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internationale Sammler-Zeitung.
Hummer 20
nationaler Bedeutung, nicht fiir den Wiener Kunstmarkt
gerettet roerden konnten. So bedauerlich diese Tatsache
auch ist, mufj es ein Trost sein, dafj dies wenigstens für
die österreichische Abteilung gelungen ist. £s ist nun
Pflicht aller interessierten Kreise, aus dieser Tatsache nuljen
zu ziehen und den Arbeiten österreichischer Kleister, roie
sie in der Sammlung Tanna in seltener Reichhaltigkeit
und in heroorragender künstlerischer Vollendung oertreten
sind, auf dem heimatlichen Boden ein sicheres Heim zu
schaffen. * Dr. 5t. R.
Schon in der Hummer oom 1. September kannten
mir mit einer Besprechung der beoorstehenden Auktion
einige Illustrationen aus dem Katalog reproduzieren. Dank J
dem liebenswürdigen fntgegenkommen der firma Gilhofer
& Rcmschburg oeröffentlichen wir heute noch zwei reizende
Aquarelle der Sammlung.
fig. 21 ist ein Aquarell oon laset' Danhauser,
fine junge Dame, oor einem Kornfelde stehend, zeigt
einem ITlanne ein llledaillan mit einem Porti t, das sie
um den Hals hängen hat. Das Aquarell ist die oollendete
Skizze zu einem Öl bi I de. das früher im Besilje des regieren
den fürsten Tiechtenstein, seit 1894 in den städtischen
Sammlungen sich befindet.
fig. 22 bezeichnet Peter Sen di als Schöpfer. Das
reizende Aquarell („Der Vater kommt“) stammt aus dem
| lahre 1837.
Das uorrömische Uindonissa.
Die fleißigen und erfolgreichen Ausgrabungen auf dem Ge
biete non Vindonissa haben uns manche interessante Blicke tun
lassen in die Zeiten, da die roeltbeherrschenden Römer die Schweiz
unterjocht und am Zusammenflufj uon Aare, Reufj und Cimmat
eine starke Festung, eine Art Zenfralmaffenplak, errichtet hatten.
In den lebten Wochen ist wieder ein Turm, der zu der alten 5este
gehörte, ausgegraben worden. Gr schilt sich an die Kastell
mauer an, die sich hinter der Heilanstalt Königsfelden dem Steil
abfall gegen die Aare entlang zur Kirche uon Windisch zieht.
Bei diesem Anlafj wurde aber eine noch wichtigere Gnt-
deckung gemacht. Vom Schulhaus Windisch lätjt sich nämlich gegen
den erwähnten Steilabfall hin ein Graben nachweisen. Dieser
Graben schliefjt das dreieckige Stück Tand, auf dem die Kirche
Windisch steht, ab gegen die sogenannte Breite, auf welcher das
römische Kastell stand, Bei der Untersuchung des Grabens in den
neunziger Jahren fand man in demselben zwei römische Spitj-
gräben, die also jünger waren als der genannte Graben selbst.
Bei den lebten Ausgrabungen nun wurde westlich jenes Grabens
gearbeitet und da fand sich denn ein zweiter alter Graben, der
zur Zeit der Römer ausgefüllt morden war. Gr oerläuft parallel
zum ersten und zwischen beiden Iief3 sich ein deutlicher Wall nach-
meisen. Auch östlich des Grabens sind Reste eines alten Walles
sichtbar.
Das dreieckige Stück Tand, auf dem heute die Kirche oon
Windisch steht, ist also nach allen Seiten geschiitjt gewesen: auf
den Seiten gegen Aare und Reufj durch die Steilabfälle und auf
der einzigen leicht zugänglichen Seite, gegen die Breite, durch zwei
Wälle und zwei Gräben. £s ist also ein sogenannter Wallbau,
oder, wie man zu Ferdinand Kellers Zeiten sagte, ein Refugium.
Dieses Refugium ist älter als die römische Okkupation: es ist
prähistorisch, ln der Tat hat man denn auch in den genannten
uorrömischen Gräben bereits prähistorische Objekte gefunden,
z. B. Scherben und Seuersteinstücke.
Auf dem Boden des alten Vindonissa sind schon früher zu
oerschiedenen ITlalen prähistorische funde gemacht worden; aber
man kannte den Ort der prähistorischen Ansiedelung nicht. Der
oerstorbene Alferfumsgräber Caupper zeigte Ferdinand Keller sogar
Überreste „keltischer“ Wohnungen; aber wir wissen nicht, wo die
?unde zum Vorschein kamen. Caupper hatte nämlich in grotjer
Tiefe einen aus Cehm uerfertigten Ostrich (Boden) angetroffen und
am Rand desselben einen Haufen oon Tonstücken gefunden, die
einen Herd gebildet zu haben scheinen. Aufjerhalb desselben
fanden sich Scherben uon „keltischen“ Gefäßen, Tierkuochen, oer
rastete Gisenobjekte, Sicherheitsnadeln (Sibeln) usw. Keller selbst
sah, dal) die Hüttenwände mit weiter und roter Sarbe angestrichen
waren und im Innern Ruten oder Stäbe enthielten.
Auch Steinbeile, feuersfeinschaber, Schleuderkugcln aus Ton
sind in Windisch gefunden worden. Wichtiger sind dagegen die
Bronzen. Ulan fand z. B. eine Bronze-Schmucknadel oon derselben
form, wie sie im Pfahlbau Peschiera in lTordifalien gefunden wurde.
Gin Bronzemesser zeigt die form, wie sie aus bronzezeitlichen Gräbern
wohlbekannt ist. Dazu kommt eine Sichel aus Bronze, ein ITleifjel
aus demselben lAaterial usw. Auch Schmucksachen aus Stein und
Bronze wären zu ermähnen, sogar solche aus Zahnsubstanz.
Sehr interessant sind die fibeln oder Sicherheitsnadeln aus
Windisch. Sie gleichen denjenigen, die aus der berühmten Gisen-
zeitstation Ca Tene am lleuenburgersee bekannt geworden sind,
weisen aber in ihrer form eine kleine Besonderheit auf, so daf3
man sofort die Windischer Typen erkennt, wenn sie in einer
gröfjern Sammlung mit andern fundstiieken zusammenliegen.
Der Baden des alten Vindonissa hat auch oorrömische münzen
geliefert. Sie bestehen aus Gold, Silber und Clektron, d. h. einer
JAischung oon Gold und Silber. Gine dieser lAünzen zeigt auf dem
Auers einen barbarischen Kopf und auf der Hinterseife ein Zwei
gespann mit Wagenlenker. Gine andere münze weist dasselbe
Bild auf, aber unter dem Zweigespann erblickt man eine Art Vogel
mit aufgewickeltem Schwanz, wie er bei gallischen lllünzen oft
uorkommt, und am untern Rand derselben ITlünzseite liest man
in griechischen Cettern ein Stück des Hamens Philippos. Das ist
ein Beweis dafür, dafj diese „heloetischen“ münzen nach dem Vor
bild der macedonischen ITlünzen des Königs Philipp oon gallischen
münzmeistern geprägt worden sind.
Alan hat bei Windisch sogar ein Grab eines Heloetiers, oder
sagen mir richtiger, ein Ca Tenegrab, gefunden, ln einem Gin-
schnitf der Bahn Brugg-Wahlen fanden sich nämlich neben einem
auf einer Glchcnbohle gelagerten Skelett zwei Glasarmringe, ein
Halskettchen mit Schlietje und mehrere Breloquen. Der eine der
Glasringe ist kobaltblau, ähnlich dem Glasring oon Horgen, der
ebenfalls in einem Grabe zusammen mit einer Philippermünze aus
Gold gefunden wurde. Der andere ülasring ist hellgelb und gleicht
jenen zahlreichen Ringen, die mir in der Schweiz aus Gräbern der
lefjten Zeiten oor Christi Geburt ziemlich häufig finden.
Die angeführten oorrömischen funde mögen genügen, um
zu beweisen, daf3 die Gegend oon Vindonissa lange oor der An
kunft der Römer bewohnt war; ist doch selbst der Harne Vindo
nissa nicht etwa römisch, sondern älteren Ursprungs. Durch die
neuesten Untersuchungen aber wissen wir jet3t auch, wo wir das
oorrömische Vindonissa zu suchen haben: eben in jenem uon
Wällen und Gräben geschütten Refugium auf der Breite, das heute
die Kirche oon Windisch trägt. Und diese Wailbaute ist nicht
einmal die einzige in der Gegend. Auf dem so tro^icj ins Tal
hinunterschauenden Gebenstorfer Horn befindet sich ein ebenfalls
dreieckiges, durch Wall und Gräben gedecktes Refugium, das frei
lich oon Schafjgräbern seit alter Zeit arg mitgenommen worden
ist; und auf der gegenüberliegenden Talseite, nämlich oberhalb
des Dorfes Siggingen, hat man die Reste einer sfeinzeitlichen
Ansiedelung entdeckt, die wohl auch befestigt gewesen ist. Gs ist
anzunehmen, dafj die Herren in Brugg, die schon so oiel für die
Klarstellung der Vorzeit ihrer Gegend getan haben, auch diesen
Pläfjen gelegentlich ihre Aufmerksamkeit schenken werden. 3. H.