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Internationale Sammler-Zeitung.
riummer 4.
Bibliophilie.
(Eine spät entdeckte literarische Fälschung.) Eines
der berühmtesten und größten Briefbücher aller Zeiten, das uor
allem der frauenweit ans Herz gewachsen ist, Wilhelm n. Hum
boldts „Briefe an eine freundin“, haben sich in ihrer heute roeit
nerbreiteten Fassung als eine weitgehende Fälschung der Empfän
gerin, der „Freundin“, erwiesen lieben einer grofjen Zahl falscher
Pesungen, die durch Flüchtigkeit in den Text hineingekammen sind,
hat sie an unendlich Dielen Stellen kleinere und größere eigen
mächtige Änderungen uorgenommen, längere Hbschnitte, ja ganze
Briefe weggelassen und dadurch Humboldts wahre ITleinungen in
wesentlichen Punkten, so zum Beispiel in jenen, die sein Verhältnis
zu Goethe betreffen, gefälscht. Zum ersten lllale wird in diesen
Tagen nun, mehr als 60 Jahre nach dem Erscheinen der ersten
Auflage, eine authentische Ausgabe der Briefe, non Professor
Ulbert Peißmann in Jena nach den zumeist noch uorhandenen
Humboldfschen Originalen herausgegeben, im Jnseloerlag zu Ceipzig
erscheinen.
(Streit um Garibaldis ITlemoiren.) Aus Rom wird
uns gemeldet: Ein Streit um die ITlemoiren Giuseppe Garibaldis
ist uor dem Turiner Gericht anhängig gemacht worden. Im Jahre
1887 kaufte der Verlag Barbera in Florenz uon ITlenotti Garibaldi
die eigenhändigen Aufzeichnungen des italienischen freiheitshelden
und zahlte hiefür 11.550 Pire für eine Auflage uon 12.900 Exem
plaren. Das ITlanuskript wurde für 50,000 £ire uon ferrucio Prina
gekauft, der es dem jeßigen Bürgermeister oan Rom, Aathan
schenkte. Dieser gab es seinerseits der nationalen Verlagsgesell
schaft mit dem Rechte der Veröffentlichung. Aun tritt der Verlag
Barbera heroor und uerlangt uon der nationalen Verlagsgesellschaft
Schadenersaß, festere beruft sich auf llathan, Aathan auf Prina
und dieser wieder auf den Aduokaten, dem das lllanuskripf an-
uertraut war und uon dem er es erhielt. Dem Ausgange des
Prozesses wird mit lebhaftem Interesse enfgegengesehen.
Bilder.
(Stielers berühmtes Beethooenporträt) ist in den
Besiß des Alusikuerlags C f. Peters in Ceipzig übergegangen.
Das Porträt, das 1810 entstanden ist, gehört zu den wenigen, zu denen
der Tonheros mehreremals gesessen ist. Beethonen ist darauf mit
feder und notenblatt dargestellt. Das Gemälde kam noch zu Peb-
zeiten Stielers in die Spohr’sche familie und gehörte seif Jahren
der llichfe Spohrs, frau Gräfin uon Sauerma.
(Ein Diebstahl im Prado-JAuseum.) hn Prada-lTluseum
zu Jlladrid ist ein überaus wertuolles Gemälde des Kretensers
El Grecco entwendet worden. Das auf Holz gemalte Bild behandelt
einen kirchlichen Stoff. Sein format ist ziemlich klein, so dafj es
bei nicht sehr großer Wachsamkeit leicht wurde, den Diebstahl
auszuführen.
(Die Gemälde-Sammlung des Königs Ceopold uon
Belgien.) Aus Brüssel wird uns geschrieben: Im Aufträge des
Königs Ceopold unterzieht sich gegenwärtig der bekannte Pariser
Taxator Petit der Aufgabe, ein Jnoenfar alter Gemälde, die sich
in den königlichen Schlössern zu Brüssel und Caeken befinden,
aufzustellen Ein solches Jnoentar ist schon einmal uor drei Jahren
aufgenommen worden, als König Ceopold seine Gemälde der ge
planten „Krondomäne“, deren Realisierung an frankreichs Wider
spruch scheiterte, schenken wollte. Das Gerücht, daß die neue
Inuentarisierung auf die Absicht des Königs zurückzuführen sei,
seine Gemäldesammlung zu oerkaufen, wird durch die „Chranique“
zerstreut, die oersichert, daß uon einer solchen Absicht nicht die
Rede sein könne. Das Blatt bringt gleichzeitig eine Studie über die
Sammlung des Königs, dergemäß sich der Wert der 500 Gemälde
Ceopolds 11. auf zirka 5 ITlillianen franks stellt.
Das älteste Gemälde der Sammlung ist ein Werk der florcn-
tinischen Schule des fünfzehnten Jahrhunderts, eine „Jungfrau mit
dem Jesuskind, uon Engeln umgeben“ uon Hngelico da fiesole.
Das Bild stammt aus dem ßesif3 der Prinzessin Charlotte uon
Wales, der ersten Gemahlin Ceopolds 1.; sein Wert wird mit
150.000 bis 200.000 Sranks beziffert. Das wertoollste Stück der
Sammlung ist ein grof3er Gemäldeentwurf uon Rubens, der die
Wunder des Heiligen Benedikt in Gegenwart des Gotenkönigs Totila
darstellt. Das Gemälde, dessen Entwurf Rubens nach seiner zweiten
Heirat 1650 bis 1631 ausgeführt hat, sollte für die Abtei Afflighem
gemalt werden, ist aber nie gemalt worden. Der belgische König
erstand den Entwurf 1881 in Paris beim Verkauf der Sammlung
Tence aus Pille um 170.000 Sranks. Sein Wert wird auf 500.000
Sranks geschäht. Eine freie Kopie des Gemäldeentmurfes uon
Eugene Delacroix gehört der königlichen Sammlung seif 1852 an.
König Ceopold besil3t außer diesem Entwurf noch uicr Ge
mälde uon Rubens, einen Triumph Christi über Tod und Sünde,
der zwischen 1615 und 1620 gemalt und uon Joseph Bonaparte
aus Spanien nach Brüssel gebracht wurde, eine Heilige Therese im
Gebet für die armen Seelen im Segefeuer, die im Jahre 1859 um
16.000 Sranks gekauft wurde und etwa 100.000 Sranks wert ist,
ferner ein Bild uon zwei jungen Cöwen und ein männliches Porträt.
Van Dyck ist mit zwei bedeutenden Werken — einem Porträt des
Brüsseler Bildhauers Duquesnay, des Schöpfers der berühmten
Branzestatue des „lllänneken“ und einem kleinen Porträt uerfreten.
Das wertuollste Stuck der Sammlung nach dem grofjen Ge-
mäldeentmurf uon Rubens ist eines der Hauptwerke uon H obbema,
eine Hütte unter Eichen, die uon Kennern als würdiges Pendant
zu desselben Künstlers „lAühle“ im Couore bezeichnet wird. Der
Wert dieses Bildes wird auf 500.000 bis 400.000 franks gesclu^f.
Die niederländische Schule des siebzehnten Jahrhunderts ist ferner
durch einen Rembrandt, zwei reizenden Kinderbildern uon franz
Hals, einen Jan Steen, einen Van Ostade und zwei Van
Gayen uerfreten.
Eine zweite Gruppe der königlichen Sammlung bilden die
historischen Darstellungen und Porträts, die größtenteils aus dem
nachlaßCeopold s 1. stammen, ln Caeken finden sich beachtenswerte
Porträts uon ITlaria Theresia, Josef 11., Aapoleon 1., der für das
Schloij in Caeken, in dem er 1812 die Kriegserklärung an Rufjland
Unterzeichnete, eine besondere Vorliebe hatte, und Ceopold I. Das
Schloß in Brüssel birgt eine Reihe uon Porträts der Hofmaler Sir
Thomas Cawrence und Winterhalter und zahlreiche andere
familienbilder.
Die dritte und größte Gruppe der Sammlung umfaßt alle
belgischen Kleister der Aeuzeit, uon Gustaue Wappers bis zu
Emile Claus und einige Werke französischer lAaler des neunzehnten
Jahrhunderts, darunter eine Oedipus führende Antigone uon Ingres,
das „niarfyrium des Heiligen Sebastian“ uon Delacroix, das
König Ceopold 1873 für 35.000 franks gekauft hat, und „faust und
Gretchen“ uon Hry Scheffer. Die neuesten Erwerbungen des Königs
sind ein bedeutendes Werk Joseph Turners, ein Carolus Duran
(„C enseigne du maitre d’ armes“) und „Die Besucherinnen“ uon
Alfred Steuens.
Bronzen.
(Alter römischer Schmuck.) ln der Aähe Aiemburgs
stieß man beim Graben auf einen interessanten Bronzeschmuck.
Er besteht aus uier Stäben, die aus uielfach gebogenem Bronzedraht
gefertigt sind. Zwei dieser Stäbe tragen Kettengehänge, an deren
Ende runde uerzierte Scheiben aus Bronzeblech sich befinden. Ganz
besonders reich sind aber die beiden Tragstäbe uerziert. Dicht
aneinander hängen daran ohrringartige Gebilde, deren jedes noch
durch eine Berafscheibe und eine farbige Perle geschmückt sind.
Der Schmuck dürfte nach Ansicht uon Kennern römischen Ursprungs
sein und etwa der Zeit um Christi Geburt angehören. Die Cöttechnik
war zu jener Zeit noch unbekannt. Der Schmuck wurde für das
lAuseum in Aiemburg angekauft.
Ex libris.
Henry Andre. Ces Exlibris de ITledidns et de Pharmaciens
suiuis d'une etudo sur les marques personnelies macabres. Paris
1908. — Wir wissen nicht, ob es reiner Zufall ist, daß Ärzte mit
Vorliebe ihre Bücher durch Ex libris kennzeichnen, oder ob dieser
Erscheinung ein logisches Geseß zugrunde liegt; Tatsache ist, daß
seit jeher dieser Beruf ein großes Kontingent zum Heere der Ex
libris-Besißer stellte. Der Verfasser des oben zitierten Werkes, ein
Künstler uon gutem Rufe, der selbst eine Reihe uon Ex libris schuf,
die sowohl der Idee als auch der Ausführung nach gleich an-