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Internationale Sammler-Zeitung. 
Hummer 23 
Seite 354 
den Werken einer bestimmten Gpoche eigen ist. manchmal | 
werden fehlende Seiten durch Blätter aus anderen Büchern 
erseht, zuweilen aus drei oder aier Büchern oerschiedener 
Zeiten ein begehrtes Werk gemacht. Aber auch die falscher 
begehen Unoorsichtigkeiten; so erzählt ein Bibliothekar, 
der oiele alte Bücher kaufte und jede Seite besah, dafj er 
einmal in einer Handschrift eine falsche Seite an dem 
Umstande erkannte, dafj sie nicht wie die übrigen Blätter 
non einem Wurme durchfressen mar. Da hafte der fälscher 
daran oergessen, dafj der Wurm sich seinen Weg non 
einem Deckel zum andern frifjt. Der Schwindel mit alten 
Büchern gäbe weitern Staff für ein ganzes Buch. 
Kolorierte Hlanuskripte werden gleichfalls nach 
gemacht, mit Geschick und ohne ernste Schwierigkeit, seit 
das Geheimnis wiederentdeckt wurde, wie man die färben 
und das Gold auflegen muij, um die uollständige Trans 
parenz des Pergaments zu bewahren. Warum sollte dies 
auch nicht möglich sein? Was die alten JTlönche, die jahre 
lang an einem Kirchenbuche malten, oermochten, das geht 
heute mit den oielen neuen Hilfsmitteln oielleichf noch besser. 
fluch die Ginbände der Bücher bleiben oon betrüger 
ischen Hachahmungen nicht oerschont, da es Büchersammler 
gibt, die auf seltene Ginbände fliegen, den Inhalt dagegeu 
für nebensächlich halten. Das flachmachen der französischen 
Ginbände aus dem 17. und 18. Jahrhundert ist aber heute 
außerordentlich schwierig, weil es seifen gelingt, den neuen 
Häuten den Ton der alten Saffianbände zu oerleihen. Die 
Ginbände alter Bücher sollen auf ihre Gchtheit immer durch 
Bestreichen mit einem feuchten Tuche geprüft werden, denn 
frisch angebrachte färben lassen sich wegwischen. Die 
aus Schweins- oder Kalbleder gemachten Ginbände der 
alten Italiener und Hiederländer sind leicht nachzuahmen, 
saferne sie keine goldenen Aufschriften tragen. 
Die Werke aus Terracotfa, HJajolika oder Porzellan 
französischer, italienischer, chinesischer oder japanischer 
Herkunft sind so oft nachgemacht worden, dafj die Auf 
zählung aller dabei gebrauchten Kniffe ein ganzes Buch 
füllte. Die Kopien sind in der Regel blofj ein wenig kleiner 
als die Originale, doch da man diese selten zum Vergleiche 
bei cier Hand hat, bleibt die fälschung gewöhnlich unent- 
deckf. Ähnlich ist es mit den neuen Tanagrafiguren, die 
freilich mindestens so schön wie die alten sind, sich oon 
diesen aber dadurcn unterscheiden, daß sie innen massio 
und deshalb ein wenig schwerer als die alten sind, die 
bekanntlich innen eine Höhlung haben. Ulan erkennt des 
halb die Zeit, aus der eine Tanagrafigur stammt, erst in 
dem Augenblicke, als die figur zerbricht. 
Jn Italien gibt es einen schwungoollen Handel mitfalschen 
Terracotta-Gegensfänden, und man kann dort oon den pom- 
pejanischen Vasen bis zu den Büsten des 15. Jahrhunderts 
alles haben. Auf diesem Gebiete der fälschungen ist der fall 
Bastianini wohl der berühmtestegeworden. Bastian ini worein 
armer Bursche aus fiesole, der weder lesen noch schreiben 
konnte, doch seine Werke standen lange Zeit im Eauore und im 
Kensington-niuseum als ITleisferwerke der italienischen 
Renaissance und waren mit doppeltem Golde aufgewogen 
worden. Bastianini trat im jugendlichen Alter bei einem 
florentinischen Bildhauer als Gehilfe ein und erhielt einen 
Wochenlohn oon dreieinhalb franken, tn seinen FRuße- 
stunden und anfangs bloß zu seinem Vergnügen machte 
er, mit einem ererbten Verständnis für d e beste italienische 
Kunst begabt, Büsten und Basreliefs im Stile des 15. Jahr 
hunderts so schön, daß die Händler, die Bastianini wenige 
Eire gaben, dafür hohe Summen erzielten. Im Jahre 1848 
erkannte freppa, ein Kunsthändler in florenz, daß in 
Bastianini ein zweiter Golconda steckte. Gr lieh ihm das 
für die Grrichfung eines eigenen Ateliers notwendige Geld 
und ermutigte ihn, die italienische Renaissance zu studieren 
und hernach in ihrem Geiste zu schaffen. Gr oersprach, 
alle diese Arbeifen gut zu oerkaufen. Basfianini machte 
I sich ans Werk. Gine Zeit lang ging alles gut. Seine 
Ansprüche waren bescheiden, und er wußte nicht, daß 
seine Arbeiten mit den Hamen der großen Künstler der 
Renaissance, wie Verrochio, Ghiberti u. a. in die Welt 
gingen. Da machte er einmal die Büste eines alten Ar 
beiters und taufte sie „Girolamo Benioieni“, der ein 
berühmter Dichter in florenz war und oon dem ein Porträt 
existierte, das Eorenzo di Credi gemalt hatte, was jedoch 
Bastianini nicht mußte, für diese Büste erhielt er oon 
freppa 350 franken. Gin in florenz weilender Händler 
aus Paris zahlte dafür 700 franken und oersprach, einen 
Teil des weiteren Gewinnes Bastianini zu geben. Diese 
Büste Bastianinis erschien im Jahre 1877 in der Pariser 
Kunstausstellung als das Werk Eorenzo di Credis und 
wurde oon der Kritik sehr gelobt. Sie erzielte einen Preis 
oon 13.600 franken und kam in den Eouore, wo siezwischen 
einem Hlichael Angela und einem Desiderio aufgestellt 
wurde. Grst damals gelangte die Geschichte zu Bastianinis 
Ohren. Gr protestierte und bewies, daß diese Büste sein 
Werk ist, doch er wurde ausgelacht und ein Betrüger 
genannt. Gine langwierige, hißige fehde entstand, fran- 
zosen und Italiener lagen sich in den Haaren, bis Bastianini 
dem Streite dadurch ein Gnde machte, daß er auf einen 
im Piedestal der Büste angebrachten namen oerwies. Auch 
die oordem oom Kensington Hluseum gekauften Renaissance- 
Büsten erwiesen sich als die Werke Bastianinis, der mit 
wunderbarer HJeisterschaft den Stil und die Stimmung des 
goldenen Zeitalters der italienischen Kunst wieder beherrschte. 
Wer weiß, ob nicht ein gleicher Künstler heute lebt. 
Alabasterstatuen im Stile der Renaissance werden 
heutzutage dußendweise erzeugt, mit Gußmodellen, in denen 
mit Gummi oerdicktes Alabasterpuloer geformt, dann die 
Patina angebracht, und die fertige Statue mit Schmirgel 
papier poliert wird. Renaissance-Porträts aus Wachs, die 
heute sehr beliebt sind, werden in Paris mit Anmut und 
Ruhe gemacht; sie sind, wenn sie unter einem Glassturze 
stehen, oon den echten kaum zu unterscheiden, für 
Hlarmorstatuen, Büsten u. dgl., alle garantiert mehrere 
Jahrhundert alt, gibt es in Italien große Werkstätten, die 
ihre Grzeugnisse eine Zeit lang in die Grde oergraben, 
dann absichtlich kleine Stücke abbrechen und schließlich 
mehrere chemische Bäder wirken lassen, oon denen jedes 
den Belag eines Jahrhunderts entstehen lassen soll. Die 
Chemikalien dringen in porösen ITlarmor ziemlich weit ein, 
so daß selbst bei einem frischen Bruche kein Argwohn entsteht. 
Solche niarmorsfatuen gehen alljährlich in ganzen Schiffs 
ladungen nach den Vereinigten Staaten oon Hordamerika. 
Jeßt soll in Paris ein ITluseum der fälschungen 
errichtet werden. Der Plan geht oon Gmile Guimet 
aus, dem Gründer und Direktor des IHuseums, das seinen 
Hamen trägt. Im Eaufe seiner langen Reisen in Ägypten, 
Persien und Indien fielen Guimet zahllose fälschun 
gen auf, die darf gemacht wurden, und die man ohne 
große Schwierigkeiten nicht nur reichen Touristen, die sich 
in die Gegend oerirrt hatten, sondern auch Gelehrten, die 
oorsichtiger sein wollten, in die Hände zu spielen und 
gegen gutes Geld zu oerkaufen oerstand. Guimet will 
für solche fälschungen in seinem ITluseum eine besondere 
Abteilung einrichfen. Die Tiara des Saitaphernes berühm 
ten Angedenkens und die Heiho-Skarabäen sollen in diesem 
Hluseum einen Ghrenplaß erhalten. 
Warum haben denn die fälschungen einen solchen 
Umfang angenommen? Weil die Käufer betrogen sein 
wollen, weil oiele ein Kunstwerk nicht um seiner Schönheit 
willen kaufen, sondern um sich mühelos den Schein einer 
großen Kennerschaft zu erwerben. Gegen das Kaufen 
schöner Kunstwerke ist natürlich gar nichts einzuwenden, 
es ist oielmehr zu fördern und zu loben, doch auch in 
der Kunst und in der Betätigung des Kunstsinnes ist nach 
dem Talente die Ghrlichkeit die wichtigste Sache.
	        
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