MAK
Seite 300. 
Internationale Sammler-Zeitung. 
Hummer 19. 
?ig. 4. Details des fischmosaiks. 
Beachtung umrahmt, mit Recht als Voraussetzung und 
fundament der Übernatur erfafzt werden. Sa roie die 
natürliche Ordnung in sich uollendet erscheint, ist sie 
unoollendet mit Rücksicht auf den mähren Orpheus, 
Christus, dessen Pieder alle zähmen und eine neue, 
wesentlich oollkommene Ordnung und Harmonie lehren. 
Cine große Idee, die wenigstens für unser Auge aus dem 
wiedererstehenden ITlosaik non Aquileia mehr als sonst 
einem antiken Bauwerk herausleuchtet. 11 Diese Idee wollte 
man damals sicher nicht reflektierend zum Ausdruck 
bringen, um sä stärker war sie in der galligen Selbst- 
oerständlichkeit eines solchen Kirchenschmuckes wirksam. 
Ihren späteren Höhepunkt fand sie nicht in den phan 
tastischen Tierbildern des ITlittelalters, gegen die der 
heilige Bernhard eiferte, 7 sondern in der seraphischen, 
sonst non keinem ITlenschen und keinem Dichter gleich 
glühend empfundenen, reinen Haturliebe des heiligen 
Franziskus non Assisi. 
Und mit sinnigem Auge haben gewiß auch die 
großen Geister des 4. Jahrhunderts, die zur theologischen 
Schule non Aquileia gehörten: Chramatius, Hieronymus, 
Rufinus, dann non ITlailand her Ambrosius bei seinen 
wiederholten Besuchen, non Alexandrien her Athanasius 
auf seiner flucht nach Trier, diese Bilder geschaut, die 
sich uns heute entschleiern. Wir schauen mit den Augen 
damaliger ITlenschen und suchen wieder Antikes und 
Christliches nicht miteinander zu oersöhnen, wohl aber 
zu durchdringen, zu ergänzen, zu reinigen, zu klären und 
so zu oollenden. 
Wir erkennen in dieser rückgehenden Kunst der 
ersten christlichen Jahrhunderte noch die klassische Höhe 
und die monumentale Gesamtkomposition. Dabei freilich 
auch schon, was man gern den Verfall nennt, ein Genügen 
an naioen, unakademischen formen, sagen wir, ein Hinein 
weben romantischer formelemente ins antike Kleid der 
Kunst, technisch und geschichtlich gewifj ein Prozeß des 
6 Künstlerisch zum Rusdruck gebracht auf dem fufjboden- 
mosaik uon Horkstom Vngland), das dem Rnfang des 4. Jahr 
hunderts entstammt und im Zentrum die Gestalt des Orpheus, rings 
herum oerschiodene Tiere, darunter Glcfnnt, £ber, Bär, aufweist. 
Rbgebildet nach Tysous, Reliquiae Britannico-Romanae, pl. III bei 
Cabrol, I. c. II, 5. 1181, ?ig. 1654. Vgl. Heran de Villefasse, 
ITlosaiques recent, decouuertes en flfrique, S. 28. 
' fipologia ad Guillelmum Rbbatem Opera, Venedig 1727, 
ßd. II, 5. 545. 
lliederganges, psychologisch und nielleicht 
auch durch den Glauben an eine höhere 
Vollendung gehalten, der Keim zu neuer 
Entwicklung. 
Darum hat es einen solchen Reiz, 
diesen ITlenschen ins Antliß zu sehen! 
Ich glaube nicht, daß es etwa Einseitig 
keit des Archäologen ist, die den ebenfalls 
in Aquileia gemachten fund eines lebens 
großen, um das Jahr 400 herum ent 
standenen Steinreliefs der Apostel 
fürsten Petrus und Paulus so freudig be 
grüßte, als zeitlich richtig rangierenden 
Beweis, daß der Weg in der Apostelikono 
graphie nicht uom erdachten Typus zum 
konoentionellen Porträt, sondern umge 
kehrt uom lebenswahren Porträt zum 
allmählich uerblassenden und erstarren 
den Typus geführt hat. Wir bekommen 
dadurch auch Anschluß an jene manschen, 
wir spüren ihren Pebensodem und blicken 
in das leidenschaftliche Auge Pauli und 
oerstehen den scheinbar zurückroeichen- 
den, klugen Blick Petri, mit den schwer 
mütigen Zügen. Wir meinen ihre Worte zu 
hören und staunen, wie sehr die Selbstporträte, die sie in 
ihren Schriften uon sich geben, mit diesen in Bronze und 
Stein überlieferten Zügen stimmen. Ich denke dabei an die 
Bronzeplatten der uatikanischen Sammlung, aber es genügt 
auch, als Parallelen und Ergänzung für dieses Porträt 
relief, das schon zum allgemeinen Typus überleitet, die 
übrigen Petrus- und Paulusbilder aus dem altchristlichen 
Österreich allein zu nennen: uor allem die Elfenbein 
schnitzereien auf der Reliquienarca aus S. Ermacora bei 
Pola, die zwei Paare uon Apostelfiguren auf dem Silber 
gefäß unseres Hofmuseums für die ältere Auffassung, 
dazu die lllalereien des sehr gut erhaltenen Cubiculums 
uon fünfkirchen, besonders mit dem ausdrucksnollen 
Pauluskopf als weitere Vertreter des werdenden Typus 
und dann die dem späten 5. oder dem 6. Jahrhundert 
entstammenden, oöllig typischen Apostelköpfe auf dem 
Reliquiar uon Grado oder gar dem in einen Petrus um 
gearbeiteten Konsulbild des Prager Domschaßes, 
So haben die drei Entwicklungsstadien der Aposteli 
konographie allein in unseren heimischen funden ihre 
charakteristischen Vertreter, die zugleich neues Picht auf 
die ganze Entwicklung der Übergangskunst uom Altertum 
zum HJittelalter werfen, da kaum etwas anderes die 
Stellung der Kunst gegenüber der llatur so deutlich zeigt, 
wie die Porträtkunst. Wenn ich aber gerade auf die späte 
Antike und frühchristliche Zeit jeßt so großen Wert 
lege, geschieht es nicht nur, weil sie für mich als 
Theologen uon Wichtigkeit sind, sondern weil sie uns 
den Übergang der Periode, die wir hauptsächlich durch 
unsere humanistische Schulung geistig erworben haben, 
in das germanische und überhaupt neuere Kulturleben 
darstellt. 
Ich führe mit Absicht diesen Reichtum Österreichs, 
den uns fast jedes Jahr neue wichtige funde erweisen, 
auch deshalb an, um einen ITlaßstab für Unbekanntes zu 
geben, um zu oeranschaulichen, wie sehr dieses Reich, 
das mehr als andere auf die Wahrung seiner Traditionen 
angewiesen ist, sprechende JTlonumente besißt, die wir 
freilich auch kennen und schäßen sollten, — das schüßen 
ergäbe sich dann uon selbst. Österreich hat eine solche 
fülle uon nionumenten, daß es den ganz Reichen auch 
darin gleicht, daß sie sich gern für arm halfen. Glauben 
wir doch an unseren Reichtum! Aus dem Glauben an die 
Vergangenheit wird ein größerer Glaube an die Zukunft 
fließen.
	        
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