Ilummer 20,
Seite 319.
Internationale Sammler- Zeitung.
(Haler oder Kunsthistoriker?
Ist der ITlaler oder der Kunsthistoriker zur £eitung
eines Kunstinstituts, einer Galerie, eines ITluseums, eher berufen?
Durch den beoarsfehenden Rücktritt Geheimrat Woermanns non
der Ceitung der Dresdner Galerie ist diese trage aktuell geworden
und die „Dresdner neuesten llachrichten“ machten sie zum Gegen
stände einer Rundfrage. Von den eingelangfen Rntworten greifen
mir ztoei der interessantesten heraus,
Julius ITleier-Graefe (Berlin) schreibt:
„Sie haben mahl recht, daß die Reorganisation der Dresdner
Galerie roichtig ist. Ich glaube nicht zu weit zu gehen, wenn ich
I angesichts der unerträglich langweiligen Besucher, die typisch für
die Dresdner Galerie sind, nicht den findruck los, dafj sie sich
nur mit moralischen Ohrfeigen dein Schönen hingeben.
Zur Besserung dieses grotesken Zustandes scheint mir eine
Vergrößerung des Cokals zum mindesten nicht notwendig, um nicht
zu sagen, uerkehrt. Ulan kann nicht im frnst an eine ITlodifikation
j des Semperschen Baues denken, und ebensowenig mögen sich
treunde Dresdens die Bilder in einem neuen ITluseum uorstellen.
Solche ITlittel würden das Übel in die Breite ziehen, nicht auf-
heben, Der schlimmste Fehler der Galerie ist der, daß uiel zu uiel
5ig. 8. Wigand, Cinsiedelei bei Wien. (Zu Hrtikel: „Bus fürstlichem ßesiß“, auf Seite 516.)
behaupte, daß die frage die allerwichtigste ist, die sich über
haupt in unserm Kunstleben gegenwärtig denken läßt, und zwar
nicht nur für Dresden, sondern ganz Deutschland, namentlich für
die deutsche Kunst der Gegenwart, man kann getrost sagen, daß
die unsäglichen Irrfümer der deutschen Kunstentwicklung im 19.
Jahrhundert, die haltlose Hingabe an den üaturalismus sans
p rase, die wilde Reaktion der Phantasten gegen alle JUaler-
Traditionen usm. nicht oder mindestens milder gewesen wären,
wenn man den Künstlern nicht den Besuch der gegebenen Cehr-
stätten mit allen mittein oerleidet hätte. Jch denke heute noch
stets, wenn ich in die Dresdner Galerie komme, an die Ohrfeige, |
die ich als Junge uor dem Giorgione oon meiner mutter erhielt, ,
als ich bekannte, mir sei der Rufenthalt draußen lieber, und werde I
mittelmäßige Bilder den llJeisferwerken den Plaß schmälern. Ulan
könnte mindestens die Hälfte entfernen, ohne dem idealen Zweck
des Instituts, den es heute nicht erfüllt, Abbruch zu tun. entfernt
man dann die klägliche moderne Sammlung ganz aus dem Ge
bäude und nimmt die oberen Räume mit für die alten Kleister
hinzu, so können die Perlen zur Geltung kommen, und dann werde
ich nicht wieder ii Paris oon Kennern Poussins, die sich einbildcn,
den Dresdner Besiß zu kennen, mit mitleidigen Rügen betrachtet
werden, wenn ich ihnen sage, daß die Galerie eins der aller
schönsten Werke des JUeisters ihr figen nennt, fs dient gegen
wärtig eher zur Dekoration des Plafonds als zur Betrachtung.
Die Reorganisation der Galerie ist für einen manschen, der
sich eines legitimen Verhältnisses zur Kunst erfreut, keine große