Hummer 15
Internationale Sammler-Zeitung.
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ihm ein oder die andere Erfahrung, die Resultate seines
Überlegens bestätigen konnte.
Der Fachmann cnird mit dem Verbrauche non Energie
in einem oiel späteren Stadium einsetzen, toie er. Kann
er ihn innerhalb der gegebenen Zeit erreichen? Wäre die
Idee allein ausschlaggebend, a?ie der Taie zumeist glaubt,
so könnte er ab und zu Russicht haben. Rber die meister
hafte Gestaltung einer Idee gibt erst ein Kunstwerk, sie
ist dasjenige, roas den Künstler oom £aien unterscheidet,
der ja auch oft künstlerisch empfindet und Ideen hat,
aber sie nicht ausführen kann. Innerhalb des gesetzten
Termines wird der Spezialist fast immer das Beste leisten,
jeder andere daher nur Zeit und Geld an einer Konkurrenz
uerlieren, wenn er auch natürlich oiel dabei lernt. Gin
ITlifjerfolg deprimiert ihn überdies off noch nachträglich bei
der Rrbeit auf seinem eigenen felde.
Während sich der Termin nicht umgehen läfjt, würde
die Schwierigkeit des gegebenen Themas dadurch entfallen,
dafj sich nur solche Künstler an einer Konkurrenz betei
ligen, welche die jeweilig gegebene Aufgabe beherrschen;
dies sind eben die Spezialisten des betreffenden faches und
deren gibt es herzlich wenige in einem ganzen Tande, fine
unter diesen, „beschränkte Konkurrenz“, hat in gewisser
Hinsicht Berechtigung. Würde man aber einem derselben
die Aufgabe übergeben, so würde man auf diesem geraden
Wege sicher eine bedeutendere Arbeit bekommen, als auf
dem Umwege einer Konkurrenzausschreibung, bei welcher
die Bewerber meist mit einem nicht oollkommen ausge
reiften Gntwurfe oor die Üffentlichkeii treten. Gs sollte oiel
öfter als dies meist geschieht dem Künstler überlassen
bleiben, Vorschläge zu machen über die Art eines Kunst
werkes, welches aus einem bestimmten Anlasse gemacht
werden soll; die Auswahl wieder ist Sache des Auftrag
gebers. Ulan würde auf diese Weise oiel Geld für Preise,
oiel eigene und öffentliche Aufregung, ersparen. Die Künst
lerschaft eines Tandes ist, nach jedem allgemeinen Wett
bewerbe um genau sooiel ärmer, als die aus diesem An
lasse geleisteten Arbeiten Zeit und Geld gekostet haben;
die allgemeine Schulung, welche eine Konkurrenz für die
gesamte Künstlerschaft bedeutet, und Ginzelerfolge in langen
Zeitabschnitten bieten keinen genügenden Gegenwert. Jede
allgemeine Denkmalkonkurrenz kostet die Künstlerschaft
mindestens 40.000 K, wenn sich nur 60 Künstler daran
beteiligen. Die zwei oder drei Preise, im anscheinend hohen
Betrage oon, sagen wir 6000, 4000 und 2000 K wiegen
diesen Verlust nicht auf. \
ferner: Was is faktisch gut, nicht nur relatio; wer
soll urteilen? Wer unterliegt nicht dem Ginflufj der Strömung
oon heute, oon morgen, soweit, daij diese seine Ansichten
nicht ändert, wer nicht dem, was ein anderer sagt? Dazu
kommt noch die absichtliche oder unbewufjfe Parteilich
leit des einzelnen, seine Stimmung, in der er heute anders
empfindet als morgen und oor allem sein Beruf, die Grund
lage für seine Anschauungen. Wer kann daher sagen,
dafj nicht heute ein Kunstwerk angefachten wird, zu dem
in hundert Jahren alle Welt pilgert? Dem einseitigen kurz
sichtigen Urteil einzelner Personen, wenngleich der besten
seiner Gpoche, soll sich der Künstler stets unterwerfen
und einem Zufallspiel seine Arbeit und sein Geld opfern?
Ja noch mehr. Durch die Art der heutigen Konkurrenzen
werden systematisch die Künstler aufeinander gehetjt, nicht
immer wird da mit den edelsten TAittcln gekämpft. Soll
der Künstler zu allem Überfluß auch noch stets seinen
Ruf in die Wagschale werfen? In der Kunst kann nur die
oiel hundertjährige Kunstentwicklung urteilen, nie die
kleine Epoche des Schaffenden selbst.
Ulan steile sich nur oor, was aus TRichelangelos
„Moses", an dem er 40 Jahre gearbeitet haben soll, ge
worden wäre! Ob er ihn so je geschaffen hätte, märe
eine Konkurrenz für eine ITlosessfatue ausgeschrieben
worden? Wenn man ihm z. B. zugemutet hätte: „Das
lAodell 1 : 10 ist an einem bestimmten Tage einzuliefern.
Die Ausführung des naturgroljen UTodelles darf, sagen
wir, — lange Zeit gegeben — 2 Jahre dauern, wieder
2 lahre später hat die Ausführung in Marmor fertig zu
sein Die Jury besteht aus Dem, Dem und Dem.“ Hätte
Michelangelo überhaupt aus dieser Idee, wenn s : e einem
anderen entsprungen wäre, diesen lAoses machen können?
Kann überhaupt je ein groljes Werk entstehen, wenn der
Künstler die Idee eines anderen ausführl oder Gelegenheitskunst
betreibt und sich um sein höchstes Gut bringen lägt, aus
Begeisterung zu einer selbst gefafjten Idee zu schaffen?
Wenn der Künstler seinem innern Drange folgend, nach
der Gestaltung einer Idee ringt und tastet, die im Gelegen
heit gibt, alles was er empfindet und was er kann, aus
zudrücken, wenn sie endlich gefunden ist und erlösend
und klar oor ihm steht, wenn er dann weiter im Taumel
einer überglücklichen Stunde oder im tiefsten Schmerz,
nachdem er oft und oft seine Idee im Kopfe herumgewälzt
hat, endlich den ITliit findet, eine erste Skizze zu machen,
wird diese nicht eine wunderbare Vereinigung seines Gm-
pfindens und Könnens sein, eine förmliche Offenbarung?
Wird er so nicht sein Bestes leisten? Wie ein Heiligtum
aber wahrt er diese Skizze. Sie ist nicht für andere
bestimmt, man könnte sie zu keiner Konkurrenz schicken,
sie spricht nur für ihn. An sie klammern sich alle
weiteren Ideen und grofjen Pläne zur Ausführung, bis er
sie endlich soweit durchdacht hat, dafj er an die Aus
führung schreiten kann. Kaum macht er noch eine zweite
Skizze, er will sich die Aufgabe nicht oerkleinern. Gr
will sich alle Überraschungen bewahren, die jedes einzelne
Stadium der Arbeit mit sich bringt, zum neuen Ansporn,
er will nicht Schritte, er will Sprünge oormärts machen,
niemand aber soll das Werk im Gntstehen stören, niemand
mit einem Wort nur, einer Bemerkung, seine Gmpfindungen
entweihen. Gr selbst weifj, was er machen will und was
seinem Werke noch fehlt, er selbst und sonst niemand.
Sind nun Jahre, Dielleicht Jahrzehnte ernster Arbeit über
seinem Werke oergangen, sind tausende oon Problemen,
Stimmungen und Ideen daran in form umgesetjt, es stets
oertiefend, oeroollkommend, steht es dann endlich fertig
oor ihm, sein Kind, sein eigenes Ich, dann ist ein Kunst
werk entstanden, oor dem der Beschauer tatsächlich wie
oor einem Heiligtu me steht. Hat er es hundert und
hundertmal gesehen, immer wieder zieht es ihn zu dem
selben hin, das Bild der Grinnerung genügt ihm nicht.
Solche Werke bereichern die Menschheit, oeredeln sie.
Was ist gegen einen lAoses die ungezählte Menge der Denk
mäler und sonstigen Plastiken unserer Zeiten, der Zeit der
Konkurrenzen! Ist nicht schade, dafj sooiel Talent oergeudet
wird? Können sich denn 60 Künstler auf Kommando an
ein und derselben Aufgabe begeistern und ist es nichtsehr
schwer zu erreichen, dafj das Werk des Besten darunter
ein wirkliches Kunstwerk werde? Die letjten Konkurrenzen
(geschrieben 1904) sprechen zur Genüge. Die wahre Kunst
pflege ist die, dem Ginzeinen zu ermöglichen, dafj er seine
Ideen ausführen und sich so oeroollkommnen kann.
(Schluß folgt.)