Internationale Sammler-Zeitung.
Hummer 23
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den Werken einer bestimmten Gpoche eigen ist. manchmal |
werden fehlende Seiten durch Blätter aus anderen Büchern
erseht, zuweilen aus drei oder aier Büchern oerschiedener
Zeiten ein begehrtes Werk gemacht. Aber auch die falscher
begehen Unoorsichtigkeiten; so erzählt ein Bibliothekar,
der oiele alte Bücher kaufte und jede Seite besah, dafj er
einmal in einer Handschrift eine falsche Seite an dem
Umstande erkannte, dafj sie nicht wie die übrigen Blätter
non einem Wurme durchfressen mar. Da hafte der fälscher
daran oergessen, dafj der Wurm sich seinen Weg non
einem Deckel zum andern frifjt. Der Schwindel mit alten
Büchern gäbe weitern Staff für ein ganzes Buch.
Kolorierte Hlanuskripte werden gleichfalls nach
gemacht, mit Geschick und ohne ernste Schwierigkeit, seit
das Geheimnis wiederentdeckt wurde, wie man die färben
und das Gold auflegen muij, um die uollständige Trans
parenz des Pergaments zu bewahren. Warum sollte dies
auch nicht möglich sein? Was die alten JTlönche, die jahre
lang an einem Kirchenbuche malten, oermochten, das geht
heute mit den oielen neuen Hilfsmitteln oielleichf noch besser.
fluch die Ginbände der Bücher bleiben oon betrüger
ischen Hachahmungen nicht oerschont, da es Büchersammler
gibt, die auf seltene Ginbände fliegen, den Inhalt dagegeu
für nebensächlich halten. Das flachmachen der französischen
Ginbände aus dem 17. und 18. Jahrhundert ist aber heute
außerordentlich schwierig, weil es seifen gelingt, den neuen
Häuten den Ton der alten Saffianbände zu oerleihen. Die
Ginbände alter Bücher sollen auf ihre Gchtheit immer durch
Bestreichen mit einem feuchten Tuche geprüft werden, denn
frisch angebrachte färben lassen sich wegwischen. Die
aus Schweins- oder Kalbleder gemachten Ginbände der
alten Italiener und Hiederländer sind leicht nachzuahmen,
saferne sie keine goldenen Aufschriften tragen.
Die Werke aus Terracotfa, HJajolika oder Porzellan
französischer, italienischer, chinesischer oder japanischer
Herkunft sind so oft nachgemacht worden, dafj die Auf
zählung aller dabei gebrauchten Kniffe ein ganzes Buch
füllte. Die Kopien sind in der Regel blofj ein wenig kleiner
als die Originale, doch da man diese selten zum Vergleiche
bei cier Hand hat, bleibt die fälschung gewöhnlich unent-
deckf. Ähnlich ist es mit den neuen Tanagrafiguren, die
freilich mindestens so schön wie die alten sind, sich oon
diesen aber dadurcn unterscheiden, daß sie innen massio
und deshalb ein wenig schwerer als die alten sind, die
bekanntlich innen eine Höhlung haben. Ulan erkennt des
halb die Zeit, aus der eine Tanagrafigur stammt, erst in
dem Augenblicke, als die figur zerbricht.
Jn Italien gibt es einen schwungoollen Handel mitfalschen
Terracotta-Gegensfänden, und man kann dort oon den pom-
pejanischen Vasen bis zu den Büsten des 15. Jahrhunderts
alles haben. Auf diesem Gebiete der fälschungen ist der fall
Bastianini wohl der berühmtestegeworden. Bastian ini worein
armer Bursche aus fiesole, der weder lesen noch schreiben
konnte, doch seine Werke standen lange Zeit im Eauore und im
Kensington-niuseum als ITleisferwerke der italienischen
Renaissance und waren mit doppeltem Golde aufgewogen
worden. Bastianini trat im jugendlichen Alter bei einem
florentinischen Bildhauer als Gehilfe ein und erhielt einen
Wochenlohn oon dreieinhalb franken, tn seinen FRuße-
stunden und anfangs bloß zu seinem Vergnügen machte
er, mit einem ererbten Verständnis für d e beste italienische
Kunst begabt, Büsten und Basreliefs im Stile des 15. Jahr
hunderts so schön, daß die Händler, die Bastianini wenige
Eire gaben, dafür hohe Summen erzielten. Im Jahre 1848
erkannte freppa, ein Kunsthändler in florenz, daß in
Bastianini ein zweiter Golconda steckte. Gr lieh ihm das
für die Grrichfung eines eigenen Ateliers notwendige Geld
und ermutigte ihn, die italienische Renaissance zu studieren
und hernach in ihrem Geiste zu schaffen. Gr oersprach,
alle diese Arbeifen gut zu oerkaufen. Basfianini machte
I sich ans Werk. Gine Zeit lang ging alles gut. Seine
Ansprüche waren bescheiden, und er wußte nicht, daß
seine Arbeiten mit den Hamen der großen Künstler der
Renaissance, wie Verrochio, Ghiberti u. a. in die Welt
gingen. Da machte er einmal die Büste eines alten Ar
beiters und taufte sie „Girolamo Benioieni“, der ein
berühmter Dichter in florenz war und oon dem ein Porträt
existierte, das Eorenzo di Credi gemalt hatte, was jedoch
Bastianini nicht mußte, für diese Büste erhielt er oon
freppa 350 franken. Gin in florenz weilender Händler
aus Paris zahlte dafür 700 franken und oersprach, einen
Teil des weiteren Gewinnes Bastianini zu geben. Diese
Büste Bastianinis erschien im Jahre 1877 in der Pariser
Kunstausstellung als das Werk Eorenzo di Credis und
wurde oon der Kritik sehr gelobt. Sie erzielte einen Preis
oon 13.600 franken und kam in den Eouore, wo siezwischen
einem Hlichael Angela und einem Desiderio aufgestellt
wurde. Grst damals gelangte die Geschichte zu Bastianinis
Ohren. Gr protestierte und bewies, daß diese Büste sein
Werk ist, doch er wurde ausgelacht und ein Betrüger
genannt. Gine langwierige, hißige fehde entstand, fran-
zosen und Italiener lagen sich in den Haaren, bis Bastianini
dem Streite dadurch ein Gnde machte, daß er auf einen
im Piedestal der Büste angebrachten namen oerwies. Auch
die oordem oom Kensington Hluseum gekauften Renaissance-
Büsten erwiesen sich als die Werke Bastianinis, der mit
wunderbarer HJeisterschaft den Stil und die Stimmung des
goldenen Zeitalters der italienischen Kunst wieder beherrschte.
Wer weiß, ob nicht ein gleicher Künstler heute lebt.
Alabasterstatuen im Stile der Renaissance werden
heutzutage dußendweise erzeugt, mit Gußmodellen, in denen
mit Gummi oerdicktes Alabasterpuloer geformt, dann die
Patina angebracht, und die fertige Statue mit Schmirgel
papier poliert wird. Renaissance-Porträts aus Wachs, die
heute sehr beliebt sind, werden in Paris mit Anmut und
Ruhe gemacht; sie sind, wenn sie unter einem Glassturze
stehen, oon den echten kaum zu unterscheiden, für
Hlarmorstatuen, Büsten u. dgl., alle garantiert mehrere
Jahrhundert alt, gibt es in Italien große Werkstätten, die
ihre Grzeugnisse eine Zeit lang in die Grde oergraben,
dann absichtlich kleine Stücke abbrechen und schließlich
mehrere chemische Bäder wirken lassen, oon denen jedes
den Belag eines Jahrhunderts entstehen lassen soll. Die
Chemikalien dringen in porösen ITlarmor ziemlich weit ein,
so daß selbst bei einem frischen Bruche kein Argwohn entsteht.
Solche niarmorsfatuen gehen alljährlich in ganzen Schiffs
ladungen nach den Vereinigten Staaten oon Hordamerika.
Jeßt soll in Paris ein ITluseum der fälschungen
errichtet werden. Der Plan geht oon Gmile Guimet
aus, dem Gründer und Direktor des IHuseums, das seinen
Hamen trägt. Im Eaufe seiner langen Reisen in Ägypten,
Persien und Indien fielen Guimet zahllose fälschun
gen auf, die darf gemacht wurden, und die man ohne
große Schwierigkeiten nicht nur reichen Touristen, die sich
in die Gegend oerirrt hatten, sondern auch Gelehrten, die
oorsichtiger sein wollten, in die Hände zu spielen und
gegen gutes Geld zu oerkaufen oerstand. Guimet will
für solche fälschungen in seinem ITluseum eine besondere
Abteilung einrichfen. Die Tiara des Saitaphernes berühm
ten Angedenkens und die Heiho-Skarabäen sollen in diesem
Hluseum einen Ghrenplaß erhalten.
Warum haben denn die fälschungen einen solchen
Umfang angenommen? Weil die Käufer betrogen sein
wollen, weil oiele ein Kunstwerk nicht um seiner Schönheit
willen kaufen, sondern um sich mühelos den Schein einer
großen Kennerschaft zu erwerben. Gegen das Kaufen
schöner Kunstwerke ist natürlich gar nichts einzuwenden,
es ist oielmehr zu fördern und zu loben, doch auch in
der Kunst und in der Betätigung des Kunstsinnes ist nach
dem Talente die Ghrlichkeit die wichtigste Sache.