Seife 68.
Hummer 5.
Internationale Sammler-Zeitung.
5ollen Bilder restauriert werden?
eine Unterredung mit Regierungsrat Gerisch, Wien.
Die Frage, die mir diesen Zeilen ooranstellen, ist durch eine
Zuschrift des JTlünchener ITlalers Hermann finde angeregt morden.
Als das bairische Kultusministerium kürzlich die Restaurierung non
Rubens-Bildern in der Riten Pinakothek zu ITtünchen uerfügte,
mandfe sich finde nämlich, roie unsere feser aus einer Rotiz in
der dritten ltummer missen, mit einem Schreiben an die „IRünch.
Reuesten Rachr.“, roorin er dieser Anordnung seine Bedenken ent
gegensetzte. Der Kernpunkt der Ausführungen findes bestand be
kanntlich in der Behauptung, dafj die Schäden an alten Gemälden
zum grofjcn Teile auf das Restaurieren zurückzuführen seien. Es
gebe, sagte er, nur ein JRittel zur Konseruierung alter ITleister-
merke und das sei, sie unter den günstigsten Verhältnissen auf
gestellt, oollständig in Ruhe zu lassen.
Es schien uns interessant, die Ansicht eines hcroorragenden
Fachmannes auf diesem Gebiete einzuholen. Auf das (ersuchen eines
unserer ITlitarbeifer hatte der feiter der Resfaurier-Anstalt an der
Akademie der bildenden Künste in Wien, Regierungsrat August
Gerisch die tiebensroürdigkeit, sich über die Frage auszu
sprechen.
Regierungsrat Gerisch sagte: Cs ist müfjig, darüber zu
streiten, ob man alte Bilder restaurieren solle oder nicht. Die Frage
mulz sozusagen oon Fall zu Fall entschieden roerden. ln sehr oielen
Fällen hat man, das steht fest, roertuolle alte Gemälde geroifj nur
durch das Restaurieren uor dem drohenden Verfalle bewahrt.
Cs ist mit den Bildern roie mit unseren Kleidern. Wenn
jemand ein sehr elegantes Kleid mit einem grollen, sichtbaren fache
trägt, so roerden aller Augen, uon dem toche magisch angezogen,
die Cleganz der Toilette übersehen. Gerade so roürde es sich mit
einem beschädigten Bilde oerhalten. Die Defekte miirden die Auf
merksamkeit des Beschauers so sehr absorbieren, dafj er darüber
das Interesse für das Gemälde oerlieren roürde Cs erroeisf sich
daher als Rotroendigkeit, die schadhaft geroordenen Stellen eines
Bildes zu ersetzen, die Blasen, die es roirft, zu glätten, die Risse
und Falten, die es durch Temperatureinflüsse, durch schlechtes
Rollen oder durch Aufberoahrung an ungeeigneten Orten erhalten
hat, auszumerzen.
Der Schroerpunkt scheint mir mehr in der Frage zu liegen:
Wie soll man ein Bild restaurieren? Die Ansichten lassen sich in
zroei Kategorien teilen, und schroer, fast unmöglich ist es, oon
einer zur anderen eine Brücke zu schlagen.
Die einen sagen: Alan mufj die Bilder so restaurieren,
dafj sie die Patina, die Staub und Schmutz erzeugen, den
mystischen Schimmer, den ihnen der trübe geroordene Firnis und
das Alter leiht, behalfen; die anderen hinroiederum meinen:
der richtige Restaurator stellt das Bild so roieder her, roie es
ursprünglich geroesen, er frischt die Farben roieder auf, so
dafj das Bild so roird, roie es der IRaler selbst erdacht und er
schaut und es, roenn die Patina abgenommen ist, im alten Glanze
erstrahlt.
Tatsache ist, dafj ein tüchtiger, gewissenhafter Restaurator 4«?
und man darf füglich annehmen, daij die JRünchener Pinakothek
nur einem solchen ihre Rubens-Schätze anoertraut — ein Bild auf
keinen Fall auch nur im mindesten oerändern roerde. Der Restaurator
roird darauf bedacht sein, nichts hineinzumalen, ruas nicht im Bilde
liegt. Gin schlechter, d. h ein gewissenloser Restaurator ist selbst-
oerständlich nur zu sehr geeignet, ein gutes Bild zu einem schlechten
zu machen und es im Restaurieren, teils aus Klüngel an Ver
ständnis, teils um seine eigene Ungeschicklichkeit zu oerbergen, zu
ruinieren.
Wir haben hier in der Akademie ein Bild aus einer süd-
tirolischen Kirche, eine Geburt Alariä, signiert Aug. Ucolini 1805,
auf rotem Grunde gemalt. Es roar schon einmal in den Händen
eines Restaurators. Dieser ersetzte an den schadhaft geroordenen
Stellen den roten Grund durch ein käsiges Braun und um nun die
Spuren seiner Ungeschicklichkeit zu oerdecken, lasierte er das ganze
Bild mit einem gelben Ton, so dafj die roeifjen, lichten, zarten
Stellen oollständig oerschroanden. natürlich hiefj es jetjt uor allem,
die Arbeit des früheren Restaurators roegnehmen und das Bild,
dessen Grundton genau an den oom Rahmen oerdeckt gewesenen
Stellen zu erkennen ist, mit fiebe und Verständnis behandeln.
Da ist ein Gauermann, eine Bretfelstudie: Ein Hund sifjt
uor einer Jagdtasche mit Rebhühnern, ein bewaldeter Berg erhebt
sich im Hintergründe. Der Firnis des Bildes ist noch unoersehrt,
nur im Holz entstand ein Sprung. Wie soll man da restaurieren?
Einzig und allein, indem man den Sprung übermalt, den Firnis
aber nirgends roegnimmt und so das Bild oollständig unberührt läfgt.
So manches Bild schien oor dem Restaurieren qualitatiu
besser, als nachher. Hatte man es aller Schichten entkleidet,
die es durch Unklarheit und mystischen Schimmer interessant
machten, fauchte eine nüchterne und kalte Hrbeit auf.
Eine grafje Ralle spielen übrigens auch fichteffekte, da das
ficht manchmal durch die Art des einfallens zersetzt roird und eine
ganz eigenartige Wirkung heroorbringf So wirkten zum Beispiel
die Tizian-Bilder im kunsthistorischen Hofmuseum zu Wien bedeu
tend interessanter, als sic noch im Beloedere unter ganz anderen
fichtoerhältnissen hingen.
3m allgemeinen unterliegen Bilder, die auf Holz gemalt sind,
mehr der Beschädigung, als solche auf feinroand, da sie gegen
Temperaturroechsel empfindlicher sind. Alan sollte denn auch, so
weit als möglich es oermeiden, Bilder auf Holz oon einem Raum
in den anderen zu bringen. Rubens hat, roie alle Riederländer
und Deutschen seiner Zeit, fast nur auf Holz gemalt, nur Snyders
hat sich wegen der Gröfjenoerhältnisse seiner Bilder dieses Alaterials
nicht bedient. Auch die zroei Rubensbilder der kaiserlichen Gemälde
sammlung in der Akademie der bildenden Künste der Boreas
und die drei Grazien — sind auf Holz gemalt und rourden uor
30 bis 40 Jahren mit Erfolg restauriert.
Regierungsrat Gerisch schlofz: Graf Hans Wilczek sagte oor
Jahren in einem Vortrage über das Restaurieren alter Gemälde:
„Jeder Fall mufj indiuiduell behandelt roerden und es ist Sache
eines gewissenhaften Restaurators, zu beurteilen, roie roeit er gehen
darf, um das, was er restauriert, oor sich selbst und oor allen
Fachleuten uerantroorten zu können.“ Diese Worte sollten beherzigt
roerden. Graf Wilczek hat damit ins Schwarze getroffen.
E. F.