MAK
2. Jahrgang. 
Wien, 15. Rugust 1910. 
Hummer 16. 
Zentralblatt für Sammler, Cicbhaber und Kunstfreunde 
Herausgeber: Harbert ehrlich und J. Hans Pros!. 
Ein Wiener Stammbuch. 
Vom Hofraf Mloritj fidlen uon Weittenbiller, 
Kanzler des Deutschen 
■ or mir liegt ein altes Stammbuch. „Denkmahl 
der Freundschaft" steht mit eingeprefjten Gold 
lettern auf dem Vorderdeckel des braunen Ceder- 
einbandes. 1792 rourde das Buch begönnen und 
1842 geschah die leiste Gintragung, also genau 
50 Jahre lang suchte sein Besitjer die Auto- 
gramme all seiner Freunde und Verwandten zu 
sammeln, die ihm im Geben raert und teuer 
roaren. Gr mar ein tüchtiger ITlusiker und schön- 
geistig hoch ueranlagfer IRann geroesen, mas 
LA/Lzri) s i L h auch in den Personen, die sich in sein 
Stammbuch eingetragen, kundgibt. 
Ignuz Franz Gdler uon llJosel, geh. in Wien am 
1. April 1772, gest. ebenda am 8. April 1844, der Besitzer 
dieses Buches, roar einer der heruarragendsfen öster 
reichischen musikschriftsteiler und Kunstkritiker seinerzeit. 
Seinen lebenslauf hier zu beschreiben, roiirde zu roeit 
führen und ich roill nur einige iTlomente daraus ermahnen, 
die in erster Tinie dazu beitragen sollen, die Dielen Gin 
tragungen uon bedeutenden Personen der Kunst-, Theater- 
und Gelehrtenroelt in sein Stammbuch erklärlich zu machen. 
Als 1821 der Obersthofmeister-StellDcrtreter bei dem Herzog 
uon Reichstadt und HoMTlusikgraf JTlorit] Graf Dietrich- 
stein zum Hoftheaterdirektor ernannt rourde, roard ITlosel, 
der damals Höfsekretär des Obersthofmeisteramtes geroesen, 
zum Hoftheater-Vizedirektar mit dem Titel eines Hofrates 
bestellt. 
Von dieser Zeit an begann eine durchgreifende Reor 
ganisierung des Burgtheaters. Als 1826 Graf Dietrichstein 
non der Stelle eines Hoftheaterdirektors zurücktrat und 
zum Präfekten der Hofbibliothek ernannt rourde, leitete 
ITlasel die Direktion des Burgtheafers mit Schreyuagel 
gemeinschaftlich, bis er 1829 seinem Gönner Grafen 
Dietrichstein, als erster Kustos an die Hofbibliothek folgte. 
Hofrat oon JTlosel roar ein eminenter Administrator; in 
Bezug auf den artistischen Teil — so schreibt Wlassack in 
seiner Burgtheater-Chronik uerliefj er sich uollkommen 
auf Schreyuagel, dessen gröfje Fähigkeiten er sehr zu 
schätjen roufjte. 
Selbst Kompasiteur — seine Oper „Salem“, TexfDon 
Castelli, rourde 1815 im Opernfheater aufgeführf uor allem 
aber ein ausgezeichneter ITlusikkenner, stand ITlosel mit 
den heruarragendsfen Tonkünstlern in Verbindung. Unter 
Ritterordens etc. (Wien.) 
seinem Regime gelangte in Wien Webers „Freischiitj“ zur 
Aufführung. Haydn, Cherubim, der Kunstkritiker Rachlitj 
in L'eipzig, Beethauen, Franz Schubert (diesem roidmete 
ITlosel drei seiner schönsten Dieder) und uiele andere be 
rühmte Zeitgenossen standen mit ITlosel teils in persön 
lichem, teils in schriftlichem Verkehre, roas ja auch schon 
aus seinem Stammbuche ersehen werden kann. ITlosels 
„Geschichte der Tonkunst“ und seine „Geschichte der 
k. k. Hofbibliothek in Wien“ sind Werke uon bleibendem 
Werte. Im Jahre 1829 rourde ein Trauerspiel in 5 Auf 
zügen uon ITlcsel: „Idamor und lleala“ oder „Die Parias“ 
mit gutem Gefolge im Burglheater aufgeführt. 
JAasel roar dreimal oermählt geroesen. Seine erste 
Frau roar ITlarianne, geh. Gdle oan Haunalter (geb. 1773, 
•(• 1808), seine zweite Katharina, geb. Cambert (geb. 1789, 
t 1832) und seine dritte Gemahlin roar Anna, geb. Friedrich 
(geb. 1811, -j- 1887). 
Aufjer den hier nachfolgend aufgeführten Personen 
widmeten uiele Freunde und zumeist Verwandte aus den 
Familien Pilgram, Ratorp, ITlarfinelli, Hierzig, Portenschlag, 
Brambilla, Haunalter, Cambert, Kielmansegg, Schaschek uon 
Ulesihursch, Cagusius usro. Gintragungen in ITlosels 
Stammbuch, die jedoch einen weiteren Kreis heute kaum 
mehr interessieren dürften. Gs sind deren roeit über hundert 
Romen. 
Ich führe nur hier eine Auslese uan Gintragungen an, die 
uon solchen Personen gemacht wurden, welche wohl heute 
nach Anspruch erheben können, allgemeineres Interesse zu 
erwecken. 
Ich gehe chronologisch uor. 
Alle Gintragungen sind uan Wien datiert, mit einer 
einzigen Ausnahme, die ist in Baden bei Wien während 
des Sommers 1822 geschrieben morden. 
Ich beginne mit einem frommen Spruch, den ITtichael 
Julian Haunalter am 6. ITlärz 1796 eingeschrieben hat: 
„Cin Augenblick in jener Welt 
Vergütet Jahre »aller Heiden, 
Denk, dafj der Vorhang, roenn er fällt, 
Sich öffnen roird zu einigen freuden.“ 
Haunalter roar Doktor der Rledizin, Dekan der Wiener 
medizinischen Fakultät und Physikus am Glisabethinerinnen- 
Spitale auf der Tandstralje. Gr rourde am 15. Oktober 
1796 geadelt und starb am 7. Juni 1808 in Wien.
	        
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