Seife 244.
Internationale Sammler-Zeitung.
Hummer 16.
Rite Jagdgewehre.
Von Richard Cisenmenger, lüien.
Schienen und Treffen sind immer zroei grundoer-
schiedene Dinge gemesen, das muß jedermann bestätigen,
der auch nur einmal in seinem leben ein Schießeisen in
der Hand hatte und die Kugel fliegen ließ, früher roar
das ITlißuerhälfnis zroischen diesen beiden für den Jäger
so trächtigen faktaren aber ein nach oiel krasseres als
heutzutage und nur die unuergleichlich größere ITlenge
jagdbaren Wildes, das zur Zeit der Radschloßgeroehre, der
feuersteinflinte und der glattläufigen Vorderlader die unuer
gleichlich größeren und ruhigeren Wälder belebte, machte
überhaupt die Jagd möglich. Solch scheuerer unhandlicher
Schießprügel, der lange Zeit höchst sachgemäß „behandelt“
werden mußte, ehe der Jäger schußbereit roar, erscheint
dem modernen Schüßen, der an Hammerieß, roenn nicht
gar an irgend ein Repetiergeroehr gewohnt ist, einfach
als ein grauenhaftes ITlonstrum. Und doch gibt es sogar
in unseren Tagen noch Jäger genug, die mit nichts an
derem schießen, als mit der entseßlich uerbeulten feuer-
steinflinfe des llrgroßoaters, die höchstens oon irgend
einem Tausendsassa non Dorfschmied, der beim ITliiitär
gedient hat, uor langen Jahrzehnten in ein Kapselgeroehr
umgeroandelt rourde. Zu interessanten Begegnungen dieser
Art hat man noch immer Gelegenheit, roenn man in
Gegenden kommt, roohin durch natürliche Sperren die
Wellen des Tebens erst ein Jahrhundert später mit ihren
äußersten, schon kaum mehr erkennbaren Ringen gelangen.
Solche Tänder roaren bis uor kurzem ganz und sind es
heute noch teilweise die roilden Berge an der rumänischen
Grenze, die bosnischen Hochebenen und die Schluchten der
Herzegowina. Da kann man noch trompefenförmige Häufe
uon ITlanneslänge und elegant zugespitzfe feuersteine in
lebendiger Anwendung sehen. Und die Besitzer sind damit
ganz zufrieden, sie schießen aus diesen Töchern mit Visen
herum und treffen merkroürdigerroeise sogar. Auch in
Galizien, ja sogar in den Bergen Tirols, der grünen
Steiermark, in Kärnten und Krain kann man — roenn
man das Glück hat, sich das Vertrauen des Besitzers zu
erwerben — solche uralte Schießeisen hie und da noch
sehen, die für gewöhnlich allerdings auf das sorglichste
oerborgen roerden.
Die Sammler und die Gesetzgebung haben merk
roürdigerroeise diesen Waffen den gleichen Hamen gegeben:
sie heißen „Hausgeroehre.“ Vom Vater auf den ältesten
Sohn oererbt sich das Haus, und mit dem Haus das
Schießeisen, dem in uielen fällen bedeutend mehr Sorg
falt gewidmet wird als der baufälligen Baracke, die den
Hamen „Haus“ eigentlich gar nicht oerdient. Aber Haus
und Geroehr kriegt der älteste Sohn als Vrbe — das ist
einmal nicht anders. Und da auf diese Weise beide
Besißtümer in innige Beziehung gebracht erscheinen, kam
dies auch in der Bezeichnung zum Ausdruck. Zum Haus
gehört das Hausgeroehr. Vs ist der Stolz des Besißers,
und zroar oft mit Recht.
Vs gibt solche Geroehre, die schon oiele Generationen
überdauert haben. In früheren Zeiten, als der Bauer in
der einschicht, roeitab uon den benachbarten Siedelungen,
sein eigenes und das Heben seiner Angehörigen und seinen
Viehstand gegen oierfiißige und oielleicht noch öfter gegen
grimme zweifüßige Räuber verteidigen mußte, als noch
Wolf und Bär in unseren Alpen nicht selten roaren und
in trauter Abwechslung mit ihnen roüste Raubbanden,
verlotterte Tandsknechte oder sonst irgend ein Haufe raub
gieriger Gesellen ziemlich frei und ungeniert durch die
Tande zogen, da hatte das „Hausgeroehr“ oft die ent
scheidende Stimme, uon ihm hing die Rettung oder der
Untergang ab. Vs ist daher nicht auffallend, daß die
Vigentümer solcher altehrroürdigen Waffen zäh und fest
an ihrem Besiße hängen. Solch ein altes Bäuerlein, das
einst als junger Grasteufel dabei roar, roie sein Vater mit
dem ererbten feuerrohr offen und frei dem Raubgesindel
jeder Art entgegentrat und schön heimlich und oerborgen
seiner Jagdlust auf „besseres“ Wild fröhnte, ist nicht im
stande, sich sein Haus ohne diese Waffe zu denken, die
schon sein Urgroßvater ererbte und die der Großvater
in der Stadt „ganz neu“ herrichten ließ. Unter „ganz
neu“ ist natürlich im besten falle die Umwandlung in
einen Kapseluorderlader zu oerstehen. Und da kann den
Alten das höchste Gebot an Geld, die schönste Waffe als
Tauschobjekt nicht oerlocken, „sein“ Gewehr herzugeben,
Vr wahrt der Waffe, roenn ihn nicht die härteste llot zum
Verkauf treibt, die Treue, die sie seinen Voreltern so oft
in Drang und Gefahr erroiesen.
Heroarragend schön sind diese uralten Gewehre mahl
nur sehr selten, wenigstens ich habe nur wenige solche
W 7 affen gefunden, die Anspruch auf Kunstroerf erheben
durften. Vinzelnes ist allerdings auch da zu finden, das
in Silber und Gold, in prächtiger Ciselierung und schön
geschnißtem Schaft stolz und prahlerisch nicht zu der
armseligen Umgebung paßt.
Vin solches Prachtstück sah ich einmal an der
südungarischen Grenze bei einem rumänischen Waldhüter.
Ich ging dort im Urwald spazieren, mein Begleiter roar
etwas zurückgeblieben, um den miserablen Zigeuner, der
unsere Pack- und Reitpferde zu besorgen hatte, nicht ganz
aus den Augen zu verlieren. Da kam roie aus dem Boden
heraus ein Rumäne oon Riesengestalt auf mich zu. Vrst
sah ich ihn an, dann hatte ich aber nur mehr Augen
für sein Geroehr. Vs roar ein alter feuerstein-Schießprügel,
aber geradezu herrlich gearbeitet. Ich hörte kaum nach
sein „buna vreme“ (Gute Zeit), sondern sah nur die
prächtige Waffe an, die er stolz und mit der diesen Deuten,
welche sich als Abkömmlinge der Römer bezeichnen,
eigenen Vleganz trug. Bereitwillig reichte er mir das
Gewehr, als ich ihm mehr durch Zeichen als durch Worte
meinen Wunsch, es nahe zu sehen, oerdeutlicht hatte und
mit Hochgefühl sah er zu, roie ich es genau betrachtete,
Der Schaft, der fast zur Taufmündung reichte, roar prächtig
mit Silber ausgelegt. Hirsch und Bär, Wolf und Reh
roaren da in bunter Abwechslung zu sehen. Der Tauf
selbst roar fein ciseliert, in Wellenlinien, Kreisen und ab
sonderlich verschlungenen figuren und schwer, sehr schwer
im Visen. Das Schloß roar besonders merkwürdig. Der
feuerstein saß in dem Rachen eines fabelhaften Untiers,
dessen Körper in allen möglichen Verschlingungen das
Schloß selbst bildete. Hart mitgenommen waren die
Schnißereien am Kolben, der auch noch Spuren ehemals
oorhandener Zierraten in Vinlzgearbeif zeigte, die aber
durch Stoß und Schlag abgesprungen und selbstverständlich
nicht mehr erneut morden roaren. Vs roar zweifellos,
diese Waffe roar vor langer Zeit im Besiße eines sehr