Seife 278.
Internationale Sammler-Zeitung.
Hummer 18.
zumuten, nun anstatt der Gotik und der Renaissance die
Barocke oder das Gmpire zu kopieren. Und dann aiird es
Beute geben, die es ganz überflüssig finden, sich roegen
alten Gemäuers ins Zeug zu legen, oder aufzuregen. Wir
seien überhaupt schon soweit, dafj . . . Und überhaupt, um
roas könne es sich handeln?
Rehmen mir die ITlitteilungen nochmals zur Hand,
und sehen einmal nach, natürlich als echte Österreicher
sehr skeptisch, denn mein Gott — schöne Sachen kanns
halt doch nur im Ruslande geben. Wir sind ja bekannt
kunstarm und roenn die Zentralkommission jährlich zroölf
Hefte ooll Berichte herausgeben kann, mufj sie sich mahl
um jeden Gckstein kümmern.
fangen mir einmal mit den entlegenen Gegenden an,
in denen, roie man oielfach meint, der Kunstbetrieb zu
keiner Zeit ein bedeutender mar. Da ist Trau in Dal
matien? Kennen Sie diesen Ort? Flicht? Hm Hafen erhebt
sich eine mächtige Burg, stark, trotzig, mit einem Zuge,
der an Böcklin gemahnt. Sie ist ein Wahrzeichen der
Herrschaft Venedigs, non einer geradezu phantastischen
Wirkung. Dieses Kastell Cameiienga hätte einer Tabak
fabrik Platj machen sollen. Sollen, denn das Projekt rourde
über Ginsprache der Zentralkommission fallen gelassen.
Allerdings roaren in Trau Venetianer es roird also
gerne konzediert, dafj das Kastell erhaltensroert mar. Aber
in Drosendorf gab es die nicht. Drosendorf? Was ist
das? Das ist nämlich ein Ort, der geradezu roeltgeschicht-
liche Bedeutung hat. Die starken lltauern der Stadt trugen
zur Gntscheidung der Schlacht am ITlarchfelde nicht un-
roesentlich bei. Diese ITlauern nun, deren Widerstand gegen
die Scharen Ottokars non Böhmen die österreichische IRon-
archie begründen half, stehen noch heute, und roerden
mahrscheinlich mit Hilfe einer staatlichen Suboention
restauriert roerden.
Weniger glücklich mar das Stadttor in Geroitsch, das
im fahre 1908 demoliert rourde. Gbenso fiel dem Demolier-
krorooten die entzückende gotische Ronnenhauskapelle in
Brünn zum Opfer, trotjdem lokale Kreise und die Zentral-
kommission dagegen auftraten, und opferte Grieskirchen
sein altes, sehr originelles Rathaus dem Verschönerungs-
roahne oder Wahnsinne, roas besser sein dürfte. Gs ist
überhaupt sonderbar zu beobachten. Steht irgendroo in
einem Orte ein Gebäude, das nicht blofj alt, sondern auch
schön ist, und dazu historischen Wert hat, so ist zehn
gegen eins zu roetten, dafj binnen Jahr und Tag ein
solid fundiertes Projekt auftaucht, dieses Objekt zu demo
lieren, und an seine Stelle eine bauordnungsgemälje Scheufj-
lichkeit zur Zierde des Gemeinroesens aufzuführen, auf dafj
noch die Gnkel ein Dokument haben, roie die Grofjoäter bauten.
Hier kann man gleich oom Hause in Wien 1., fleisch
markt 17 erzählen, das eines der schönsten alten Prioat-
häuser Wiens — roar, und es ist bekannt, dafj die Verlust
liste in Kürze eine Vermehrung erfahren soll. Die fiaker
und Komfartablepferde haben das Kriegsminisferium als
eine Behinderung empfunden, die Bewohner des-Zentral-
friedhofes finden, dalj die Tuff beim Reugebäude gesünder
sei, und eine Tramroay niufj durch die innere Stadt, trotj
dem kein ITlensch, aufjer den Projektanten etroas danon
roisscn roill. Außerdem besteht das dringende Bedürfnis,
den Wind noch besser in die innere Stadt blasen zu lassen,
und roerden dabei einige Strafjenzüge durchgebrochen, und j
andere oerbieitert roerden. Dafj dabei einige Kunstroerke !
oernichtet roerden, tut nichts zur Sache. Wenn man das erlebt,
so darf man sich nicht roundern, roenn in Galizien die zum
Teile wirklich entzückenden Holzkirchen demoliert roerden,
um „echt gotische“ Bauten aufführen zu können, roenn
auch Wallachisch-JTleseritsch seine Holzkirche opfern '
roollte, und Teschendorf in Schlesien ähnlich handelt.
Zum Glücke denkt man nicht überall so. Da nennen
roir z. B. Retj, das man sonst nur durch seinen Wein
kennt, das aber auch seines Rathauses roegen besucht zu
roerden oerdient, das mit oorzüglichen fresken geschmückt,
die nunmehr mit einem bedeutenden Kostenaufwand restau
riert, d. h. richtiger konseruiert roerden, Jn Spalata
i rourde das herrliche Burinator gesichert, und Grado,
| Pola, Brioni Grande ergaben interessante funde. Rieht
| minder bedeutungsooll sind die Ausgrabungen auf dem
Hemmaberge in Kärnten, roa eine frühchristliche Anlage,
Dielleicht die älteste der Alpenländer, aufgedeckt rourde!
Dafür mufjte der zuständige Konseroator einschreiten, um
die Benütjung des antiken Trümmerfeldes in Bosco Serie
als — Steinbruch zu oerhindern. Jaroohl, als Steinbruch.
Das läljt ungemein tief blicken. Aber er hatte Grfolg
den man nicht hatte, als man die Restaurierung eines
freskos des 16. Jahrhunderts anregte, das sich in Görz
| befindet, und den Ginzug Kaiser ITlax I. in diese Stadt
darstellt. Dafür gelang es, den Petersfriedhof in Salz
burg, der durch die geplante Anlage eines Tunnels durch
den lllönchsberg gefährdet erschien, zu erhalten, prachtooll
geschnifjte Altäre in Droggose in Krain der Sicherung
zuzuführen, und eine Reihe anderer bedrohter Objekte zu
retten, bzro. die Restaurierung in die Bahnen der Prinzipien
der modernen Altertumspflege zu lenken, die nur erhalten,
aber nichts ergänzen roill.
Beider sind die Bemühungen der Zentralkammission
gerade bei einem ungemein wichtigen Objekte nicht non
Grfolg gekrönt worden. Gs ist das die Kirche in Heiligen
blut, deren wunderbare Schönheit weit über die Grenzen
Österreichs bekannt ist. Was da trolj der Abmahnungen
der Zentralkommission geschah, ist geradezu unerhört, und
steht auf derselben Stufe roie die Benütjung alter Ruinen
als Steinbruch. Gs dürfte die FRitteilung genügen, dalj
man die Absicht hatte, die Kirche mit mattblauem Pflaster,
das man sonst in Aborten, Küchen und dergl. findet, dort
auch sehr gut wirkt, aber jedenfalls nicht der Würde eines
Gotteshauses entspricht, zu oersehen, und die Restaurierung
der Hauptaltäre einer gänzlich ungeeigneten Kraft übertrug.
Der angerichtete Schade läljt sich nach Zehntausenden
berechnen.
Schon aus diesen Stichproben sieht man, daij mir
in Österreich genügend Kunstroerke haben, dalj dieselben
eben noch nicht gebührend geschäht und gewürdigt roerden.
Das trifft insbesondere bei jenen Objekten zu, die Produkte
der Volkskunst sind, und daher oft nicht ernst genommen
roerden. Die Zentralkommission glaubt aber eben diesen einen
besonderen Schutj angedeihen lassen zu müssen, denn hier
scheinen sich manche Anregungen finden zu lassen, die eoen-
fuell in der Zukunft einen besonderen Wert haben könnten,
Aus den „ ITlitteilungen “ ersieht man aber noch eines
— dafj das Interesse an den fragen des Heimatsbesitjes
ein stets wachsendes ist. Gs melden sich Geroerbetreibende,
Arbeiter, Hausfrauen, Prioate, die ITlitteilungen machen,
eine Verhinderung der Vernichtung und Verschandelung
dieses oder jenes Gebäudes, Bildes ersuchen, selbst im
Sinne des Heimatsschutjes roirken. Gs entstehen Bokal-
museen, die mindestens oon gutem Willen zeigen und
Prioatsammlungen, oft unter Verhältnissen, unter welchen
man eine derartige Tiebhaberei nicht oermuten möchte.
Da gibts z. B. in einem kleinen Orte einen Sattlermeister,
der sich ein IFluseum geschaffen hat, das hochinteressant
ist und wirklich schöne Stücke enthält.
Solche Grscheinungen zeigen, dafj die Bestrebungen der
Zentralkommission Wurzel zu schlagen beginnen, dafj man
Don der Zukunft mehr erwarten darf, als die Vergangenheit
brachte. Jedenfalls aber roürde für die nächste Zeit noch
roirkungsooller oorgearbeitet roerden können, roenn diese
Behörde aus ihrer Zurückhaltung stärker heroor zu treten sich
entschlösse, und eine ihrer Publikationen, etroa eben den ITlit
teilungen eine Gestalt gäbe, die deren praktische Ginroirkung
auf breite Schichten der Beoölkerung erleichtern roürde.