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Hummer 15.
Internationale S
geschaffenes; theoretisch nämlich. Praktisch roird es oft
besser ausfallen, roeil das Bewußtsein, daß das Werk
einen gesicherten Zroeck hat, die Arbeitslust erhöht.
Schreibt der Auftraggeber einen Termin oor, so be
deutet dies schon eine Einschränkung, roeil der Künstler
gerade innerhalb der gegebenen Zeit roeniger leistungsfähig
sein kann. Ein allgemeiner Zroang, derjenige, überhaupt
arbeiten zu müssen, ist notwendig, soll das Höchste er
reicht roerden, doch nicht der, mit irgend einer Arbeit zu
einer bestimmten Zeit fertig roerden zu müssen. Wie sehr
ein Termin anderseits die Heistungsfähigkeit steigern kann,
haben roir noch aus der Zeit der Prüfungen in Erinnerung.
Diese Steigerung der Willenskraft ist aber oerschieden oon
der gesteigerten Energie des Künstlers. Sie ist eine
registrierende, fertige Daten und Tatsachen aufnehmende,
ein Verstehen und merken gegebener Produkte anderer,
während sie beim Künstler eine schöpferische ist. Er hat
seinem Werk in jedem Stadium erst abzulauschen, was es
oerlangt und dann zu oersuchen, zu schaffen, im reinsten
Sinne des Wortes, bis zum letzten Strich, den er daran
macht. Aie roeiß er uarher, roieoiel Arbeit ihm eine Auf
gabe geben roird, roeil er sie erst während der Arbeit
kennen lernt. Wird einer künstlerischen Arbeit ein Termin
gesetjt, so roird durch denselben die Verarbeitung jener
Erfahrungen, die der Künstler während der Arbeit an
seinem Werke macht, eingeschränkt, roenn nicht gar ab
geschnitten, oorausgeseßt, daß der Termin ein kurzer ist.
Der Künstler hat ja gewöhnlich die menge der innerhalb
des bestimmten Zeitraumes zu leistenden Arbeit aufs
äußerste bemessen und sich sein Programm zurechtgelegt,
mufj daher nicht nur oieles, was er eoentuell noch zum
Gedeihen der Arbeit unternehmen könnte, unterlassen,
sondern auch, sich während der Arbeit oft oon selbst
ergebende, überraschende, oielleicht sehr roertoalle JTla-
mente unberücksichtigt lassen und an seinem Programm
festhalten. Er könnte daher in solch einem Werke immer
nur, und zroar ebenfalls, die Stufe seines leßtoorher-
gegangenen Werkes erreichen; es läßt sich aber nur ein
Teil der bei dem einen Werke gemachten Erfahrungen auf
das andere anroenden und der Künstler steht jeder neuen
Aufgabe wieder als Hehrling gegenüber. Kann er dann
nicht auch alles das, was er an dem Werke selbst lernt,
daran gleich uerroerten, und so seiner Aufgabe oollkammen
gerecht zu roerden, so kann ein bedeutendes Werk nicht
zustande kommen. Der wahre Künstler fügt sich natür
lich nicht ohneroeiters den feindlichen Verhältnissen und
er überanstrengt sich eher, als daß er roichtige ITlomente
außeracht ließe. Anstatt sich an jeder Arbeit zu oerooll-
kommnen, roird der immer mit Termin Kämpfende an jede
ein Stück seines Hebens hängen, ohne damit besonderes
erreicht zu haben, fast nie roird ihm die Befriedigung
zuteil, ein ganzes Werk geschaffen zu haben, und damit
der Erfolg, der ihm Kraft zur nächsten Arbeit geben soll;
er ist der Sklaoe der Verhältnisse.
Stellt der Auftraggeber eine bestimmte Aufgabe, ein
bestimmtes Thema, so ist der Künstler in einer ähnlichen
Hage roie der Kunstjünger, dem zu seiner allgemeinen Aus
bildung auch bestimmte Aufgaben gestellt roerden. Hat der
Künstler jene Anlagen und Fähigkeiten, welche die Durch
führung der Arbeit erfordert, mit einem Worte: liegt ihm
dieses Thema, dann ist die Vorausseßung, daß er ein be
deutendes Kunstwerk zustande bringt, gegeben. Andernfalls
roird ihm dies nur auf oielen Umroegen, durch Drehen
und Wenden der Aufgabe und mit etroas Glück gelingen.
Er roird dabei aber kaum sein ganzes Wesen ausleben
und sein ganzes Können zeigen können, überdies bedeutet
diese spekulatioe und berechnende Tätigkeit auch einen Ver
lust an Energie und frische, mit welcher der Künstler
einer Aufgabe gegenüber stehen mufj, um seine momen-
ammler-Zeitung.
tanen Eingebungen günstig oerroerfen zu können. Er soll
den sich immer modifizierenden Anforderungen gerecht
roerden können, ohne Angst, dafj das Resultat, roenn es
auch ein anderes roerden sollte, als das programmgemäß
angestrebte, oielleicht der Bestellung nicht entsprechende. Ein
Kunstwerk entsteht aber nicht allein aus dem Wissen,
Können und der Veranlagung des Künstlers. Diese fak-
toren müssen erst aktuell gemacht roerden durch die
Stimmung, jene Segen spendende, phantastisch schöpferische
und gestaltende Kraft, roelche alle Schwierigkeiten spielend
überroindet und ohne roelche die Entstehung eines großen
Werkes nicht denkbar ist. Sie ist es, die nur Ausgezeich
netes schafft und roelche bewirkt, dafj jedes Stück, jeder
Strich und jede Idee, die sie zeitigt, ein roertooller Bei
trag zum Aufbau des ganzen ist. Sie hängt aber non
einer IHenge oon Äußerlichkeiten, Zufälligkeiten und
Kleinigkeiten ab und niemand kann sie gerade dann herbei-
zroingen, roenn er sie braucht, und der Künstler roird bei
gegebenem Thema, roie bei gegebenem Termine mehr auf
sie zu roarten haben als sonst. Wir sehen, je mehr An
forderungen oon aufjen her gestellt roerden, desto begrenzter
roird die HRöglichkeit zur Entstehung eines bedeutenden
Werkes, roas ja die Kunstepochen aller Zeiten bestätigen.
Die Schwierigkeit, ein gegebenes Thema zu bewäl
tigen, findet ihre höchste Steigerung dann, roenn der Inhalt
eines Werkes und die Art der Behandlung oder auch nur
eines oon beiden durch ein bestimmtes Programm gebunden
roird, ein solches nämlich, welches nicht oom Künstler
selbst ausgearbeitet ist.
In diesem falle roürde ein Kunstwerk nur dann noch
entstehen können, roenn das ganze Programm so roäre,
arie roenn es der Künstler selbst ausgearbeitet hätte,
während im anderen falle diese ITtöglichkeit ausgeschlossen
ist und nicht einmal die Hoffnung auf den Zufall mehr
bleibt; es ist also das Entstehen eines ganzen Kunstwerkes
ausgeschlossen. Der Künstler ist nur mehr ITlitarbeiter,
ausführendes Organ jener Person, roelche das Programm
ausgedacht und dadurch die erste schöpferische Arbeit ge
leistet hat. Er kann hier noch roeniger roie bei blofj ge
gebenem Thema, welches seinen speziellen fähigkeiten
nicht zusagt, sein ganzes Können zur Geltung bringen,
er kann nur das rein Äußerliche, seine technischen fähig
keiten, seinen dekoratioen Sinn oerroerten. Flur teilweise
und zroar im Detail, roird er oielleicht Gelegenheit haben,
auch seine künstlerischen Empfindungen auszudrücken.
Historische Gemälde, Denkmäler etc. etc., liefern hiezu
denkwürdige Beispiele.
Bei diesen ist immer das Hemmnis des Termines
sowie das des gegebenen Themas, oft sogar das größte
Hemmnis, das des Programmes, oorhanden. Wieroohl nie
mand in Abrede stellen roird, daß Konkurrenzen ab und
zu ganz heroorragende Resultate zeitigen — die Wiener
Votiokirche ist ein leuchtendes Beispiel dafür — so roird
doch im allgemeinen bei Konkurrenzen fast immer das
Schlechteste geleistet, roas die ganze Epoche zeitigt. Kein
Wunder! Beteiligt sich doch fast jeder Künstler, der gerade
roenig zu tun hat, daran und behandelt die Sache als
Hotterie, ob er nun für die Aufgabe geschaffen ist oder
nicht, „Kunst ist Kunst“, bekommt man da zu hören,
„roarum soll ich nicht auch einmal so etroas machen“ I
Zugegeben. Es ist oon größter Bedeutung für den Künstler,
sich auch einmal außerhalb seines Spezialfaches zu be
tätigen. Geroiß roird er mit erhöhtem Interesse an solch
eine Aufgabe heranfreten und sich an ihr erfrischen. Aber
eine Konkurrenz ist nicht die richtige Gelegenheit hiezu.
Er darf nicht oergessen, daß ein anderer, der die Aufgabe
fachgemäß beherrscht, über oiele ITlamente nicht mehr
nachzudenken braucht, über die er, der auf diesem Gebiete
rieuling ist, lange nicht hinroegkommen roird, ohne daß