Hummer 12
Internationale Sammler-Zeitung.
Seite 181
Schaft suchten, ohne den feinsten, persönlichsten Kunstsinn,
doch das Beste des damals für schön Geltenden für sich
auszulesen und so ist, ums sie (unterließen, überaus be
zeichnend für den allgemeinen Geschmack der Gebildeten j
jener fahre. Und eben diese Zeit, aus der die Sammlung
stammt, ist interessant genug, es ist die Zeit einer nach
kaum analysierten Wandlung, die Zeit des Überganges in
Deutschland aus einer relatio hohen in eine relatio nied
rige ästhetische Kultur, die Zeit eines uorrualtend politischen
Ringens und Grringens und eines Verlierens der künstle
rischen Instinkte, die Zeit zwischen Biedermeier und der
Reproduktion der historischen Stile. Als ein Dokument
dieser Zeit uerdient die Toßbecksche Galerie, mie in Berlin
etwa die Sammlung Rauene, in hohem Grad die Betrach
tung des freundes kulturgeschichtlicher Ginsichten, sie
kann aber auch dem weniger historisch gesinnten
Kunstfreund durch einige schöne und fesselnde Werke
Freude bereiten.
Die Galerie ist durch die Bemühungen zweier Glieder
der Familie entstanden: in den Dreißigerjahren legte Frei
herr Karl oon Eatjbeck eine Sammlung zeitgenössischer Ge
mälde an, die dann in den Vierzigerjahren uon dem jün
geren Alfred uon Coßbeck wesentlich oermehrt wurde; dieser
fügte überdies eine Anzahl Skulpturen und eine kleine Tese
älterer Gemälde hinzu. Diese Art der Gntstehung tritt aller
dings in der heutigen Anordnung der Galerie nicht mehr
heroor; es ist aber sehr merkwürdig, wenn man sich die
ITlühe der Feststellung nimmt, wie die beiden Sammler, die
beiden Jahrzehnte, in dem was sie lieben, ooneinander
abstechen, und man möchte diesen Gegensaß gerne für den
allgemeinen Geschmack der Zeit und seine Wandlung als
typisch ansehen.
Karl uon Coßbeck scheint ein Deutscher uom alten
Schlag gewesen zu sein, in seiner Kunstliebe spricht sich
die Aeigung zum Tüchtigen und Gediegenen, wenn es
selbst hart und holprig ist, Dar allem aus. Von Ausländern
hat er nur, wenn nicht auch dies ein Irrtum des Katalogs
ist, zwei antikische Gemälde des Riccolo Consoni gekauft,
gefällige Bilder aus der Tradition der Rlengs und Dauid,
die einen gewissen eingeborenen Sinn für Größe und An
mut einer edel sich tragenden JTlenschheit bezeugen. Unter
den Deutschen aber sieht man nur auf der einen Seife die
Idealität und Grdenferne jener JTlalerjünglinge noch nach
wirken, die man die Aazarener nannte. Die oierzig Goan-
gelienzeichnungen uon Ooerbeck zwar, die ursprünglich der
Sammlung gehörten, sind 1882 bei einem Brande zerstört
worden, aber es oerfreten heute noch die Klosterbilder uon
Rüben, der Gremit des Quaglio jene Tradition. Rur freilich,
aus den abstrakten biblischen Sphären war man nun zu
der uerschönten Wirklichkeit frommer ITlönche, gefühluoller
Rönnen und fraulicher Ginsiedler herabgestiegen. Auf der
anderen Seife aber findet man uon einem ganz anderen
Punkte aus auch wieder wie dort die Kunst auf das Genre
bild gekommen: in den zahlreicheren Bildern der JAünchener
realistischen ITlaler, die mit dem Ausgange des 18. Jahr
hunderts schon nach den IJJustern der alten Holländer sich
der Grscheinung zu bemächtigen suchten. Auf einem
Wege gehen (Haler wie Wagenbauer, wie Peter Hefj, wie
Heideck, wie der Tiermaler Kunß. Zu ihnen gehört auch,
erfreulicher als sie, der alte biedere Albrecht Adam mit
der saftigen, kernhaffen und kraftuollen Cokalfarbigkeit
seiner beiden Jagdbilder. Seine Söhne Benno und Franz
Adam erreichen ihn freilich lange nicht in ihren eleganten,
geleckten Pferdebildchen. Und endlich wird man den Schil
dere!' des bayerischen Gebirges, Heinrich Bürkel, zu jenen
zählen dürfen — seine unendlich sorgsame und feinfühlige
ITlalmeise, sein Sinn für eine lebendigere Wirklichkeit, für
höhere freiere Himmel stellen ihn weit über sie. Zu diesen
genremäßigen kundschaften treten dann zwei ITlaler des
größeren heroischen Weltbildes, wie es der monumenta
leren Gesinnung jener nazarenischen Rachfolge entflossen
war: der Hamburger Christian lllorgensfern mit einer
schönen, großkomponierten und sehr gut gemalten £and-
i schaff uom Bodensee, der Süddeutsche Karl Rottmann, mit
einem der Ratur ziemlich weif entfernten Bild der Salz
burger Berg- und Stromwelt, mit einer sehr fein empfun
denen Candschaff uon Perugia, mit dem Blick über die
Gbene nach Assisi. Das große architektonisch freie Schalten
des JTlalers mit den Raturformationen, aber auch sein Blick
für die üuftströmungen der Ferne und die Wirkung der
mannigfachen lichtgebilde kommt in diesen Bildern besonders
schön zum Ausdrucke.
Während man so uon der Sammlung des älteren
Freiherrn das Bild einer spezifisch deutschen Kunstgesin-
nung gewinnt, das Bild einer gewissen Ginfalt und Bieder
keit, einen Gindruck uon Grnsf, Gediegenheit und einer
gewissen Strenge, aber auch uon echtem inneren Gefühl
für Adel und Gröfje, so führen die Grwerbungen des jün
geren Sammlers, die Werke der Vierzigerjahre, in eine
ganz andere Sphäre: hier enthüllt sich nun ein internatio
naleres, weltmännischeres Wesen, mehr das Glänzende, das
Oberflächliche, mehr Sentimentales, Theatralisches als wahre
Gmpfindung drängt sich auf, aber freilich auch mehr Bunt
heit der Grscheinungen, Dielleicht nur der Schein statt der
Gesinnung, uiel Wertloses, aber am Gnde auch eines der
entzückendsten kleinen Kunstwerke des schönsten Scheins.
Und so warten denn hier auch die Deutschen mit
südlichen Racktheiten, mit sentimentalen Stimmungsbildern
auf, mit Dingen, die Deutschen so wenig stehen. Die ge
stellten und geleckten Bilder des Benno Törmer, eine lauten-
spielerin, oder badende Rymphen, die falsche ITlythalagie
Karl JJlarkos, weder ITlalerei noch Poesie, werden immer
ungenießbar bleiben. Auch Cafel, der begabtere, zeigt hier
in pseudoromantischen Rächten den uollkommenen Verfall
einer einst hoffnungsuallen Kunst. Seine Bilder sind farbig,
aber die Farben wirkungslos kalt, da ihr Reiz und ihre
Wirkung aufeinander nicht einmal geahnt ist. Dieselbe
romantische Ceier schlägt August uon Bayer in seinen all
zu bekannten Bildern uon Kirchen, Prozessionen und Kon-
uenten, deren matte bengalische Beleuchtung für das man
gelnde echte Eicht und die echte Gmpfindung entschädigen
soll. Viel erfreulicher ist schon Zimmermanns arkadische
Kundschaft: man spürt hier schon den Übergang zu den
Jtalienmalern der Schack-Galerie, und der Bedeutendste uon
allen ist, trat] allem, was man gegen ihn sagen kann:
August Riedel, der berühmte Schönheitsmaler. Seine Heroine
ITledea, ein floffgemaltes breitzügiges Gffekfstück, hat dach
etwas uon gutem Theater, und man darf sie mit ähnlichen
Werken ITtakarts oder Feuerbachs in der Art ihrer Kunst
wohl Dergleichen. Roch lieber ist mir die süfje Sakuntala,
ein sehr sauber und gefällig gemaltes Bild, gewiß nicht
grofje Kunst, aber immer ein anständiges Kulturdokument,
und koloristisch durchaus nicht schlecht. Dieser ITlaler
konnte wenigstens malen. Besser malen konnten freilich
schon damals die Franzosen — ich übergehe die bedeu
tungslosen Italiener Schiauoni und Bonfigli — Ary Scheffer,
wenn man ihn für einen solchen gelten läfjt, in seinen
überlebensgroßen Faustbildern, die trocken, kalt und un
säglich hohl, doch etwas uon klassischer Schulung und
Vollendung haben, das den Deutschen abgeht, Delaroche,
Vernet, Decamps, JTleissonier, deren Bilder einst die Ga
lerie schmückten und leider demselben Brand wie die Ouer-
becks zum Opfer fielen, und endlich der ITlaler des schönen
Kabinefstiicks, das allein den Besuch dieser Sammlung
uielfach belohnt: Rarciso Virgilio Diaz. Gin entzückendes,
weiches, farbensüßes Bildchen: JTlädchen in die Rlittag-
dämmerunguon Gebüschen geschmiegt, das Ganze schwebend
in reichen und doch weichen Tönen, aus deren feuchten
und abgedämpften Schatten ein bezauberndes Rosa, ein
lächelndes, träumerisches Geschöpf sich ins licht schmiegt,