nummer 8.
Internationale Sammler-Zeitung.
Seite 117.
Schicksale berühmter ßilöer.
fluch Bilder haben ihre Schicksale und die sind zuweilen
nicht weniger interessant, als die oon ITlenschen.
ln frischer Erinnerung dürfte noch das Schicksal oon Rubens
Gemälde „Karl der Kühne“ sein, das 264 Jahre oerschollen war.
Ulan oermutete, dal) das Bild, das der Kleister im Jahre 1365
beim Einzuge des Kardinals Erzherzog Ferdinand gemalt hatte,
in die Hände Philipps VI oon Spanien übergegangen sei, dann
durch einen der siegreichen Generale Uapoleons 1 nach Frankreich
und uan dort nach Dondon kam, tna es lange ein unbeachtetes
Dasein führte.
Ein ähnliches Schicksal mie diesem Gemälde aiar einem der
herrlichsten Schäle des kunsthistorischen ITluseums in Wien be-
schieden. Wir meinen das sfimmungsgevoaltige Bild „Der Wald“
oon Jakob uan Ruysdael, das in zahllosen Kopien uerbreifet ist.
Hundert Jahre oder mehr hing das Bild in einem der alten dunklen
Gänge der Hofburg, ohne daij jemand eine Ahnung oon dem
kolossalen Werte hatte, den dieses Kunstwerk repräsentiert. Da
stiefj E. Engerth, der gewesene Direktor der kaiserlichen Gemälde
galerie, auf das in ooller Frische und Pracht strahlende Bild und
zog es aus dem Düster seines Verstecks ins helle Dicht der kaiser
lichen Galerie, wo es seitdem eine flugenmeide aller Kenner bildet.
Alle Welt ist heute darin einig, dafj „Der Wald“ das bedeutsamste
Werk des großen holländischen Dandschafters ist. Der materielle
Werl des Bildes läfjt sich kaum abschätjen, so grof3 ist er.
Wie diesem Gemälde ging es auch manch anderem, das
heute eine Zierde des kunsthistorischen Hofmuseums ist. Einige
der prachtoollsten Bilder oon Canaletto lagen, wer weif} wie
lange, unbeachtet in den Depots des Schlosses Bcloedere. Erst als
man daran ging, die Kunstobjekte des Beloedere in das neuerbaute
Hofmuseum zu übertragen und die Depots einer gründlichen Re-
oision unterzogen wurden, entdeckte man die Bilder und rettete
sie oor dem sicheren Untergänge, dem sie früher oder später
jedenfalls oerfallen wären
Fig. 4: ITlurillos „Bettelknabe“ (s. S. 116).
Die Rettungstaf ist mit Engerths llamen
oerknüpft, der sich auch um eines der
heroarragendsten Werke der bildenden
Kunst, um Tizians „Kirschenmadonna“ ein
unsterbliches Verdienst erworben hat. Engerth
hat dieses Bild, das ob seiner koloristischen
Vorzüge und der grofjen Eeuchtkraft der
Farben mit Recht als eines der oorzüglichsten
Werke Tizians gepriesen wird, für Jahr
hunderte konseroiert.
Vor etwa dreißig Jahren machte man
nämlich die bestiirzende Entdeckung, dafj das
Bild sozusagen in Debensgefahr sei. Die
Deinmand, auf die Tizian seine ITladonna
hingezaubert hatte, war in Fäulnis überge
gangen und es drohte der Verlust eines der
herrlichsten Gebilde menschlicher Kunst.
Engerth aber mufjte Rat, um das unoermeid-
lich scheinende abzuwenden. Der geniale
IRann hatte es sich förmlich zur Cebensauf-
gabe gemacht, das Bild zu retten und es
ist ihm geglückt.
Engerth bemerkstclhgte dies auf folgende
interessante Weise: Er sd^tc sich eine Art Brei
zusammen, der selbsfoerständlich die Ölfarbe
nicht angreifen konnte und den er durch
Jahre frisch und feucht zu erhalten mufjte.
Auf diesen Brei legte er die Bildfläche und
nun begann er die äußerst mühsame und
Fig. 5: „Genrebild oon Danhauser“ (s, 5. 116).