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Internationale Sammler -Zeitung.
riummer 12
sind teuer, ihre Anschaffung würde millionen erfordern. Klag aber
dies alles noch hingehen; ich fürchte nur, derjenige Teil der Brief
schreiber, der keinen Apparat besiljt — und dies tuerden immer
hin 95 u. H. sein — wird die Unbequemlichkeit bald satt be
kommen, denn diese Teufe mürden jedesmal erst ein Wirtshaus,
eine Poststelle, auf dem Tande den Gemeindeuorsteher oder das
Schulhaus aufsuchen müssen. Und mie uiele Briefe werden spät
abends oder nachts geschrieben, die mit den Mhzügen abgehen
sollen? Dann müfjte doch in der llacht einer dieser glücklichen
Stempelbesiker behelligt oder gar aus dem Schlafe gerueckt coerden.
Auch diese roenigen ITlitmenschen würden wohl mit der neuen
Ginrichfung unzufrieden werden!
Aber wir könnten oielleicht automatisch kassierende öffent
liche Briefkasten einführen, die nur dann einen Brief aufnehmen,
wenn zugleich auch an dem Ginwurfe die für die frankierung
nötige münze eingelegt wird. Diese Briefkasten könnten auch die
eingelegten Briefe abstempeln. Dies hört sich alles so einfach an,
dafj es den Haien, die sich über das weitere Wie und Wo kein
Kopfzerbrechen machen, wohl einleuchfen könnte, wenn man an
solchen Wunderapparaten die Gnfbehrlichkeit der Briefmarken zu
beweisen sucht. Aber ein solcher Briefkastenautomat ist doch immer
ein unuernünftiges Wesen und wird kaum imstande sein, zwischen
einfachen und doppelten, zwischen Orts, Tandes- und Ausländs
briefen zu unterscheiden, und wie er sich zu den uerschiedenen
lllünzen und falschmünzen uerhalten sollte, würde wohl noch ein
angestrengtes llachdenken unserer ITlechaniker erfordern, für
unfrankierte und portofreie Briefe, wie für dicke umfangreiche
Briefe, Drucksachen und Warenproben müßten ja immer noch andere
Briefkasten uorhanden sein, wenn es dann noch Briefmarken geben
sollte; anderenfalls müßten sie erst freigestempelt werden. Brief
kasten mit Geldinhalt würden willkommene Angriffsgegenstände
für Diebe sein, und da die Post nicht neben jeden Kasten eine
Schildwache stellen kann, wären Beraubungen an der Tagesordnung.
Überhaupt wird bei allen bekannt gewordenen Vorschlägen
auf die Schattenseite der menschlichen Gemütsart, auf die lleigung,
dem Reichssäckelmeister gelegentlich eins auszuwischen, zu wenig
Rücksicht genommen. Und doch würden frankostempel und auto
matische Briefkästen zu Betrügereien Anlafj und Gelegenheit geben,
gegen die die Post in oielen fällen wehrlos dastünde. Die in
großer Anzahl bei Prioaten im Verkehr befindlichen Stempel könnten
nachgeahmt, oder aus den echten Apparaten könnte die Sperr-
uorrichfung, die nur eine beschränkte Zahl oon Stempeln zuläfjt,
gelöst werden, und es wäre dann eine Tust, frankoabstempelungen
oorzunehmen, für die die Post niemals Bezahlung erhielte. Und
wenn die Briefkasfeneinrichtung plötjlich uersagfe? Kurz, überall
ein Heer Don Zweifel und möglichkeifen, und das Unbehagen,
keine ausreichende Kontrolle führen zu können, Jeljt übersieht
der geübte Beamte mit einem kurzen Blick auf die marke und ihre
färbe, ob das oerwendete frankierungszeichen echt und die fran
kierung richtig ist. Wir haben es ja auch im Weltpostoerkehr so
weit gebracht, dafj die Hauptmarken in den meisten Tändern grün,
rot und blau ausgegeben werden, so dafj man schon an der färbe
den Wert der Hlarke erkennt. Wie bei der Barfrankierung die
Prüfung der Gchtheit und Gültigkeit der frankostempel auch geschieht,
so einfach und sicher wie bei Briefmarken können sie nicht sein.
Worin sollen nun die Vorteile der Barfrankierung liegen, die
die Briefauflieferung zu einer solchen Haupt- und Staatsaktion
macht? Die Post hätte nur niehrkosten, unnütze Weiterungen und
Unsicherheiten zu erwarten. Wenn es in oereinzelten fällen, wenn
etwa gerade der markenoorrat ausgegangen ist, auch bequem
wäre, den Brief ohne marke mit dem Geldstück in den Kasten
legen zu können: für gewöhnlich wird der Absender seinen Brief
lieber zu Hause mit der freimarke postfertig machen; er kann
dann jedes Kind damit zum Briefkasten schicken. Das einzige,
was an den krausen Plänen der Barfrankierung erwägenswert
erscheint, ist die frankierung oon JTlassenauflieferungen durch
Postbeamte mit Stempelapparaten, wie die Bayern es jetjt oer-
suchen. Solche Stempelapparate könnten oielleicht bei grofjen
Postämtern mit starkem Drucksachenoerkehr, bei Totteriebriefen usw.
gute Dienste tun. ITlan sollte aber die Vorteile dieses Verfahrens
nicht überschätzen: jedenfalls sind die in anderen Tändern damit
gemachten Grfahrungen nicht gerade ermutigend, Gewifj ist für
Geschäftsleute, die Hunderte und Tausende oon Briefen oder Druck
sachen auf einmal aufliefern, eine Grleichterung darin zu erblicken,
wenn ihnen die Stempelmaschine die Arbeit des ITlarkenklebens
abnimmt. Aber das Ordnen und Zählen und das Warten auf dem
Postamfe bei den fesfstellungen erfordert annähernd ebensooiel
Zeit, wie bei frankierung mit marken. Die Sendungen nach dem
Auslande müßten oorher ausgeschieden werden, weil im Weltpost
oerkehr die frankierung mit marken oorgeschrieben ist. Dafj die
Post aber durch die Barfrankierung mehr Arbeit erhielte, kann
nicht zweifelhaft sein. Die Kontrolle ist umständlich und zeitraubend.
Jeder Brief ist ein Zahlungsgegenstand; der Beamle mufj die oom
Absender angegebene Stückzahl nachprüfen, ein anderer die Kon
trolle führen, überhaupt müfjte der ganze Hergang bis zur Ab
sendung unter strenge Aufsicht gestellt werden; denn nachher hört
jede Prüfung auf. Gs wird jetjt allgemein dahin gedrängt, die
Post solle ihren Betrieb oereinfachen und, mie es die Gngländer
und Amerikaner machen, die Teufe mehr zur ITtitarbeit heranziehen.
Um mit dem ungeheuren ITlassenoerkehr fertig zu werden, hat
die Post in der lefjten Zeit ihren Betriebsdienst geradezu radikal
oereinfachen und auf Hachweise oerzichten müssen, ohne die man
oor zehn oder zwanzig Jahren geglaubt hätte, es würde alles
drunter und drüber gehen, ln diese Bewegung würde meines
Crachtens das Barfrankierungsoerfahren schlecht passen. Wir können
ja die Grfahrungen der bayrischen Posfoermaltung abwarten; aber
etwas einfacheres und Sichereres als die Briefmarke kann ich mir
für die frankouerrechnung wirklich nicht gut denken. G. IT
*
Zu den Versuchen, die jetjt in Bayern gemacht werden, die
Briefmarken abzuschaffen und Stempelapparate einzuführen, ist
zu bemerken: Die österreichische Posfoermaltung ist nicht
geneigt, sich diesen Versuchen anzuschliefjen. Dagegen hat Öster
reich sich nach Heuseeland gewendet um sich oon diesem Staate
einige der dort schon seit zwei Jahren in Gebrauch stehenden
Abstempelungs-Automaten kommen zu lassen. Cine Beschreibung
dieser Apparate, die sich sehr bewähren sollen, haben mir bereits
in der Hummer 15 des oorigen Jahrganges gegeben. Die oan der
Post leihweise an grofje Geschäftshäuser abgegebenen Apparate
enthalten eine Vorrichtung, in die man die Briefe hineinwirft. Der
Briefträger hebt sie nach Übereinkommen aus, nachdem sie sich
im Apparate selbst gespempelt haben; ein Zähler nach Art der
Gas- oder Wassermesser zeigt an, welchen Betrag der Absender
bei Aushebung zu entrichten hat. Dieser Apparat macht die
marken nicht überflüssig. Hach mie oor werden sie auch in
Österreich in Geltung bleiben, da diese Abstempelung nur für
ITlassenscndungeii über 500 Stück berechnet ist.
OSII