Rümmer 15
Internationale Sammler-Zeitung.
Seite 227
Der erste Band, der uns bereits
oorliegt,* stellt einen gelungenen Ver
such dar, uns ein einheitliches Bild der
chinesischen Kunst oon ihren ältesten
Zeiten au zu geben. Der Verfasser
mar sich der Schmierigkeiten seiner
Aufgabe oall beroußt. Rieht ohne Zagen
ging er an ein Unternehmen heran,
dem immer der Ruhm bleiben roird,
dafj es das erste seiner Art ist. „Bange
— so bekennt er treuherzig in seiner
Einleitung —• zögerte ich, aber schließ-
lich entschloß ich mich, das Resultat
meiner langjährigen Studien als ersten
Versuch einer chinesischen Kunstge
schichte zu veröffentlichen“. Und be
scheiden fügt er hinzu: „Bei dem
fehlen der Vorarbeiten kann meine
Arbeit nicht erschöpfend sein; sie ist
nicht der Abschlußbau einer Jahrhunderte alten forschung.
sondern das erste Konstruktionsgerüst einer neu entstehenden,
erst auszubauenden Wissenschaft.“ Wenn es ein Gerüste
nur ist, so ist es eines non stolzer Art, das nie abgetragen
merden darf, da es jedem künftigen Baumeister oon grotjem
Rutjen sein mird. So ein Gerüst hilft leicht meiter bauen;
dem Verfasser selbst hat es dazu gedient, ein festgefügtes
Gebäude aufzurichten.
Der erste Band zerfällt in zroei große Abschnitte,
* Chinesische Kunstgeschichte uan Oskar Illünsterberg.
Erster Band. ffjlingen a. 11. Paul lieft Verlag (Illax Schreiber) 1910.
fig. 3, Glücksgöttin Stri Deni.
fig. 2. Holzschnitzereien aus der Tangzeit.
I deren einer die oorbuddhistische Zeit behandelt, mährend
der andere der ITlalerei und Bildhauerei nach der Ein
führung des Buddhismus geroidmet ist. Auf die vor-
buddhistische Zeit zurück zu gehen, erschien dem Verfasser
mit Recht unerläßlich, da die asiatischen Kulturstaaten be
kanntlich nicht isolierte, aus sich heraus selbständig ent-
mickelte Oasen sind, mie sie sich uns heute repräsentieren,
sondern nur eigenartige Weiferentroicklungen in der ge
meinsamen Weltkultur. Vieles, roas in dem heutigen China
nicht mehr deutlich erkennbar ist oder in den Geschichts
merken nicht mehr ermähnt roird, hat sich in andern, mehr
zurückgebliebenen Kulfurprooinzen Ostasiens erhalten.
Illünsterberg beginnt mit der Steinzeit und es ist inter
essant, daß er zum Schlüsse kommt, dafj spätestens im
dritten Jahrtausend uor Christi ein westlicher kaukasoider
Volksstamm die ersten Anfänge einer Kunst nach Ostasien
gebracht hat. Eine schon hoch entroickelte Ornamentik der
proemykenischen Bronzezeit rourde mitgebracht und aus
ITlangel an material ausschließlich in Ton nachgeformt.
Der Verfasser meist darauf hin, daß einzelne formen und
die Vorliebe für Halb-Edelsteine sich bis in unsere Zeit
erhalten haben.
Von Bedeutung für die chinesische Kunst roird aber
erst das Eindringen hellenischen Geistes, das Illünsterberg
in das dritte Jahrhundert oor Christi Derlegt. freistehende
menschen und Tierfiguren in Stein und Bronze als Schmuck
der Architektur oder der Gärten merden geschaffen und
Bilder gemalt, nachdem der Verfasser noch die Hanzeit
charakterisiert, geht er zur hohen Kunst über, die er mit
größter Gründlichkeit behandelt. Bei diesem allgemeinen
Hinmeis auf das treffliche Werk mag es sein Beroenden
haben; es kann nicht Sache eines kurzen Aufsaßes sein,
ein Werk zu miirdigen, dessen jedes Kapitel einer Be
sprechung oerdiente. An der Hand einiger Illustrationen,
die mir mit gütiger Erlaubnis des Verlages reproduzieren,
seien einige Beispiele für die Art und YVeise gegeben, mie
Oskar Illünsterberg sein ITlaterial oermertet.
Der Tangzeit, 618—960, gehört die buddhistische
Bronzefigur an, die fig. 1 veranschaulicht. Sie ist etroa
dreißig Zentimeter hoch und befindet sich im Ryngaiji-
tempel zu Hainata in Japan. Es soll eine Arbeit des
Chinesen Chi Shouthün sein, dessen Arbeiten sich durch
naturalistische Auffassung auszeichnen, ßemerkensroert
an der figur ist die Charakterisierung durch die Haltung
der Hände und die Kopfbekrönung.
Zu den besten Arbeiten der buddhistischen Bildhauerei
zählen die fünf großen Bodhisafoas, die mir in fig. 2
bringen. Diese Holzschnißereien rourden roahrscheinlich
mährend der großen Buddhistenoerfolgung in China oon
heimkehrenden lllönchen nach Japan gebracht und merden
heute im Kroanchiin-Kloster in Kyoto aufbemahrt. Im Ver,