Seife 148
internationale Sammler-Zeitung.
Rümmer 10
Doch Etwas über alte Theaterzettel and Uergnügungsanzeigen.
Vom kaiserlichen Rat Benjamin Schier (Wien). 1
Das Interesse, das die Publikation über meine
Sammlung alter Theater- und Vergnügungsanzeigen erregte,
ermutigt mich zu weiteren „Enthüllungen“.
Ehe ich aber mit denselben herausrücke, möchte ich
einer der interessantesten Ankündigungen aus der Alt-
Wiener Theaterroelf ermähnen, die ich leider nicht besiße,
die aber in der Sammlung eines Wieners enthalten ist,
fig. 4. Ridinger: Der nachdenkende Jäger.
„Jagdbücher und Bilder“, S. 146.
mo ich sie selbst gesehen habe. Es ist dies das große
Plakat betreffend die Verlosung des Theaters an der
Wien!
Es dürfte Wenige geben, welche non dieser Verlosung
überhaupt etwas wissen. Das Theater an der Wien stand
non 1806 bis 1819 unter der Ceitung der „neuen
Theaterunternehmungsgesellschaft“, die aus drei
fürsten und fünf Grafen bestand, und war mit den beiden
Hoftheatern oereinigt. Diese Gesellschaft kam aber trofj
interessanter Rooitäten (Opern, Dramen und Schauspiele)
und troß heroorragender Rlitglieder und Gäste auf keinen
grünen Zweig. Rach und nach
schieden aus dieser Gesellschaft
alle bis auf die fürsten £ob-
kowiß und Schwarzenberg
und den Grafen Palffy aus,
welch leßtererderHauptinferessent
des Unternehmens war, da er
den ausgetretenen Teilhabern ihre
Anteile abgeläst hatte. Durch
den Wiener Kongreß und die
anläßlich desselben stattgehabten
festoorstellungen, welchen sowohl Kaiser franz als
auch seine Gäste, der Kaiser oon Rußland, die Könige
oon Preußen, Sachsen, Bayern, Württemberg und Däne
mark, sowie zahlreiche andere fürstlichkeiten anwohnten,
kam das Theater wieder in die Höhe, es wurde
Iffland und Koßebue gegeben, es fand die Urauf
führung der „Ahnfrau“ oon Grillparzer (am 31. Jänner
1817) statt und auch Opern oon meyerbeer und Schubert
zierten den Spielplan dieser Bühne. Troßdem fanden die
Unternehmer aber nicht ihre Rechnung und beschlossen
daher in Ermanglung eines Pächters oder Käufers, das
Theater auszuspielen, was ihnen die Behörde auch
gestattete.
ln der „Wiener Zeitung“ oom 27. Dezember 1819
und durch große Plakate an allen Straßenecken ward an
gekündigt, daß das Theater an der Wien samt allen
Utensilien der Haupttreffer einer Totterie sei, deren Ziehung
am 31. August 1820 stattfinden wird. Die Indignation
der Beoölkerung, sowie die Bestürzung des Personales
waren gleich grofj. Troßdem wurde die Ziehung programm
mäßig am 31. August uorgenommen und ein Herr ITlayer
aus Tyrnau war der glückliche Gewinner, der sich aber
oom Grafen Palffy mit 300.000 Gulden abfertigen lief),
so daß dieser wieder der alleinige Besißer des Theaters
wurde.
Aus dieser Direktionszeit besiße ich einen Theater
zettel der ersten Aufführung des Rtelodram’s „Abraham“,
worauf bemerkt ist, daß bei derselben der Zuschauer
raum parfümiert wird.
Das Theater wurde dann umgebaut und im Jahre
1821 zog sich Graf Palffy definitio oom Theater an der
Wien zurück. Seine Rachfolger waren Barbaja und ein
„Rlusikkomitee“. 1825 wurde das Theater wegen schlechten
Geschäftsganges geschlossen. Dann kam für kurze Zeit
Direktor Earl, nach welchem das Theater im Exekutions
wege oersteigert und um 147.000 Gulden C. 11J. oon den
Baron Wimmer’schen Erben erstanden wurde. Der Haupt
erbe, Herr Cajetan Hruscho wsky Ritter oon Hruschoma
erhielt im Jahre 1828 neuerlich die Bewilligung zum
Ausspielen des Theaters, machte aber oon derselben
keinen Gebrauch.
Jn der Reihe der späteren Direktoren des Theaters
an der Wien findet man auch den Ramen Earl friedrich
Hensler, welcher schon in den Zwanziger Jahren Direktor
des Josefstädter Theaters war, welches damals nicht so
leicht zu erreichen war, wie heute, denn es sperrte der
unwegsame, schlecht oder gar nicht beleuchtete „Exerzier-
1 Siche Flr. 6 der „Jnterna-
tionülen Sammler-Zeitung“.
Sig. 5. Cberjagd. Kupferstich des 16. Jahrhunderts.
„Jagdbücher und Bilder“, S. 146.