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Internationale Sammler- Zeitung
Nr. 12
Die auf die alten Niederländer folgende xkbteilüng
bringt zum Teil noch alte Blätter wie eine Kötel
zeichnung des Lodovico Carracci, in der Hauptsache
aber die Kunst des 18. und die des 19. Jahrhunderts
in Handzeichnungen wie in gemalten Werken. Unter
den Arbeiten des 18. Jahrhunderts ragt besonders
Boucher hervor, eine Kreidezeichnung zeigt die
Änlageart seiner Deckenmalerei, ein ganz wunder
volles Stück aber ist der mit Weiß gehöhte Kopf eines
jungen Mädchens, ganz erfüllt von der Stimmung der
Zeit und mit dem ganzen technischen Raffinement
ausgeführt, das den führenden Meistern des Rokoko
eigentümlich war. Das 19. Jahrhundert läßt mit
sechs trefflichen Handzeichnungen zunächst Ghodo-
wiecki und mit ihm die Berliner Kunst zu Worte
kommen, die sich überhaupt in diesem Teil der Ver
steigerung von ihren besten Seiten zeigt: eine Zeichnung
und vier Aquarelle repräsentieren stattlich Hose
mann, von R. Th. A. Hoffmann ist die Bildnis
zeichnung des aus Zynismus und Frömmigkeit seltsam
gemischten Zacharias Werner da, den der literarisch
gleichfalls genügend komplizierte Kollege fein in seiner
Wesenheit erfaßte. Besonders glänzend zeigt sich der
alte Krüger. Zwei Ölgemälde lassen seinen großen
Ruf als Pferdemaler sehr verständlich erscheinen,
während ihn neun Bleistiftentwürfe, darunter die aus
gezeichnete Kollektion von sieben Mitgliedern einer
Familie, als den großen Porträtisten erweisen. Über
andere Berliner gelangen wir zu den Vertretern der
Neuzeit, vor allem zu Menzel mit drei Blättern ersten
Ranges, zu Skarbina, zu Leistilcow mit einem
kleinen frühen Ölbild, zu Liebermann mit. einem
flotten Biergartenpästell und einer ersten Studie zur
Flachsscheuer in Laren. Aber auch die anderen deutschen
Kunststädte stehen dahinter nicht zurück. Hervor
ragend zeigt sich Düsseldorf und die mit ihm innig
verknüpfte Nazarenerschule. Wenn wir diese so lange
nicht richtig erkannten Maler heute wieder mehr als
je schätzen lernen, so ist es nicht zum wenigsten die
hohe Qualität ihrer Handzeichnungen, die uns bekehrt
hat. Hier führt Cornelius, von dem Heine mit so
ehrfürchtigem Schaudern berichtet, seine Hand als
die des Zeichenlehrers habe des jungen Harry Hand
bei ihren ersten Versuchen geleitet, mit 14 hoch
klassigen Handzeichnungen, unter denen sich auch das
Gretchen in der Kirche befindet. Die größte Über
raschung für viele werden in dieser Abteilung die neun
Bleistiftzeichnungen Overbecks sein, die wieder einmal
die Zeitlosigkeit dieses so lange fast verschollenen
großen Künstlers beweisen.
Schnorr und Veit schließen sich an. Ein drittes
Kunstzentrum: München. In der hierher gehörenden
Kunst führt .Schwind mit einer Zeichnung und
Spitzweg mit einer feinen kleinen Landschaft in Öl,
Leibi und sein Kreis sind durch, zwei herrliche Zeich
nungen Leibis in Kohle, sein Wohnzimmer in Kutter
ling und eine Bäuerin sowie durch zwei kleine Malereien
Theodor Alts vertreten. Von der Lenbachgruppe
Lenbach selbst mit dem flotten Bild einer Münchener
Lebedamc und einer guten Landschaft, Habermann,
besonders interessant aber Albert von Keller mit vier
frühen Werken aus der Zeit seiner frühmeisterlichen
Entwicklung, darunter die Dame in Weiß und die
heilige Elisabeth, geradezu moderne Terborchs, Pracht
stücke des Münchener Niederländertums. Zwei Justus
Junckers sind zu Vorbildern französischer Stiche
geworden. Von Böcklin ist eine kleine Landschaft
aus seiner frühen noch schüchternen Entwicklung da,
von Wilhelm Busch ein Kinderkopf, von Munkascy
eine Ölstudie von meisterlichem Rot, von Karl Hage
meister ein feines Bild. Unter den Miniaturen fallen
zwei Daffingers auf, wie denn überhaupt Wien
interessant, zum Beispiel mit Zampis, vertreten ist..
Es schließt sich eine reiche Kupferstichabteilung an,
in der wieder Chodowiccki mit einer großen Kollektion
dominiert. Gute Bolts. Von älteren Meistern besonders
Bartolozzi reich vertreten. Die französische Graphik
stellt eine elf Nummern umfassende Abteilung schöner
Demarteaus und einen Debucourt. Berlin zeigt
Menzel und Krüger neben Chodowiecki. Der
interessante Graphiker Grimm, ein Bruder von Jakob
und Wilhelm, dessen Bettina in Goethes Briefwechsel
mit einem Kinde so rühmend gedenkt, tritt hier den
Sammlern näher. Von berühmen Engländern Morland
und Smith mit ausgcwählten Kollektionen. Auch
Wien u. a. mit Kriehuber und vieles anderes mehr.
Ridinger hat seine eigene, sehr umfassende Ab
teilung erhalten: Drei Ölgemälde, zwei Zeichnungen
und mehrere Hundert seiner charakteristischen Stücke.
Der Nachlaß des interessanten Schweizer Malers
Zehen der bringt neben überraschenden eigenen
Werken des Künstlers eine ungewöhnlich reiche Kol
lektion von Schweizer Städteansichten.
Den Beschluß macht eine große Spezialität der
versteigernden Firma: eine Kollektion Alt-Weimar.
Sie enthält zwei ganz hervorragende Stücke: noch
unbekannte Darstellungen Goethes. Eine Blei
stiftzeichnung Katharina Zimmermanns, der Tochter
des berühmten vielschreibenden Arztes, zeigt den
jungen Goethe von 1775, vielleicht die Vorlage für
den Stich bei La Vater; eine bisher unbekannte Goethe
büste des Weimarer Hofbildhauers Klaucr aus bestem
Altweimarer Besitz weist starke Ähnlichkeit mit einer
bekannten Zeichnung des Bildhauers von 1780 auf und
dürfte hier herum zu datieren sein. An die Heideloffsche
Goethezeichnung, zwei Zeichnungen Goethes und sechs
von Schwerdtgeburt herausgegebene Radierungen
nach Handzeichnungen Goethes schließen sich in
großer Zahl Goethebildnisse, Bildnisse und Erinnerungen
aus dem Goethekreise an.
Die Kunstauktion fürs Rote Kreuz.
Nr. 274, Jos. Heicke, Drei Bleistiftskizzen, K
Nr. 275, Ders., Kühe bei einer Almhütte, K 920; Nr. 276,
Ders., Auf der Weide, K 750; Nr. 277, Hemerlein, Ansicht
einer Rait, K 150; Nr. 281, Math. Kern, Des Heideschenker
Töchterlein, K 150, Ders., Sängers VoTüberziehen, K 150,
Ders., Der einsame Trinker, K 100; Nr. 282, A. Klein, Der
*) Siehe Nr. 11 der „Internationalen Sammler-Zeitung“.
Brezenbeck auf dem Graben, K 60 —; Nr. 288, Karl Marko,
Ideale Landschaft, K 60.00; Nr. 289, Ders., Römische Land
schaft, K 3000; Nr. 293, jos. Möhsmer, Gebirgslandschaft,
K 120; Nr. 294, Leop. Karl Müller, Straße in Kairo, K 2300;
Nr. 298, Pausinger, Orientale zu Pferd, K 800; Nr. 299,
Gams im Hochgebirge, K 1500; Nr. 300, Alex. Pock, 7er Liane,
K 60-—; Nr. 308, J. Bap. Reiter, 13 kleine Skizzen, K 100;
Nr. 312, Lina Röhrer, Stilleben, Truthahn, Paradiesäpfel,
(Fortsetzung*).
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