Internationale
Zentralblaff für Sammler, Oebhaber und Kunstfreunde.
1. Jahrgang.
Herausgeber: Herbert ehrlich und J. Hans Prost.
Wien, 15. September 1909.
Hummer 16.
Der Wert des Sammelns.
Eine Rundfrage.
(Schluß.*)
feit der Publikation der Beiträge über den Wert
des Sammelns in den beiden Augustnummern
unseres Blattes sind uns noch höchst anregende
Zuschriften non Hermann Bahr, dem lllaler
Egger-Eienz, Professor Dr. Eudwig Gurlitf
und einem Wiener Sammler, Dr. Julius Krueg,
zugekommen, die mir unseren Eesern nicht
oorenthalfen können.
Wir beschließen mit diesen Äußerungen
zugleich unsere Rundfrage, die, mir dürfen es mit Genug
tuung heruorheben, in den weitesten Kreisen Interesse
gefunden und oielfach coerfoolle Anregungen ausgestreut hat.
Die Zuschriften lauten:
Hermann Bahr (Bayreuth).
Ich bin ein sehr eifriger Sammler, nämlich uon
Ulenschen. Doch ist meine Sammlung, troß aller lllühe,
bisher sehr klein geblieben.
Hlbin €gger-Cienz,
ITlalcr (Cienz).
„Sammeln“, ohne damit einen höheren Zweck im
Auge zu haben, wie etwa das Zusammentragen zu einem
Werke der Kunst oder der Wissenschaft, oder wie ihn im
allgemeinen das Sammeln für Volksbildung (Jllusealzmeck)
darstellt, hat nach meiner Ansicht keinen besonderen
ästhetischen Wert, als den des Zeituertreibes.
Ich wurde zum Sammler Tirolensiens (speziell über
das Kriegsjahr 1809 Tirol) durch die notwendigen Studien
zu meinen Bildern aus jener Zeit. Das Wertoolle wie das
minderwertige wurde mit einem wahren Heißhunger „alles
zu besißen“ zusammengetragen, mit dem Reiz der ahnungs-
uollen Hoffnung, da oder dort auf klares Wasser eines
Chronisten zu treffen. Jedoch nur zwei Bücher nielleicht
aus meiner nun einen ganzen Koffer füllenden Tirolensias
boten mir brauchbare Anhaltspunkte. Der Besiß aller
übrigen derartigen Publikationen deutet, wie ich jeßt sehe, auf
einen damals durch die Flotwendigkeit erwachten, jedoch
Siehe )1o. 13 und 14 der „Internationalen Sammler-Zeitung“
nom 1. und 15. Rugust.
nach einigen Jahren wieder nerflüchteten „Sammeltrieb“,
ohne welchen ich nicht zu der mir heute so liebgewordenen
Tirolensiensammlung gekommen märe.
Professor Dr. Cudtuig Gurlitt, (Berlin-Stegliß.)
Ich schäße den Wert des Sammelns hoch ein und
bedauere, daß mir zum Sammler wichtige Eigenschaften
fehlen. Als Erzieher uon Beruf möchte ich eine systematische
Anleitung zur Sammlung befürworten. Im Grunde ist jeder
Gelehrter schon Sammler. Der Grammatiker sammelt Sprach-
erscheinungen und seine Grammatik ist das Ergebnis seines
Sammeleifers und Ordnungssinnes. Ebenso muß der Bo
taniker, der Geologe, der Chemiker Erscheinungen sammeln,
um aus ihnen seine „Geseße“ abzuleiten. Zum ordentlichen
Sammeln braucht man eine Reihe wertuoller Charakter
eigenschaften und Fähigkeiten: Begeisterung, Gründlichkeit,
Ausdauer, Ordnungssinn, auch — zur Scheidung uon echtem
und unechtem — gediegene Kenntnisse und unbestechlichen
Wahrheitsdrang und Rechtssinn.
Ich selbst habe als Knabe Briefmarken gesammelt.
Habe dabei uiel gelernt und uiel Vergnügen gehabt. Jeßt
ist die Sammlung in den Händen meiner Kinder. Flach
oierzig Jahren kann ich noch uon den Gelegenheiten er
zählen, als ich diese oder jene seltene IJJarke erwischte.
Ich habe gleich gute Wirkung an meinen Kindern beobachtet:
sie haben an dieser Sammlung zugleich uiel Erdkundliches
und Geschichtliches gelernt, beim sinnigen Betrachten der
oielgestaltigen Briefmarken ihre ästhetische freude gehabt
und ihr Geschmacksurteil gebildet, haben manche Stunde
still über diesen kleinen Bildern gesessen, und in dieser
Zeit jedenfalls nichts Schlimmes gedacht und getan. So
werden uiele Knaben und UJädchen durch Sammeleifer
stark in Anspruch genommen und spielend den Wissen
schaften und Künsten nahegebracht.
Jeßt sammeln und ordnen meine Knaben Blumen für
ihr Herbarium. Dadurch wird wieder ihr Beobachtungs
sinn und ihre Ordnungsliebe stark angeregt. Sie lernen
dabei auf Dinge achten, an denen andere uöllig gleichgilfig
uorübergehen und geben ihrer Flaturfreude durch stets neue
Exemplare ihrer Sammlung eine wirksame Gedächtnisstütze.
Sehen sie nach Jahren diese Blumen wieder, dann stellen
sich in der Erinnerung gleich all die frohen Stunden wieder
ein, in denen sie auf den Bergen der Steiermark die Blumen