Flummer 23
Internationale Sammler-Zeitung
Seite 355
Die Galerie (Deäer.
Von Alfred fflayer (ITlünchen).
nter den ITlünchner Prioatgalerien gehört die des
ITlünchner Unioersitätsprofessors der Zahnheil
kunde Dr. nieder zu den fast unbekannten.
Dem Besser selbst klingt die Bezeichnung
„Galerie“ für seine junge, erst uor zehn Jahren
ins Beben gerufene Sammlung non Gemälden
etroas zu prätentiös. Gleichuiel — der Bestand
dieser zirka 200 Gemälde stellt als Ganzes ge
nommen meiner Ansicht nach ein recht drasti
sches Beispiel dafür dar, dal] der Priuatsammler
auch mit bescheidenen Rütteln bei Zielberoußt-
sein und Kunstinstinkt heutzutage in kurzer Zeit respek
table Crfolge erzielen kann. Die Geschlossenheit der Rleder-
schen Sammlung resultiert aus Zurückhaltung und toeiser
Beschränkung. Gepflegt rourde uorzugsroeise ein spezielles
Gebiet, das man am besten bezeichnen roird „Die ITlünchner
akademische JTlalerei in den heroarragendsten Crscheinun-
gen aus der zroeiten Hälfte des 19. Jahrhunderts“, nieder
hat den Becoeis geführt, dafj der in neuerer Zeit zu einem
Schlagroort gemordene Begriff „Akademismus“ den feineren
Verstehet - und llläzen nicht abzuschrecken braucht. Die
Konsequenz in Willen und Geschmack, die der Anlage der
niedersten Sammlung Crnst uerleiht, unterscheidet sich
sehr oorteilhaft doii der heute gern geübten Snobmanier,
der leßten Tagesmode nachzugehen und uon allen Gerichten
naschen zu roollen,
lllit Ausnahme eines aoeiblichen Aktes oan Beo Put]
(nicht zu den gelungenen Arbeiten des beliebten Rleisters
zählend), habe ich nichts entdecken können, roas aus der
gedämpften Harmonie dieser farbigen Gesamthaltung heraus-
fiele. Die uon nieder beoorzugten Künstler darf man keines
wegs mit der Bezeichnung „Akademiker“ abtun roollen, sie
dürfen nur im besten Sinne so genannt roerden - nicht
e troa roeil ihre Behrtätigkeit sich zufällig an einer könig
lichen Akademie abspielte, sondern mehr, roeil sie als
Künstler an eine ihnen überlieferte Tradition und lllaler-
kultur anknüpften.
Ich gebe dabei zu, dafj das durch Ausrangieren bereits
erreichte gute ITioeau der Sammlung durch weitere Aus-
roahl erheblich geroinnen roürde. Cs ist der beste Beweis,
dafj die Sammeltätigkeit eine künstlerische Crziehung mit
sich bringt, roenn die Ansprüche roachsen und einstige
Bieblinge niedriger gehängt roerden oder gar oerschroinden
müssen. Die Deoise lautet roie gesagt: „ITlünchen, 2. Hälfte
19. Jahrhundert“. Ausnahmsweise rourden auch die Ar
beiten fremdländischer Künstler herangezogen, mehr des
halb, roeil sie als Vorläufer deutscher Crrungenschaften oder
erst im Zusammenhang mit dem einheimischen Aufschluß
geben. Constable zum Beispiel, der große englische Reformer
der Bandschaftsmalerei, dessen Cinflüsse auf die Barbizoner
bekannt sind, durfte bei der Bedeutung der Schule oon
Barbizon für die Cntroicklung des deutschen „paysage
intime“ kaum fehlen. Übrigens sind gerade die Constables
bei nieder nicht unanfechtbar. Ungemein überraschend
wirkt eine kleine Illeerlandschaft uon Courbet, in der der- j
selbe Geist der Barbizoner anklingt, sehr unterschieden uon I
dem, roas die eigentliche Temperamentsnote Courbets aus
macht. Die Berliner Jahrhundertaussfellung hat seinerzeit
gelehrt, dafj gleichzeitig und Dielleicht ganz unabhängig
uon Barbizon ähnliche Bestrebungen in einzelnen deutschen
Bandschaftern lebendig waren. Troljdem erkennen roir
häufig uor den besten deutschen Bandschaften dieser Zeit,
roieuiel diese Gruppe französischer Künstler für die Ver
breitung einer neuen und oertieften Bekenntnis der Ratur
getan hat und roie — uon Constable ausgehend — die
ganze Bandschaftsmalerei in neue Bahnen gelenkt rourde.
Der französische Cinflufj fiel zusammen mit dem Willen,
sich frei zu machen uon traditionell gewordenen Unwahr
heiten, z. B. in der historischen Bandschaftsmalerei. Das
heroische Pathos, bei einem Genie roie Delacroix, so rounder-
uo11, kleidete noch einmal unsern Anselm Beuerbach, den
man in seiner Zeit nicht mehr uerstehen wollte. Die
Romantiker dichteten oft zu uiel, uiel zu oft in die Band
schaffen hinein; roie wohltuend roirkte als Rückschlag die
intime und innerliche Auffassung, die in die Seele der
Bandschaff zu dringen suchte, ln fduard Schleich begegnen
roir einem der ersten aus der ITlünchner Schule, der das
Heil in dieser Richtung findet. Zwei seiner feinen charakte
ristischen Bandschaften begegnen roir in der Gesellschaft
anderer Gesinnungsgenossen, z. B. des Adolf Bier — dann
des Adolf Stäbli, des Schroeizers. Auch Budroig Willroider,
Toni Stadler, Philipp Röth, Paul Thieme gehören in diese
IT he. Zum entzückendsten im Werke Heinrich Zügels
gehört die kleine, früh entstandene, sonnige und ausge
führte „Schafidylle' 1 bei nieder, llach der qualitatiuen
und quantitatiuen Überzahl zu urteilen, müssen Rieders
Bieblinge — Karl Spitjroeg und Wilhelm uon Diez sein.
Wie uiel größer erscheint Spitjroeg, sobald er auf (so reiz-
uoll eigen er sie zu gestalten mußte) Anekdote und Idylle
Verzicht leistet. Drei bis Dier Bandschaften Spitjroegs mit
ganz geringer Staffage zeigen nicht nur seine exquisite
Tonbehandlung, sondern auch ein fortschreiten nach einer
großzügigen Räumlichkeit in den Rlofiuen. Cs ist bekannt,
daß Spitjroeg uon der tonigen feinheit eines dem Bade
strand Dieppes schildernden Bildnis uon Bauis Gabriel
Jsabey angezogen, das Bild in Paris kopierte. Das auch
in IRünchen bekannte Gemälde, heute Cigentum der Berliner
Rafionalgalerie, stammt aus dem Besiß des Prof, nieder.
Run aber wollte ein eigentümlicher Zufall, daß Rieder ein
zweites, dasselbe Sujet behandelndes Werk uon Spißroeg
fand, das fraglos eine zweite, Dielleicht sogar die erste
Redaktion dieser Jsabeykapie darstellt. Während das Original
unauffindbar blieb, gingen zwei zuoerlässige Kopien durch
eine Hand.
Von Wilhelm uon Diez begegnen uns eine ganze Reihe
liebeuoll behandelter Pferdestudien, darunter einzelne in
der Diezausstellung bekannt gewordene Stücke, so das
„Postkutschenbild“ und die „zwei Bandsknechte mit Pferden“,
uon denen der eine eben herabgestiegen ist, um sich an
einem uom Jungen gereichten Trank zu laben. Cr trägt
diese rounderuoll tiefblaue Schärpe als farbigsten fleck im
Bilde, eigenartig ist auch das „Ruinenbild mit dem Schatten
tor“ uon Diez. Cin anderes auffälliges Architekturbild
hängt in der Rähe. Cs stellt einen „uenezianischen Hof“
uor, gemalt uon Charles Schuch, und gleicht durch Abroägen
der Tonniiance einem einzigen choralartigen düsteren far-
benakkord. Das künstlerisch hochstehende und zugleich
das kostspieligste Bild, das Rieder erroorben hat, ist des
selben Charles Schuch — unter der Bezeichnung „Porre“
bekannt gewordene — Stilleben. Cin Bündel Schnittlauch
— zusammengestellt mit wenigen uirtuos gemalten Äpfeln,
mit Vase und Käseglocke zeigt in der Plastizität einen