Zenfralblatt für Sammler, Eiebhaber und Kunstfreunde
Herausgeber: llorbert Ehrlich und J. Hans Prosl.
2. Johrgang. Wien, 15. Juli 1910.
Hummer 14.
Einkäufe an Bord.
Echtes und Unerhtes.
Von Ri fhard
n allen fernen Häfen, und cuo immer das Schiff
anläuft, überall gibt es Kurioses zu sehen und
zu kaufen. Ulanchmal freilich sind es blafj
tropische fruchte, die zroeifellos nicht imitiert
sind und Viktualien, die der Sammler am
besten im ITlagen aufhebt, fast immer aber
gibt es noch andere und jedenfalls dauerhaftere
Dinge, roirkliche Raritäten und Produkte des
Gewerbefleißes, die für uns Kultinierte eben
solche Raritäten sind, roie die Glasperlen für
die Wilden. Aber sind sie das coirklich nur für
die Wilden? Wir wollen einmal sehen.
Gleich menn das Schiff in Port Said an-
kommt, noch beoar es recht uerfäuf ist, stürzt
sich die Horde der Händler an Bord und preist
ihre zweifelhaften Schätje an. Da ist zum
Exempel einer, der handelt mit Skarabäen. Sie sind sehr
gut erhalten, Gott sei Dank, obzwar sie eben erst frisch
ausgegraben wurden. Wenigstens sind sie recht schmutzig,
so wie es sich eben für einen echten Skarabäus schickt.
Denn die Skarabäen und die Ausgrabungen überhaupt
mufj man wie die JTlenschen beurteilen: je ungewaschener,
deslo echter. Der Kenner freilich wird sich so einen un
gewaschenen Skarabäus ebenso genau ansehen, wie einen
aufs sorgfältigste gereinigten, fr wird sich ihn namentlich
im Profil ansehen. Denn die alten Ägypter, die zwar in
der praktischen Perspektioe manche lächerliche fehler be
gingen, wie sie heutzutage sicher keinem ordentlichen
Schuljungen mehr passieren, die alten Ägypter waren im
Grunde doch recht gute Beobachter der Dafür, uam ge
stirnten Himmel bis hinab zum ITlistkäfer, zu dessen
großer familie auch der heilige Skarabäus gehört. Die
alten Ägypter also wußten, daß der Halsschild des Käfers
über den Eeib wulstartig hernorspringt, dafj er jedoch
nicht, wie man es an den gefälschten Skarabäen so ge
wöhnlich sieht, unmittelbar und ohne Grenzen, ohne
markanten Absaß in den Eeib übergeht, Des weiteren
wird der Kenner die Bohrung einer genauen Inspektion
unterziehen und namentlich befriedigt sein, wenn der
Kanal nicht etwa in einer Geraden, sondern winkelig ge
knickt oerläuft. Die Älfen haben die Bohrung hergestellt,
6. SpHj (Wien).
I.
wie wir die Stollen durch die felsen treiben; sie haben
non beiden finden gegen die Hütte gebahrt, bis sich die
beiden Kanäle trafen und nereinigten. Auf die haargenaue
Richtung kam es den Riten dabei so sehr nicht an. Es
mar also auch nebensächlich, ob die Kanäle schnurgerade
verliefen oder im Winkel zusammenstießen. Aber ebenso
wenig wie auf die Richtung kam es auf die Eichtling an:
der eine Kanal konnte weit, der andere eng sein ein
faden zum Aufreihen des Skarabäus hatte ja doch immer
Plaß. Daher findet man auch nicht selten, dalj das eine
Bohrloch weit, das andere aber viel enger ist. freilich
kann auch das imitiert werden, genau wie die Cartouche,
wenn es sich gerade einmal ein ägypfologisch geschulter
fälscher angelegen sein läljt, ein ffleisterstiick zu liefern.
Alan erinnert sich in dieser Hinsicht wohl noch der
grandiosen Skarabäen-fälschung, der man vor einigen
Jahren in Paris auf die Spur kam. Allerdings darf man
einen Umstand nicht auljer Acht lassen: der gute fälscher
wird für seine Bemühungen doch immer einen anständigen
Preis verlangen. Der Skarabäus aber, zeigt er nur sonst
| die Kennzeichen eines echten, wird desto sicherer ein
echter sein, wenn der dafür geforderte Preis ein verhält
nismäßig geringer ist. Zum Beispiel ein glasartiger, farb
loser Skarabäus, den die feile nicht rißt, ist nach dieser
kurzen, wirklich oberflächlichen Probe als ein wahrschein
lich echter anzusehen, namentlich dann, menn für ihn,
wie das nicht so selten geschieht, ein immerhin geringer
Preis gefordert wird. Denn es lohnt sich wohl für den
finder eines echten, eine solche Bezahlung für seine
mühelose Tätigkeit zu erhalten, aber es lohnt sich nicht
für den fälscher, um einen vergleichsweise geringen Betrag
ein so schwieriges material, wie es der Bergkrystall ist,
zu bearbeiten.
natürlich spielt auch die färbe des Skarabäus eine
bedeutsame Ralle. Die Königin Viktoria erhielt einmal
ein Halsband aus tiefblauen Skarabäen, und kennt man
diese färbe, so mag man schon allein daraufhin getrost
jeden derartigen zum Kaufe angebotenen Skarabäus er
stehen: denn es ist bis heute nicht gelungen, dieses leuch
tend blaue Emaille zu erzeugen. Das Geheimnis ist mit
den alten Ägyptern aus der Welt verschwunden. Ulan