Justizalterfum ist ein Geschenk der
niarktkommune St. florian.
Schließlich hebt Direktor Ubell noch ein Zimmermanns
meisterstück aus den ersten Jahrzehnten des uorigen Jahr
hunderts heroor, das Herr Stadler, Priuatier in Cinz,
dem flluseum gespendet hat. Es ist eine einen JTloter hohe,
phantastische dreistöckige Architektur, die aus ausgestochenen
Holzklößchen und ähnlichem Holzfiligran derart zusammengeseßt
ist, daß das ganze Gebäude mit der Ausstattung seiner Säle uon
allen Seiten durchsichtig bleibt. Wunderbar zierliche Hängeleuchter
hängen oon den Plafonds, die fußböden sind mit Buntpapier aus
geklebt, Tischchen und Stühlchen stehen in den Zimmern einladend
herum. Das ganze ist die erfindungsreiche Geduldarbeit der
Hlußestunden uielleicht eines ganzen Jahres und erinnert an ähn
liche liebeoolle „Bastler“-Produkte, wie sie Gottfried Keller, der für
solche kuriose Dinge eine merkwürdige Vorliebe hafte, in seiner
wunderbaren Handwerkernooelle „Die drei gerechten Kammacher“
mit Humor und unoerkennbarer Sympathie beschreibt.
sD © &