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Internationale Sammler-Zeitung.
rtummer 21.
€rst ooriges Jahr, als der ?Lirst Biechtensfein sein fünfzig
jähriges Regierungsjubiläum feierte, hat Bode in einem
Wiener Blatte recht eindringlich erzählt, daß er selbst in
unseren Banden alle Sammler unter’m Pantoffel habe,
dafj der fiirst nur dann ein roerfoolles Stück zu erwerben
toage, roenn er, Bode, seinen Segen dazu gegeben; denn
die hiesigen Beute, die gingen nur darauf aus, den reichen
Sammler mit fälschungen hineinzulegen.
Die Wiener Kunstfachleute schmiegen damals. 6s ist
eine mißliche Sache, sich mit Beuten in so günstiger, un
erschütterlicher Stellung und mit so glänzenden Beziehungen
in einen Streit einzulassen. Vor der Öffentlichkeit behalten
sie meist recht, denn sie haben auch die bessere Bunge
und uerstehen die Vorteile besser, auf die es ankommt,
niein Gott, roas hätte man Alles gegen diesen Unfehlbaren
oorbringen können, roenn man dazu Bust gehabt hätte!
Wie oft hat er ein Werk für echt erklärt, um einige Jahre
nachher selbst zu widerrufen. Und umgekehrt. Aber man
sagte einfach: er ist gewachsen, reifer geworden. Kein
Weiser fällt uom Himmel. Roch oor ein paar Jahren er
eignete sich der fall, dafj ein italienischer Bildhauer nach
Berlin kam, das Kaiser friedrich-Kluseum besuchte und
eine seiner Bronzen dort als Werk des 16. Jahrhunderts
eingereiht fand. Cr ging geradewegs zu Bode, erzählte
ihm, bewies ihm, dafj er diese Bronze oor zwei, drei
Jahren oerfertigt hätte, — na, und da wurde das Ding
aus dem ITluseum wieder entfernt. Damals ging es noch
ohne großes Aufsehen, ohne Blamage.
Diesmal freilich ist die Affäre ein wenig „happiger“.
Bode hat sich in seinem Unfehlbarkeitsdünkel ein wenig
zu weit oorgeroagt, „bahnlas liegt’s oor ihm, und eine
niauer aus seinen eignen Taten baut sich auf, die
ihm die Rückkehr türmend hemmt.“ — Und diesmal
ist das Bachen on uns. da es ja kein Wiener Sammler
roar, der das Geld für eine fälschung ausgab, kein Wiener
fachmann, der den Ankauf oermitfelte. Bode mag in
den letjten Wochen keine angenehmen Stunden oerbracht
haben, als so ein Beweis nach dem andern an den Tag
kam, als die Angriffe oan allen Seiten auf ihn hernieder
hagelfen. Rur einer blieb ihm treu — August Scherl. Gr
lieh allen Gnunziationen des in die Gnge getriebenen
General-Direktors seine Blätter, und so werden drei bis
oiermal hunderttausend Beute im deutschen Reiche und
oielleicht auch bei uns glauben, dafj im Berliner UJuseum
wirklich eine Wachsbüste oon Beonardo da Vinci steht.
für den Kunstkenner bedurfte es nicht erst des noch
lebenden IJJitarbeiters, Bukas Sohn, sowie der bei der
Untersuchung der Büste herausgeholten englischen Zeitungen
und der als fiillung uerroendeten geblümten Weste, um die
schöne flora dem grofjen Renaissancemeister ab und
einem Cmpire-Bildhauer zuzuschreiben. Als ich die Ab
bildung in der „llluslrated Bondon lleros“ zum erstenmal
erblickte, zu einer Zeit, da noch nirgends ein Zweifel an
der Authentizität geäußert worden war, da erklärte ich
sofort unter dem zwingenden Gindruck der Gesamthaltung
einigen anwesenden Personen, daß diese Skulptur wohl
in einzelnen Zügen an einige Werke Beonardo’s erinnere,
als Ganzes jedoch zweifellos die Schöpfung eines unter
dem klassizistischen Ginflufj stehenden Bildhauers oom
Anfänge des 19. Jahrhunderts sei. Wer die Arbeiten
Canooa's und französischer oder englischer Bildhauer der
Gmpirezeit kennt, wird die Behandlung der Büste, die
Ueigung des Kopfes, das Bächeln des HJundes, die antike
Regelmäßigkeit der Züge sofort wieder erkennen und nicht
erst einen Traktat Beonardo’s herbeizitieren! Der Bild
hauer des Renaissance-Zeitalters kannte, selbst wo er
unter dem direkten Ginflufj griechischer oder römischer
Bildwerke stand, seine starke persönliche Gigenart nicht
oerbergen, und man wird keine einzige figur, Büste,
Reliefskulptur der Renaissance finden, die sich nicht in
den Hauptzügen und der ornamentalen Behandlung rue-
sentlich oon Werken der Antike unterscheidet. Wie oiel
indioidueller und geheimnisooller ist das Bächeln der
ITlonna Bisa! Das „Alädchen oon Bille“, das wegen der
Bemalung und des ITlaferials zum Vergleich herangezogen
wurde, — übrigens oermutüch auch später, dm 17. Jahr
hundert geschaffen — könnte weder im Altertum noch
im 19. Jahrhundert entstanden sein. Der erste entschei
dende Gindruck der flarabüste also ließ sie als eine
Arbeit aus der Zeit oon 1800 bis etwa 1840 erkennen.
Und ich fügte meiner ITleinungsäuljerung die Worte bei:
Da hat sich Bode wieder einmal ordentlich oergaloppiert.
Und siehe da, nach kaum acht Tagen, kamen aus
Gngland die unwiderleglichen Beweise für die Prooenienz
der Büste. Der Sohn jenes Bildhauers Bukas lebte noch,
er selbst hatte mit dem Vater das Wachs für diese Arbeit
eingekauft, hatte an der Herstellung mitgeroirkt. Gs kamen
Photographien des Hilfsmodells und anderer oerwandter
Werke zu Tage, die den wenig bekannten Bukas als einen
recht tüchtigen Künstler zeigten, als einen strengen Klas-
sizisten aus der Schule Canooas. Gine Aufnahme zeigt den
Alten im Kostüm des Hamlet, in der Hand hält er statt
eines Totenschädels die Totenmaske Antonie Canooas. Andere
Bilder geben kunstreiche Gruppen wieder, eine Kreuzab
nahme z. B,, die überaus geschickt durchgeführt ist. Statt
einer neuen Arbeit Beonardos hat die Kunstgeschichte also
durch dieses famose Greignis einen neuen, oortrefflichen
Bildhauer erhalten. Und den einzigen Zusammenhang mit
Benardo erfuhr man jetjf auch: ein Gemälde oon einem
Schüler dieses Kleisters hatte die Anregung zu dem Werke
gegeben; ein Vorgang, der sich im Baute der Jahrhunderte
oftmals wiederholt. —
Am rätselhaftesten war übrigens bei der ganzen
Affäre der hohe Preis. Zuerst sprach man oon 100.000 ITlark,
dann oon 140.000, nun sind gar 160.000 festgestellt, Ja,
um’s Himmelswillen, wenn die englischen Kunsthändler
um Auktionatoren die Büste nicht für ein Werk Beonardos
hielten, und sie nur mit 2000 mark bewerteten, warum
mußte Bode den Großmütigen spielen und bloß deshalb,
weil er saoiel oon dem Stücke hielt, eine solche Summe
aus dem deutschen Staatssäckel dafür opfern?! Diesen
Punkt hat Bode bisher nicht einmal aufzuklären oersucht.
Gr schimpfte wohl in einer Zuschrift an die „Vossische
Zeitung“ auf jene Berliner Händler, die Greco und Goya
in die Höhe treiben; „aber noch seien Velasquez und Leo
nardo geschaßt“, meinte er, und man müsse sie bezahlen!
müsse—? Wenn der Verkäufer den Preis nicht oerlangt?
Der Casus macht mich lachen.
Doch die Preisfrage ist schließlich Sache der deutschen
Richter, des deutschen Volkes. Direktor Bode hat schon
mehrmals durch derartige Überzahlungen den Beuten Rätsel
aufgegeben, für einen Rembran dt, „der Prediger Aaslo
tröstet eine Witwe“, soll er 500.000 UJark bezahlt haben,
während der Vorbesißer Bord Ashborn es für 54.000 fTlark
erstanden hatte, für einen minderen Crioelli wurden
142.000 UJark bewilligt. Andere Stücke hat er wohl auch
gelegentlich recht billig erworben. — Speziell ßode’s Art,
Rem b ran dt zu sehen und zu bewerten, ist ganz sonder
bar. Viele Bilder sind durch ihn zu Rembrandt’schen Chren
gekommen, die ohne seine Jnteroention als Werke geringerer
JAeister oder alte Kopien, ein wenig beachtetes Dasein
gefristet hätten. Schon in dem großen Rembrandt-Werk
Bode’s findet man mehrere solche minderwertige oder oer-
dächtige Rembrandts. neben authentischen herrlichen Werken
abgebildet und beschrieben; und wie die Beschreibung uns
oerrät, stammen gerade diese Bilder alle aus den Beständen
der Kunsthandlung Sedelmeyer in Paris, in deren
Verlag Bode eben dieses Rembrandt-Werk herausgab. Solche
Beobachtungen lassen unser Zutrauen in die Zuoerlässig-
keit dieses Schiedsmannes gar sehr in’s Wanken geraten.