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Internationale Sammler- Zeitung.
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kaufte er aus der Sammlung Bicknell sieben Turners zusammen
für 280.000 Kronen an — das Bild kam also auf durchschnittlich
40.000 Kronen; der Sammler selbst hatte die Sachen direkt non
Turner gekauft, dem er jedes Stück gleichmütig mit 5000 Kronen
bezahlt hatte Unerschrocken ging Sir William flgne.ro auf dem
einmal betretenen Wege roeiter. ln den siebziger Jahren erstand
er Turners „Walton Bridges“ für 100.000 Kronen und 1875 zahlte
er für ein den großen Kanal in Venedig darstellendes Gemälde
Turners sogar den Rekordpreis uon 140.000 Kronen, natürlich ge
hörte die allergenauesfe Kenntnis des Barometers des Kunstmarktes,
soroie des in Betracht kommenden Käuferkreises dazu, um solche
Preise mögen zu können. Gin ähnliches Wagestück roar es auch,
als Sir William flgnero die Juroelensammlung der familie ITlarl-
borough im.Jahre 1875 im ganzen für die Kleinigkeit uon 700.000
Kronen an sich brachte. Die Sensation in der Cebenslaufbahn dieses
Grofjkunsthändlers ereignete sich im Jahre 1876, als die berühmte
„Herzogin uon Deoonshire“ uon der Hand öainsboroughs, die flgnea)
für 100.000 Kronen erstanden hatte, ihm gestohlen rourdo. Der
Diebstahl erregte um so größeres Aufsehen, als das Bild bei seiner
Ausstellung den Gegenstand lebhaftester Erörterungen gebildet
hatte. Ein Teil der Kenner roar uon dem Werke begeistert, aber
ITlillais hatte geradeheraus erklärt, nach seiner TTleinung habe
Gainsborough das Bild nie gesehen. Erst 50 Jahre später fand
das Gemälde seinen Weg zu flgnero zurück, und heute bildet es
eines der Glanzstücke der uielbesprochenen Sammlungen Pierpont
lllorgans. Bis in seine lebten Tebensjahre hat Sir William flgnero
und das uon ihm geleitete Haus eine große, ja ausschlaggebende
Rolle auf dem Weltkunstmarkte gespielt, und erst uor roenigen
Jahren hat der scharfblickende ITlann eine Zweigniederlassung in
Berlin gegründet, roeil er die wachsende flufnahmsfähigkeit des
deutschen Kunstmarktes richtig erkannte. Die Hauptaufgabe dieser
Zweigniederlassung bildete der Handel mit Werken der englischen
Schule, die ja auch bei uns in jüngster Zeit eine außerordentliche
Beliebtheit errungen haben. Diese wachsende Beliebtheit der eng
lischen Werke hafte Sir William flgnero gleichfalls rechtzeitig er
kannt, und mancher uon ihm beratene Sammler hat Werke non
Hopner, Romney und Carorence rechtzeitig für beiläufig 5000 Kronen
angekauft, die kaum ein Jahrzehnt später auf dem Kunstmarkte
einen Wert uon 200 000 Kronen erreichten. Übrigens spielte der
Verstorbene auch im politischen Ceben eine heruorragende Rolle,
und er benüßte seinen Einfluß im Jahre 1885 in sehr geschickter
Weise dazu, um das Haus der Gemeinen zu der Bewilligung uon
l s / 4 UJillionen Kronen zur Erwerbung der aus Bienheim stammenden
IJJadonna uon Raffael und des Bildnisses Karl 1. uon nan Dyck
zu bestimmen.
(Die Sammlung des ITlalers Cathrop.) Aus nero-üork
roird gemeldet: Die Entscheidung über das Schicksal der berühmten
Kunstsammlung des amerikanischen ITlalers Cathrop ist gefallen:
noch im taufe dieses Winters kommt die Kollektion in den Ander
son Art Galleries unter den Hammer. Außer den Werken ameri
kanischer Künstler hat der kürzlich uerstorbene Cathrop eine
Sammlung uon Werken der IJJeister uon Barbizon zusammenge
bracht, eine Reihe Candschaften uon Corot, eine Studie uon
Rousseau, ztuei Werke uon Diaz und eine Candschaft uonDupre.
fluch zwei Gainsboroughs und Werke uon Constable, Dela
croix und Richard Wilson werden oersteigert. Die Sammlung ent
hält überdies Tintorettos „mutter und Kind“.
mu5een.
(Ein ITluseum in Pompeji). Der flufsichfsrat über die
Altertümer und bildenden Künste in Italien hat dem Unterrichts
minister uorgeschlagen, in Pompeji ein großes ITluseum mit
Bibliothek und Amtswohnung für den Direktor und Räumen für
ein archäologisches Institut zu erbauen. Zur Durchführung dieses
Planes soll dem Parlamente ein spezieller Geseßentrourf oorgelegt
werden.
(Aus dem britischen Kluse um). Eine wichtige Bereicherung
hat die graphische Sammlung des Britischen llluseums erhalten,
indem ihr durch Srau ITlary Greenfield eine 1890 in Deir el
Bahari aufgefundene, 122 ?uß lange Papyrusrolle geschenkt
morden ist, die die thebanische Rezension des ägyptischen Toten
buches in hieratischer Schrift enthält und mit prächtigen Abbildungen
geschmückt ist. Die Handschrift ist nach der „Times“ um das Jahr
1000 o. Chr. für die Prinzessin lTesi-ta-neb-sacher angefertigt worden.
Uom Kunstmarkte.
(flntiquitäten-flukti an.) In der Galerie Helbing in
ITlünchen findet am 9. und 10. Dezember eine flntiquitäten-fluktion
statt, die drei ITachlässe uereinigt und dementsprechend mannig
fache Bestände aufroeist. Es ist der Besiß des i Baron uon Hol
leben, Starnberg, der flteliernarhlaß des Professors Hermann Kaul-
bach und altes Kunsfgewerbe aus dem Besiße uon Sräulein
fl. Straus, Eichstätt, fln bemerkenswerten Objekten sind besonders
reich die Abteilungen der Keramik, der Zinnarbeiten und der Tllöbel.
Zunächst sind heruorzuheben gute italienische ITlajolika, deutsche
Porzellane und Fayencen. Unter dem Zinn sind besonders Ge
schirre und andere Gebrauchsgegenstände des 18. Jahrhunderts,
der Empire- und der Biedermeierzeit zu erwähnen. Unter den
sonstigen Tlletallarbeiten fällt das Silber auf. Bei den Ulöbeln
finden sich besonders schöne Renaissance-Arbeiten, namentlich reich
gearbeitete Schränke, so ein mächtiger prachtooll dekorierter
fig. 13. Srankentaler Kaffeekanne.
Schrank, der als wirkliches ITlitseumsstück bezeichnet werden kann,
ein Schweizer Buffet uon 1664, ein Ulmer fußnetkasten und andere
Halbschranke ausgezeichneter Qualität. Auf einige sehr gute Rahmen
der Renaissance, dabei eine mit Uleisfernamen bezeichnete Arbeit
sei besonders aufmerksam gemacht, Von späteren Arbeiten sind
einige sehr hübsche französische lllöbel mit Vernis lllartin-malerei,
sowie Empire-Biedermeierstücke bemerkenswert, fluch einige ITlöbeT
garnituren kommen uor. Im Übrigen sei noch auf die reiche ?olge
schöner Teppiche und die interessante Kollektion uon Jagdwaffen,
Jagdutensilien und Geweihen hinwiesen, namentlich unter den
leßteren befinden sich uiele Raritäten und Kuriositäten. Eine kleine
Sammlung hübscher Bildnisminiaturen bildet den Schluß des ab
wechslungsreichen Ensembles. Der mit uielcn Textabbildungen aus-
gesfattete Katalog ist durch die firma Hugo Helbing gratis gegen
Partoersaß zu beziehen.