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Ueber Zeichenfertigkeit und ihre Anwendung
in der Praxis.
Von Hans Mach t.
"Il.
(Schluss)
Mit Proportionen und absoluten Maßen, deren Werthe erfahrungs-
gemäß festgestellt werden, hat übrigens der kunstgewerbliche Zeichner
fortwährend zu thun. Unsere Sitz- und sonstigen Möbel, unser Tafel-
geschirr, das Speisegeräthe und alle zur Einrichtung des Hauses gehörigen
kleinen Gegenstände können, wenn sie überhaupt brauchbar sein sollen,
nur bei Berücksichtigung gewisser Maximal- uud Minimaldimensionen an-
gefertigt werden, deren Grenzen oft nahe genug bei einander liegen.
Hier werden von unerfahrenen, wenn auch sonst sehr geübten Zeichnern
mitunter ganz unglaubliche Verirrungen begangen. Viele fühlen auch ihre
Phantasie gefesselt, wenn sie auf eine Reihe bestimmter Zahlen Rücksicht
nehmen sollen.
Und doch kann ja ohne vielfältige Rücksichtnahme aufZweck und
Bestimmung der zu schaßenden Gegenstände nichts Vollkommenes
hervorgebracht werden.
Beruf, Lebensstellung, persönliche Eigenschaften und Lieblings-
neigungen eines Besitzenden werden unter allen Umständen in seiner
unbelebten Umgebung zum Ausdruck kommen. Oft ist der Charakter
des Gesammtbildes dieser Umgebung das Resultat eines länger oder
kürzer sich hinziehenden Processes der Auswahl und Sichtung. Oft aber
hat die Kunst, die echte, psychologisch feinfühlende Kunst auf kurzem
Wege die richtige Wahl getroffen. Diese Kunst äußert sich hier gar
mächtig auch in scheinbar kleinen Dingen. Wie sehr wirkt sie nicht
schon allein durch die Farbenanordnung! Combinationen von Farben,
formlos und ohne bestimmten Zusammenhang auf eine Fläche gebracht,
bewirken schon Stimmung. Sichtbare Accorde möchte man das nennen,
was sie uns weisen. Doch tritt nun auch noch die ausdrucksvolle Sprache
der Formenwelt hinzu, welche der Ornamentik zu Gebote steht, so
erwachsen hiedurch dem Künstler die Mittel, über psychische Stim-
mungen zu gebieten, diese Stimmungen im Beschauer hervorzurufen,
indem er seinen Gebilden beredten Ausdruck verleiht.
Die Farbe im Vereine mit den Formen des Ornamentes verfügt
über eine gar deutliche und eindringliche Sprache. Beide überzeugen den
Beschauer von dem durch sie zum Ausdruck gebrachten geistigen Ge-
halte, indem sie unmittelbar ihre Einwirkung auf das Gemüth fühlen
lassen. Durch diese Einwirkung werden Vorstellungen contrastirendster
Art versinnlicht: Schwerfällig sich zeigender Prunk; frohe
ruhige Stimmung; übersprudelnde Lust; derbes Behagen;
übervmüthige, rasch bewegliche Laune; trockener, empfin-