Internationale Sammler-Zeitung.
Seite 242.
pflückten. Sie schaffen sich aus eigener Kraft einen Besiß,
der ihr eigenes Beben bereichert und mit dem sie auch
anderen JTtenschen freude und flutjen stiften können. Das
Sammeln, Pflegen, Pressen, €inordnen und flufspannen der
Pflanzen erfordert auch fleiß und Geduld und führt zu
einer roertoollen Kennerschaft.
Ich möchte allgemein behaupten: Sammler sind
Hlenschen uon ruhiger und behaglicher Gemütsart. Ich
habe jedenfalls zu ihnen unwillkürlich ein stilles Vertrauen,
ebenso roie zu Vogelzüchtern und Gärtnern. Wer sammelt,
hat den Trieb zu erhalten, zu pflegen, zu ordnen. Ich
glaube nicht, daß ein Wüstling, Sauf- oder Raufbold Sammler
sein könnte. Daher meine Überzeugung: „Wo man sammelt,
laß’ Dich ruhig nieder!“
Dr. Julius Krueg (Wien).
Gestatten Sie, dal) ich der frage, warum mir eigent
lich sammeln, non naturwissenschaftlicher Seife näher
trete, uoobei ich allerdings oorausseße, daß heutzutage jeder
Gebildete, mehr roeniger mit den entcoicklungsgeschichflichen
Theorien, die sich an den Hamen Dartoin knüpfen, oer-
traut ist.
An die Spiße meiner Ausführungen inill ich gleich
das Ergebnis seßen: „Wirsammeln, folgend einem ererbten
Triebe, geradeso roie roir körperlichem Sport nachgehen“,
alle anderen Erklärungen dafür sind sozusagen nur
Ausreden.
Stellen roir uns einmal unsere Altoordern oor, bei
läufig in der Zeit der lllenschroerdung, also oiele Jahr
tausende oor der historischen Zeit. Sie lebten in Horden
oon einigen familien zusammen, soroie noch heutzutage
manche Reste oon llafuroölkern und einige Arten oon —
Affen. lTaturgemäfj blieben die Weiber mit den Kindern
im Hager, während die lllänner ausschroärmten, um Brauch
bares für den Unterhalt zu suchen, mancherlei Kleintier
mögen sie nachhause gebracht haben, friichte und Körner,
fische und muscheln, aber auch besondere harte oder
glitzernde Steine aus den Gebirgsbächen. Zuhause rourde
dann gesichtet, die Hausfrauen behielten, roas sie zur
nahrung, zum Schmucke, oder als Werkzeug oerroenden
konnten, oerachtefen aber das übrige, das ihnen zwecklos
erschien und roarfen es fort. Beicht können aus leicht
sinnig roeggeroorfenen Grassamen die ersten felder ent
standen sein, roie aus abgegangenen fruchtkernen die
ersten Gärten und aus heimgebrachfen jungen Tieren die
ersten Haustiere.
Die Ethnographen haben endlich erkannt, dafj die
alte Einteilung der Urüölker in „Jäger“ und „Acker
bauer“ nicht mehr stimmt und haben die „Sammler“
als die älteste form menschlicher Gemeinsamkeit prokla
miert. Übrigens roird ja roeit hinaus über die nächste
Verwandtschaft der JTlenschen oon den oersdhiedensten
Tieren Sammeltrieb betätigt und auch da nicht immer um
der nahrungsmittel roillen allein, ich will nur an die all
bekannten einheimischen Beispiele erinnern: Hamster,
Bienen, Elster.
Also der Sammeltrieb entwickelte sich uom Uranbe
ginne der werdenden menschen, war ihnen nüßlich, die
besonders damit begabten familien kamen deshalb besser
oorroärts und oererbten den Trieb ihren lJachkommen.
freilich ist nun der Zusammenhang längst oermischt, nur
die Kinder bekunden in ihren Spielen die dunkle Erinnerung
an die alte Zeit. Unser Kulturleben hat so lange schon
andere Erroerbsformen eingeführt, dafj dafür der alte Trieb
oft eher schädlich als nütjlich sich erweist. Es geht damit,
roie mit den Resten alter außer Gebrauch gekommener
Organe, beispielsweise dem uielberühmf gewordenen Wurm
nummer 16,
fortsaß, der bei den nagetieren und selbst noch bei den
Halbaffen einen roohlausgebildefen, nüßlichen zweiten
niagen darsfellt und bei den Kulturmenschen höchstens
mehr den Ghirurgen nüßlich roird, die ihn herausschneiden.
Decken sich aber einmal Sammel- und Erroerbsfrieb, dann
gibt es aber auch einen besonderen Aufschwung, roofür
die Entwicklung des Briefmarkenhandels ein lehrreiches
Beispiel liefert.
merkwürdig ist, daß sich der Sammeltrieb aus der
Zeit seiner Entstehung her oorroiegend beim männlichen
Geschlechte erhalten hat; roenn flauen mittun, so geschieht
das geradeso roie beim Körpersport, geroähnlich aus anderen
ITlotioen; auch heute noch möchten die frauen die Samm
lungen der lllänner, soweit sie ihnen nicht unmittelbar
nüßlich erscheinen, am liebsten roegroerfen, nur die Vorliebe
für die glißernden Steine ist ihnen aus der Urzeit erhalten
geblieben.
Und nun noch einige Worte über den Wert des
Sammelns. Aus den in der Urzeit zusammengetragenen
Steinen entwickelten sich Werkzeuge und Waffen, dann
die Kenntnis der nietalle und ihre Verwendbarkeit, oiel
später die Wissenschaften lllineralogie und Ehemie. Aus
den heimgebrachten Hölzern und früchten, Bauwerk und
Hausrat, dann der Ackerbau als Grundlage aller Kultur,
in später Zeit die Wissenschaft der Botanik etc. nebenbei
bemerkt, entstammen die heute noch am meisten beliebten
Konseroen der uralten Sammeltätigkeit, da eingetragene
Vorräte durch alkoholische, essig- oder milchsaure Gärung
scheinbar oerdarben und hinterdrein doch besonders schmack
haft befunden wurden und fleischstücke, in der beständig
oom Herdrauche durchzogenen Hütte aufgehangen, nicht
faulten. Das Sammeln oerschiedener fremdartiger Tiere,
besonders das Konseroieren der Toten, hat sich roohl erst
mit der Anlegung oon Raritätenkabinetten entwickelt, aber
roas ist daraus geworden: Zoologie und oergleichende
Anatomie usro. und damit die Erkenntnis oom Werdegange
aller Organismen mit Einschluß der Hlenschen! ln den
Raritätenkabinetten waren roohl auch die ersten Auf
sammlungen oon alten lllünzen, Grabfunden, Steinen mit
Inschriften u. dgl. und roie rourde dadurch die prähistorische
und historische forschung gefördert. Was endlich sollten
roohl die sämtlichen Gelehrten jeglichen faches anfangen,
roenn oor ihnen nicht andere Beute die Gedanken und
Befunde der Vorgänger in Bibliotheken aufgesammelt
hätten?
Das nur in wenigen, nur in den gröbsten Zügen über
den Rußen der Sammeltätigkeit für die Allgemeinheit.
Der Einzelne folgt seinem dunklen Drange, ohne daß er
deswegen an irgend einen nußen zu denken braucht. Was
er sammelt, das ergeben die Umstände, unter denen er
lebt, „sammelroürdig“ ist natürlich alles, roas ihm
freude macht, mag es auch späterhin als kindischer Tand
wieder roeggeroorfen werden. Ausroüchse gibt es selbst-
uerständlich dabei gerade so roie auf jedem anderen
Gebiete.
Zweifachen erzieherischen Rußen hat aber jede
Art des Sammelns. Es lehrt den Sammler die Objekte
seines Interesses genauer an sehen und aus ihrer Um
gebung herausfinden und die Übung, die er dafür gewinnt,
ist nicht ganz oerlaren für das übrige Beben. Es lehrt
aber auch feine Unterschiede zwischen scheinbar gleich
artigen Gegenständen erkennen, führt dadurch dazu, Ein
teilungen und Kategorien zu machen, also zur ersten Stufe
genauerer üaturerkenntnis. In meiner Jugend wurde mir
in der Schule gesagt: „Alles roas man in ein System
bringen kann, ist eine Wissenschaft.“ Darüber ließe sich
nun allerdings streiten, sicher richtig ist aber der oiel
ältere Saß: „Qui bene distinguit, bene docet“.