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Seite 90. 
rtummer 6. 
Internationale Sammler-Zeitung. 
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Chronik. 
Ansichtskarten. 
(Heues nom fl ns irhts k q rte n markte.-) In den Tagen 
um Ostern wird der markt fast uollständig non der Osterkarte 
beherrscht. Heuer dominiert kein spezielles Genre, die Deoise 
lautet: Gleiches Recht für alle Arten! Und so sehen mir denn Gier, 
Hämmchen, Osterhasen und Hühnchen, soroie Rokoko, Alt-Wiener 
und Bauernkinder jeglicher Rationalität mit Palmkätjchen und 
frühlingsblumen in buntem Allerlei, flur ein Genre fehlt merk- 
roürdigcrmeise ganz, eines, das jahrelang sich größter Beliebtheit 
erfreute: die Holländerkarte. Holländer JTlof ue sind uollständig 
oom Schauplafje nerschrounden. 
Der Henz hat uns zwanzig Blumenkarten mit Blüten aus der 
Ebene und dem ITliftelgebirge bescheert, die uns fröhliche Hand- 
schaften oors fluge zaubern. Vorfrühlingsbilder mit Häusern und 
Gärten in zarter Obstblütenpracht beleben die Auslagen. 
Gntzückende Ansichtskarten in reicher Auswahl, Gruppen- 
und Einzelbilder sind nach Photographien angeferligt worden, die 
die kleinen und kleinsten ITlitglieder des österreichischen Kaiser 
hauses beim Testspiel im Schlage Schönbrunn am 1. Dezember 1908 
darsfellen. Sechs Karten halten den Besuch des Kaisers franz 
Josef auf der Schiefjstätte des Wiener Schütjerwereines anläfjlich 
des Jubiläums-festschiefjens im lAärz d. J. fest, tu-; . 
Die Kinder des Königs Friedrich August bon Scrchsen, 
darunter auch Prinzessin Anna Pia ITlanica sind in niedlichen 
Stellungen aufgenommen. Der Kronprinz und sein Bruder Prinz 
Christian Georg sind schon stramme Jünglinge, die uiel Ähnlich 
keit mit ihrer Tante, der Erzherzogin ITlaria Josefa haben. 
Die gesuchteste Schauspielerkarte ist zur Zeit die Adolf 
oon Sonnenthals, des heimgegangenen lTestors der deutschen 
Schauspielkunst, non dem Porträts inzweiundzwanziguerschiedenen 
Rollen zirkulieren. 
Der Wiener Karrikaturist Schönpflug hat eine satirische Karte 
„Georg, der Retter“, sowie drei Wiener Typen entworfen: Cin 
dralles „Blumenmadl“ im besten Alfer; einen Dienstmann, der sich 
in seine Zeitung uertieft hat und einen „Schusterbua“, der ein 
paar Röhrenstiefel und einen Säugling auf dem Arme trägt. 
Der Apachentanz aus der Operette „Die arme Tori“ ist auf 
sechs Karten sehr drastisch oeranschaulicht. 
Die bcoorstehende Jahrhundertfeier der Tiroler freiheits 
kämpfe hat zwei neue reizende Ansichtskarten gezeitigt. Die Kunsf- 
anstalt Reisch in Hieran gab eine Haspinger- und eine Speckbacher- 
Karte aus. Josef Speckbacher ist in der kleidsamen Tiroler 
Jägeruniform dargestellt. Bas Bild ist nach einem ITliniaturgemälde 
oon dem Sohne Speckbachers, flnderl, ausgeführf und mit der 
facsimilierten Unterschrift des Helden oersehen. P. Johann Haspinger, 
Rotbart genannt, ist im Kapuzinerhabit gebildet, über dem feld 
binde und Säbel geschnallt sind. Der facsimilierten Unterschrift 
sind ebenfalls in Handschrift die stolzen Worte Haspjngers beige- 
fügf: „Keine Kugel ist für mich gegossen.“ 
Die Kunstansfalt „Heros“ in Berlin gibt unter dem Titel 
„Allezeit treu zu Österreich“ auf 200 Ansichtskarten Bilder der 
deutschen Armee heraus, die oom ITtaler Anton Hoffmann in 
fflünchen entamrfen, sämtliche reichsdeutsche Regimenter und Ba 
taillone umfassen. 
Der Verleger fusetti in ITlailand reproduziert auf Ansichts 
karten Stahlstiche nach berühmten Bildern. Die Gemälde des 
„Salon d’hioer“ wurden, wie alljährlich, auch heuer auf Ansichts 
karten oeroielfältigt, ohne dafj jedoch eine Reproduktion eine so 
nahmhafte Verbreitung gefunden hätte, wie jene des Bildes „Ce 
oertige“ oor drei Jahren. —st, 
Antiquitäten. 
(Wie man Altertümer macht.) Zu der der „Cinz. Tagesp.“ 
entnommenen Rotiz in Rr. 5, sendet uns Herr Ernst freiherr oon 
Gudenus in Schlanders (Tirol) folgende interessante Zuschrift: 
„Ich erlaube mir daraufhinzuweisen, dafj dieser Artikel Don ernsten 
Tiroler Blättern bereits abgeführt wurde. Wenn behauptet wird, 
dalj den Sammlern und Ciebhabern wertlose fabrikate um teueres 
Geld angehängt werden, so ist das richtig. Ganz anders oerhält es 
sich mit Waffen, fahnen etc. aus den Befreiungskämpfen, welche 
bei festlichen Gelegenheiten ausgestellt oder bei Aufzügen mitge 
führt werden Hierin Tirol roeifj man schon lange ganz genau, wo sich 
fahnen und auffallende Waffen befinden, welche in den Freiheits 
kriegen ausgerückt sind und gerade hier in Tirol, wo die historische 
Kleinarbeit oiel eifriger betrieben wird, als oielleicht irgendwo 
anders, wäre eine fälschung durch die sachkundige Kritik sofort 
aufgedeckt und oon der „Konkurrenz“ im Besitje echter Stücke 
alsbald in Grund und Boden oerschrieen. Die Zeit des Jahres 1809 
ist oiel zu nahe, als dafj sich da oiel fabeln licfje. fluch hält das 
Tiroler Candes-Oberschütjenmeisteramt die Reliquien aus dem 
freiheitskampfe in Eoidenz. Kurz, Tirol ist das letjfe Kranland, in 
welchem ein solcher öffentlicher Schwindel unentdeckt bleiben könnte, 
schon wegen des regen und dokumentarisch kontrollierten Hebens, 
welches Schiefjstände und Schütjenkompagnien schon oor jener 
Zeit bis heute geführt haben. Daraus ergibt sich aber mit ebenso 
klarer Gewißheit, dafj 99% alles „Kriegsgerätes aus 1809“, welches 
heute oon Prioaten in Tirol angekauft wird, meist sogar recht 
plumpe fälschung ist. Solche Gegenstände oon irgend histo 
rischer Bedeutung sind fast ausschliefjlich in festen Händen, 
llluseen etc. oder noch im Besitje der betreffenden Gemeinde- 
und Bezirksschiefjstände und Schütjenkompagnien Die Tiroler An 
tiquare und gar manche Bauern wissen ganz gut, dafj Kriegsgerät 
aus 1809 einen sehr hohen Preis erzielt und es ist nicht zu wundern, 
wenn sie diese wirkliche oder oermeintliche Eigenschaft ihrer Ware 
oorrühmen. Von den tausend „Sammlern“, die jährlich nach Tirol 
kommen, fällt ja auch dir Illehrzahl darauf herein. 
Autographen. 
(Heine über seinen Besuch bei Goethe.) Der Berliner 
Antiquar Stargardt oersendet eben einen neuen Katalog oon 
flutographen und Porträts, der olele kostbare Stücke anzeigt. Un- 
gemein interessant ist ein sieben Seiten langer Brief, den Heine 
1825 aus Göttingen an Christiany schrieb und in dem er oon 
seinem Besuch bei Goethe in Weimar erzählt. „Über Goethes 
Aussehen,“ heifjt es da, „erschrak ich bis in tiefster Seele, das 
Gesicht gelb und mumienhaft, der zahnlose ITlund in ängstlicher 
Bewegung, die ganze Gestalt ein Bild menschlicher Hinfälligkeit .. . 
Rur sein fluge mar klar und glänzend. Dieses fluge ist die einzige 
ITlerkmürdigkeit, die Weimar jetjt besitjt. Rührend war mir Goethes 
tiefmenschliche Besorgnis wegen meiner Gesundheit. Der selige 
Wolf hafte ihm daoon gesprochen, ln oielen Zügen erkannte ich 
den Goethe, dem das Heben, die Verschönerung und Erhaltung 
desselben, sowie das eigentlich Praktische überhaupt, das Höchste 
ist. Da fühlte ich erst ganz klar den Kontrast dieser Dafür 
mit der meinigen, der alles Praktische unerquicklich ist . . . Jetjt 
weifj ich es auch genau, warum die Goetheschen Schriften im 
Grunde meiner Seele mich immer abstiefjen, so sehr ich sie in 
poetischer Hinsicht oerehrte und so sehr auch meine gewöhnliche 
Hebensansicht mit der Goetheschen Denkweise übereinstimmte. Jch 
liege also in wahrhaftem Kriege mit Goethe, so wie meine 
Hebensansichten im Kriege liegen mit meinen angeborenen Reigungen 
und geheimen Gemütsbewegungen . . .“
	        
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