MAK
Seite 292 
Internationale Sammler-Zeitung. 
Hummer 19 
Deutschlands größtes Uogelmuseum. 
Von Hermann Sdiroab (Halberstadt). 
Seit den Tagen Friß Reuters, der in seinem „Hanne Aüte“ 
die Vogelroelt belauscht hat, ist in der Literatur nicht mehr uiel 
uon ihr gesprochen morden, bis Edmond Rast and sie in seinem 
„Chanteder“ roieder zu Ehren gebracht hat. Lind heute, da die 
Vogelroelt nicht nur im Äther des Weltenraums, sondern auch auf 
den Brettern, die die Welt bedeuten, zu Worte kommen, mag es 
mehr denn je auch für den Haien uon Interesse sein, eine Stätte 
aufzusuchen, die roie keine andere in Deutschland und roie ruenige 
in Europa das Reich der Vögel in seiner unendlichen ITlannigfaltig- 
keit uor Augen führt. 
Wie uor einiger Zeit berichtet rourde, ist das 111 u s e u m 
Heineanum, die im Jahre 1845 uon dem Oberamtmann Ferdinand 
Heine auf Klastergut St. ßurchardt uor Halb erst a dt in wissen- 
schaftlicher Form gegründete ornithologische Sammlung aus dem 
Priuatbesiß der Familie Heine der Verroaltung der Stadt Halber 
stadt übergeben morden. Die Sammlung ist in einem Seitenflügel 
des Halberstädter ITluseums untergebracht und hat den Kreis der 
Sehensroürdigkeiten der alten Bischofssfadt um ein Beträchtliches 
erroeiterf. Die Anfänge der Sammlung, die heute 12 567 Vögel 
umfaßt — 7315 ausgestopfte Exemplare und 5054 in Bälgen — 
gehen bis in das Jahr 1850 zurück. Unter der mithilfe namhafter 
Ornithologen, besonders uon Prof. Dr. 3. Cabanis, dem Kustos der 
Zoologischen Sammlung in Berlin, rourde die Sammlung in unaus- 
geseßtcr liebeuoller Bearbeitung aus einem kleinen Liebhaberunter- 
nehmen zu einem ITluseum ausgebauf, dessen Schöße der wissen 
schaftlichen Forschungsarbeit heute unentbehrlich geworden sind. 
Bereits das Jahr 1850 sah die hingebungsuolle ITlüheroaltung der 
Sammler uon reichstem Erfolge gekrönt, der in dem graf; ange 
legten Werke „ITluseum Heineanum“, in den Jahren 1850 bis 1863 
in fünf Teilen uon Dr. J. Cabanis und Ferdinand Heine jun., einem 
Sohne des Gründers, herausgegeben rourde, seinen sichtbaren Aus 
druck gefunden hat. Eine weitere fachroissenschaftliche Veröffent 
lichung bildet der „llomendatar ITlusei Heinani Ornifhologici“, das 
im Jahre 1890 uon dem genannten Ferdinand Heine, dem Amfsrat 
auf Kloster Hadmersleben bei Halberstadt, gemeinsam mit Professor 
Dr. Reichenoro, dem inzwischen oersforbenen Direktor des Zoolo 
gischen ITluseums der Unioersität Berlin, herausgegebene Ramens- 
oerzeichnis der Sammlung. 
So stellt sich die Heinesche Vogelsammlung als ein ITluseum 
einziger Art dar, das in seinen stillen Räumen die geflügelten Boten 
aller Zonen auf uerhälfnismäfjig kleinem Raum uersammelt hat. 
Aus Urwäldern und Felsenklippen, aus Palmenhainen und Glctscher- 
spißen, aus der wogenden See und der schweigenden Ebene und 
schließlich aus unseren Wäldern und Gärten stammen sie, und das 
ITluseum Heineanum ist ihnen allen zur Heimat geworden. Wenn 
man in Betracht zieht, dal) bis heute nur etwa 14.000 Vogelarten 
bekannt sind, und dal) in Deutschland höchstens 400 gefunden 
werden, so besagt die Zahl der uereinigfen Vögel, welche Schäle 
sich dem überraschten, ja geblendeten Auge hier darbieten. Und 
ein Ahnen uon der Vielgestaltigkeit der Vogelwelt muß den Be 
schauer in diesem Kreise still gewordener Sänger überkommen. 
Eine große Übersichtlichkeit in der Aufstellung erleichtert die Be 
sichtigung ungemein und läßt die bekannte Tlluseums-Ermüdung 
nicht aufkommen. Die Anordnung leitet uon den Schroimmoögeln 
aufwärts zu den Singuögeln, und es hat dabei die Einteilung in 
folgende elf grafje Gruppen sfattgefunden: Schwimm-, Sumpf-, 
lauf-, Scharr-, Tauben- und Raubuögel, Papageien, Klefter-, Schrill-, 
Schrei- und Singuögel. 
Orientierungstafeln tragen alle wünschenswerten Erklärungen 
roie Ordnungen, Familien, Geschlechtsbezeichnung, Fundort, wissen 
schaftliche und deutsche llamen. Schon die Farbe der Tafel zeigt 
die Heimat oder den Fundort und zwar: weil) — Europa, gelb - 
Asien, blau - Afrika, blaßrot Australien und grün — Amerika, 
Die einzelnen Postamente haben dieselbe Farbe wie die auf ihnen 
ruhenden Vögel, damit der Eindruck der einzelnen Tiere nicht beein 
trächtigt oder oerroischt wird. Die Bälge sind präpariert und haben 
in Schränken Aufnahme gefunden. Zu wissenschaftlichen Unter 
suchungen werden sie, ihrer Handlichkeit halber, mit Vorliebe be- 
nußt, dach bedarf die Besichtigung dieser Sammlung, beziehungs 
weise die Beschäftigung mit ihr, einer besonderen Erlaubnis. Den 
wertuollsten Teil der Sammlung repräsentieren 395 Vageiarten, die 
bisher nur einmal und zwar in eben diesen Exemplaren angetroffen 
wurden, und die man in der wissenschaftlichen Welt als Typen, 
als kostbare Schäße des ITluseums Heineanum zu werten weil). 
Das bis jeßt gebräuchliche Verleihen dieser Typen zu ornitholo- 
gischen Studien ist nun eingestellt worden aus der begreiflichen 
Befürchtung, daß diese Exemplare nicht ganz unuersehrt in das 
ITluseum zurückkehren würden, ln dendTluseumsräumen ist jedoch 
den Fachgelehrten die Forschungsarbeit an ihnen gestattet. 
Die Sammlung der ausgestopften Vögel gewinnt durch die 
Art der Stellungen der einzelnen Tiere außerordentlich an Lebendig- 
keit des Eindrucks; sie sißen, fliegen, bauen Rester, sie klettern, 
sie klammern sich an Baumstämme und bieten dadurch auch in 
ihren Schränken ein genaues Bild ihrer Eigenarten und Gewohn 
heiten. Hier stehen sie in Gruppen, hier im Familienkreise, hier 
im Winterkostüm und dort in Sommertoilette. Auf die Erhaltung 
der Farben ist die größte Sorgfalt uerwandt worden, und die 
Vogelgeroänder leuchten in lebendiger Frische, sodaß nur das oiel- 
tausendstiinmige Zwitschern fehlt, um das ITluseum uergessen zu 
machen. 
Es wäre ein müßiges Beginnen, nun den einzelnen Vögeln 
zu sprechen. Sie erscheinen auf den ersten Blick unzählbar und 
der Katalog uon Hemprich, der den Weg zeigt, ist eine dankens 
werte Gabe. Über 600 Kolibris in allen Größen, blenden durch 
ihre märchenhaften Farbentöne; neben 200 sanften Tauben stehen 
700 Raubuögel; bald 500 Papageien zeigen mit Stolz ihr Gefieder, 
und über 500 Hühneruögel gesellen sich ihnen zu. Geier und Falken 
und Adler sind da mit weit ausgebreiteten Flügeln, Spechte, Wachteln 
und Feldhühner, Flamingos, Reiher und dann der Strauß mit seinem 
Riesenei. Drosseln, Bachstelzen, Amseln, Rachtigallen und alle die 
anderen Sänger — sie träumen uon uerklungenen Liedern. Die 
eßbaren Schwalbennester der Salanganen fehlen nicht und nicht 
das Rest des Weberoogels. Der Leiteruogel, der Ofenuogel und der 
Paradiesuogel sind zu schauen, und der Laubenuogel baut seine 
Haube. Eine weiße Lerche, eine weiße Drossel, eine weiße Schwalbe, 
und zwei weiße Sperlinge gehören zu den größten Seltenheiten der 
Sammlung. Und was des Schönen, des Seltenen, des Unschäßbaren 
mehr ist. — Das IRuseum Heineanum uerdient weitesten Kreisen 
bekannt zu werden. Rieht bloß der TRann der Wissenschaft, auch 
der Haie soll hier einkehren und uielfache Anregung wird ihm zu 
teil werden. 
Uns aber gebührt es, des Gründers der Sammlung zu ge 
denken, des uerständnisreichen Kenners und liebeuollen Freundes 
der Vogelroelt, der nicht nur Vögel aller Arten gesammelt, sondern 
mit roeitschauendem Blicke eine Kulturaufgabe gelöst, die Wissen 
schaft durch die Kenntnis bis jeßf unbekannter Wesen bereichert, 
neue Bindeglieder zwischen fernen Weltteilen geschaffen und so 
sein Teil dazu beigetragen hat, Länder und Völker einander näher 
zu bringen. >5r kf. Ztg.“
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.