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Auch aus dem Besitz des Architekten Bäumer, Erbauer des Nord
westbahnhofes, sind ein paar gute Möbelstücke hinzugekommen, ein grosser
Wandkasten aus der Mitte des 17. Jahrhunderts (Nr. 172) von der Art
jener früher von uns geschilderten, die architektonischen Bau mit einer
Zusammensetzung verschiedener Hölzer verbinden, und ein niederer, halb
hoher Wandschrank (Nr. 183) aus dem Anfänge des 17. Jahrhunderts von
ganz vortrefflichem architektonischen Arrangement. Auch diese Art von
Kästen, die dem Gebrauche mancherlei Bequemlichkeit bieten und mit ihrer
geringeren Höhe sich sehr gut zum Aufstellen verschiedener Gegenstände
verwenden lassen, ist heute ganz aus dem Gebrauche verschwunden.
Minder bedeutend erscheint, was an Sitzmobilien hinzugekommen ist;
doch sind hier zwei charakteristische Stücke zu erwähnen: eine grosse
Truhe mit geschnitztem Yordertheil, die als viersitzige Bank sophaartig
gedient hat (Nr. 180, Eigenthum der Frau v. Littrow), so wie ein Fau
teuil mit gebogenen Armlehnen und Beinen und mit geschnitztem, mit
einem Mascaron verzierten Rücken, der ganz noch die Form aus dem An
fänge des 16. Jahrhunderts bewahrt hat, seiner Ornamentation nach aber
wohl erst etwas späteren Datums ist. Es ist Nr. 16 5, Eigenthum des Gra
fen Na kö.
Wie bei diesem Sessel, der eine für unser Auge etwas bizarre Form
hat und dennoch, mit Ausnahme der geschnitzten Rücklehne, von ratio
neller Art ist, so mag es uns bei manchem anderen Stück der Ausstellung
ergehen, dass es uns schwer, seltsam, vielleicht auch unpraktisch vor
kommt. Zum Theil mag das richtig sein, für unsere Lebensweise wenig
stens, die sich seit der Urväter Zeiten mannigfach verändert hat; zum
Theil scheint es nur so, weil uns der Gebrauch dieser Dinge abhanden
gekommen und ihre Anwendung unverständlich ist.
In Wahrheit lernen wir die Bedeutung und den Werth dieser alten
Möbel erst recht verstehen, wenn wir sie nicht in der Vereinzelung, wie
auf der Ausstellung, sondern in der richtigen Zusammenstellung, im En
semble des ganzen Zimmers mit dem entsprechenden Hintergründe be
trachten können. Davon vermochte unsere Ausstellung, wie es in ihrer
Natur liegt, allerdings nur Andeutungen zu geben.
Dennoch finden wir auch hiefür ein kleines Auskunftsmittel, das
unserer Phantasie zu Hilfe kommt, in der Ausstellung von Bilderwerken,
Holzschnitten und Kupferstichen, welche aus dem Kupferstichcabinet des
Museums den Originalmöbeln zur Ergänzung dient. Verschiedene Interieurs
reicherer und einfacherer Zimmer vom Anfang des 16. Jahrhunderts an
geben uns die Zusammenstellung und lehren uns den Gebrauch verschie
dener Dinge. Auf den reizenden Stichen von Abraham de Bosse sehen
wir selbst die Dame bei der Toilette vor dem Spiegel sitzen, wir sehen
auf einem anderen Blatte eine feine Gesellschaft die reich besetzte Tafel
umgeben. Mit der Einrichtung des Bettes und des Schlafzimmers, dem
Waschapparat und ähnlichen Dingen aus verschiedenen Zeiten werden wir